Siegel

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Reitersiegel Herzog Albrechts II. mit zweifacher Umschrift, Abdruck 1338
Daten zum Begriff
Art des Begriffs Quellenkunde
Andere Bezeichnung sigillum, bulla, insiegel, typarium, cumeus, sigillarium
Frühere Bezeichnung
Nachweisbar von
Nachweisbar bis
Objektbezug Antike, Mittelalter, Latein
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 16.12.2020 durch WIEN1.lanm08swa
Bildname Reitersiegel.jpg
Bildunterschrift Reitersiegel Herzog Albrechts II. mit zweifacher Umschrift, Abdruck 1338

Siegel (lateinisch sigillum). Ein Siegel ist ein mit Hilfe eines Stempels verfertigtes, mit einem Bild versehenes Zeichen aus Wachs, Metall oder Siegellack, das zur Beglaubigung oder zum Schutz eines Schriftstücks dient. Der Begriff 'sigillum' setzte sich seit dem 11. Jahrhundert durch, aber auch 'bulla' war für ein Metallsiegel gebräuchlich, im (Mittelhoch-)Deutschen war es 'insiegel', ab dem 16. Jahrhundert 'Siegel'. Für die Matrize bildete sich im 13. Jahrhundert eine eigene Begrifflichkeit heraus: 'typarium', 'cumeus', 'sigillarium'. Der Siegelgebrauch ist bereits im 4. Jahrtausend vor Christus in Mesopotamien über zylindrische Tonsiegel belegt. Die Wissenschaft der Siegelkunde heißt Sphragistik.

Siegelstempel

(Typar, Petschaft, Siegelstock, oft nur Siegel) Stempel sind meist aus Metall (Blei, Zinn, Silber, vergoldet, Gold, Stein, Diamant, Schiefer, Speckstein/Kristall, Holz/Elfenbein/Knochen; ab dem 19. Jahrhundert auch aus Hartgummi), in welchen Symbole zur Kennzeichnung des Inhabers (Wappen, Namen, sonstige Embleme) seitenverkehrt eingeschnitten sind. Der Siegelstempel war schon in der Antike gebräuchlich. Im Mittelalter wurde er zunächst nur von Herrschern und Kirchenfürsten, später auch von Adeligen und Angehörigen der bürgerlichen Oberschicht sowie von Körperschaften und Dienststellen verwendet. In der Regel wurde der Siegelstempel von Goldschmieden hergestellt, von denen sich manche als Siegelschneider spezialisierten. Der Siegelstempel wurde stets sorgfältig aufbewahrt, manchmal auch an Fingerringen (Siegelringen) getragen. Typare von Personen verloren mit deren Tod ihre Gültigkeit und wurden vernichtet oder für den Erben umgearbeitet.

Bei den Siegelinschriften unterscheidet man Umschrift, Aufschrift und Randschrift. Siegel ohne Inschriften sind sehr selten. Umschriften beinhalten zumeist Name und Titel des Siegelführers im Nominativ, ab dem 13. Jahrhundert 'Sigillum' oder 'S.' samt Namen im Genitiv. Große Siegel hatten oftmals zweireihige Umschriften. Selten wird das Datum der Herstellung genannt. Umschriften beginnen immer oben in der Mitte und erfolgen im Uhrzeigersinn. Der Platz zwischen den den Worten ist häufig mit Punkten, Kreuzen oder Ornamenten gefüllt. Die Umschrift ist durch den Perl- oder Eierstab vom Bild getrennt. Als Aufschrift bezeichnet man die Schrift im Siegelfeld, Randschriften finden sich auf der Schmalseite eines Siegels. Die Siegelschrift selbst steht der Epigraphik näher als der Paläographie. Zunächst wurden nur Majuskeln verwendet, im 12. Jahrhundert Unzialschriften, ab dem Spätmittelalter Minuskeln. Die Sprache ist bis in die Frühe Neuzeit meist Latein, die Volkssprache ist ab dem 13. Jahrhundert aufkommend, ebenso Geheimschriften.

Randschrift auf einem Siegel Rudolfs IV., Abdruck 1360

An Siegeltypen unterscheidet man Schriftsiegel (nur Schrift, kein Siegelbild), Bildnissiegel (alles, das nicht dem Portrait- oder Wappensiegel zuzuordnen ist), Portraitsiegel und Wappensiegel (aus den Kleinsiegeln entwickelt, zumeist lediglich das Wappen als Bild). Im Spätmittelalter finden sich an Formen: Runde Siegel, mehrkantige Siegel (häufug bei Siegelring-Typaren, Signetanwendung), spitzovale Siegel (seit dem Ende des 12. Jahrhunderts, eignen sich gut für die Darstellung von Figuren und sind bevorzugte Siegel kirchlicher Institutionen) un das schildförmige Siegel (ab dem 13. Jahrhundert, zeitgleich mit dem aufkommen der Wappen vermehrt anzutreffen. Oftmals finden sich nicht nur der Schild sondern auch dessen Umschrift im Siegelbild).

Siegel der Stadt Venzone (Peuscheldorf), Streitbeilegung im Handel mit Venedig (1343), Abdruck 1343

Siegelabdruck

Siegelstoffe waren Ton (Orient und Antike), vor allem aber Wachs. Der Abdruck des Siegelstempels erfolgte in durch Wärme erweichtem, rasch erhärtendem Material, meist Wachs, später Siegellack. Ab dem 12. Jahrhundert färbte man das Wachs häufig. Rot (Zinnober) und Grün (Grünspan) waren am häufigsten, Weiß (Gips), Rosa, Blau und Dunkelbraun (Pech) kommen aber auch vor. Allgemein kann festgestellt werden, dass Rot und Grün im Spätmittelalter kennzeichnend für den Souverän waren. Ab dem 14. Jahrhundert konnte vom Souverän die Erlaubnis erteilt werden, in Rot siegeln zu dürfen. Der Papst siegelte immer mit Blei. Der Abdruck in aufgeweichtes (Blatt-)Gold war Kaisern, Königen und dem Papst vorbehalten (Goldbullen). Er wurde entweder mittels wächserner Siegelschale eingefasst und am Schriftstück mit Schnüren befestigt oder in ein direkt auf das Schriftstück aufgetragenes Material eingepresst. Damit bekundete der Inhaber des Typars als Aussteller die Gültigkeit des Schriftstücks oder er bestätigte damit als Zeuge den Inhalt. Der Abdruck ersetzte somit die Unterschrift, die allerdings in späterer Zeit noch dazugesetzt wurde.

Siegel bedeutender österreichischer Herren - und der Stadt Wien (ganz rechts außen) - an Seidenschnüren befestigt, Niederlagsprivileg 1281

Siegel gab es in verschiedenen Ausprägungen, so zum Beispiel als Münzsiegel (Vorder- und Rückseite sind gleich groß), Contra - oder Gegensiegel (Rücksiegel kleiner) oder auch Kleinsiegel: Sigillum secretum (Sekretsiegel, in der Neuzeit für minder wichtige Schriftstücke). Besonders wichtige Schriftstücke wurden mit zwei Siegelschalen samt Abdrücken versehen (größeres Hauptsiegel, kleineres Rücksiegel bzw. Sekretsiegel). Ab dem 13. Jahrhundert tauchen auch Siegelkapseln aus Holz oder Metall auf. Die Befestigung des Siegels konnte auf verschiedene Art erfolgen:

  1. aufgedrückt: Wachssiegel, 'sigillum impressum'. In einen Kreuzschnitt im Pergament eingegossen
  2. eingehängt: An der Urkunde über einen Pergamentstreifen befestigt
  3. anhangend: 'sigillum pendens'. Die Schnur oder Pergamentpressel wird meist durch den umgefalteten unteren Rand, die Plica, gezogen. Dabei handelt es sich um die am häufigsten vorzufindende Befestigungsart. Bei den päpstlichen Litterae (Urkundenspezies, die einem feierlichen Brief ähnlich) beispielsweise wird zwischen den feierlicheren Stücken mit Rechtsvorschriften unterschieden, bei denen das Bleisiegel an einer Seidenschnur hing (littera cum serico), und den einfacheren Schreiben, die meist nur Direktiven des Papstes enthielten (littera cum filo canapis – Hanfschnur).
  4. abhangend: abhangendes Siegel, 'sigillum dependens': Ein Pergamentstreifen wird direkt von der Urkunde abgetrennt und das Siegel daran befestigt.

Mögliche Siegelbefestigungen und Siegelmaterialien in Auswahl

Siegelführer

Siegel Heinrichs des Langen von Wien, Abdruck 1338

Stadt Wien

Das Siegel der Stadt Wien ist seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nachweisbar. Änderungen des Siegelbildes erfolgten insbesondere 1461 mit der Verleihung eines neuen Stadtwappens durch Friedrich III. sowie mit den Brüchen und Regimewechseln 1918, 1934, 1938 und 1945.

Die österreichischen Landesfürsten

Sie verwendeten zur Babenbergerzeit Typare, die den Regenten zu Pferd zeigten. Die Habsburger gestalteten ihre Typare zunehmend prächtiger aus; besonderen künstlerischen Wert hatten jene, die Herzog Rudolf IV. und Kaiser Friedrich III. verwendeten.

Republik Österreich

Das Siegel der Republik Österreich zeigt seit 1919 den alten österreichischen Wappenadler mit dem auf dessen Brust befindlichen Rot-Weiß-Roten Bindenschild. Im austrofaschistischen Ständestaat zwischen 1934 und 1938 wurde das Staatswappen durch einen Doppeladler als Bundeswappen ersetzt. Seit 1945 ist das Staatswappen wieder der einköpfiger Adler mit Bindenschild auf der Brust und Hammer und Sichel (als 1919 eingeführte Symbole für den Arbeiter- und den Bauernstand) in je einem seiner Fänge, dazwischen als Symbol für die 1945/55 wiedergewonnene Freiheit eine gesprengte Kette.

Sonstige

Unter den ersten, die in der Stadt Siegel führten waren die Klöster. Der Konvent des Schottenstifts siegelte bereits vor 1230.

Spitzovales Siegel des Schottenabts Niklas und Rundsiegel des Konvents, Abdruck 1316. Die Schotten zählten zu den frühesten Siegelführern in der Stadt.

Der Schottenabt selbst führte nachweislich ab 1233 ein Siegel, der Pfarrer von St. Stephan ab 1258 und der Komtur des Deutschen Ritterordens seit 1259. Das Bürgerspital siegelte seit 1257.

Siegel des Wiener Bürgerspitals, Abdruck 1301

Erstmals erhalten ist das Siegel an einer Urkunde aus 1264. Der erste fassbare Bürger mit einem Siegel ist ein gewisser Rudgerus de Wienne im Jahr 1255. Besiegelung durch die Wiener Bürger wird allgemein in der zweiten Hälft des 13. Jahrhunderts üblich. Die erste Bürgerin mit eigenem Siegel war 1288 Margarete Preuzzelinna, eine Tochter Ottos vom Hohen Markt und verwitwete Frau des Heinrich Preußel. Auch noch aus dem 14. Jahrhundert finden sich nur ganz vereinzelte Belege von siegelnden Frauen. Es handelte sich zumeist um Frauen aus den reichsten Familien, die nach dem Tod ihres Mannes ein Siegel führten. 1298 ist eine Urkunde datiert, an der das Siegel eines Juden hängt. Es ist allerdings die einzige derartige Urkunde, die überliefert ist.[1] Auch bereits seit dem Mittelalter traten die Universität sowie (bis 1848) die Vorstädte (Grundgerichtssiegel) als Siegler auf. In den Stadtrechtsprivilegien des 13. und 14. Jahrhunderts war vorgesehen, dass private Rechtshandlungen für ihre Gültigkeit der Besiegelung durch mindestens zwei Genannte bedurften.

Siegelführende Personen und Institutionen samt unterschiedlicher Siegeltypen in Auswahl

Siehe auch:

Literatur

Allgemein

  • Toni Diederich: Siegelkunde: Beiträge zu ihrer Vertiefung und Weiterführung. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2012
  • Toni Diederich: Rheinische Städtesiegel (= Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz, Jahrbuch 1984/85). Neuss: 1984
  • Gabriela Signori [Hg.]: Das Siegel. Gebrauch und Bedeutung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2007
  • Michel Pastoureau: Les sceaux (= Typologie des sources du moyen âge occidental. Band 36). Turnhout: Brepols 1981

Zu den landesfürstlichen Siegeln

  • O. Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige von 751 bis 1806. 5 Bände. Dresden 1909-1913
  • Karl von Sava: Die Siegel der österreichischen Regenten. 1871
  • Franz Gall: Die Siegel der frühen Habsburger. In: Die Zeit der frühen Habsburger - Dome und Klöster 1279-1379. Wiener Neustadt 1979 (Katalog), S. 168 ff., Katalog-Nummern 136-138, 141, 156-167, 267

Zum Wiener Stadtsiegel

  • Peter Csendes/ Wolfgang Mayer: Wappen und Siegel der Stadt Wien. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 41 (1986), Beiheft 1
  • Rudolf Geyer: Siegel und Wappen der Stadt Wien. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1 (1946), Nummer 2, S. 1 ff.
  • Katalog zur Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Wien. Band 15, S. 19 ff.
  • Eduard Gaston Graf Pettenegg: Geschichte des Wappens der Stadt Wien. In: Geschichte der Stadt Wien. Hg. vom Altertumsverein zu Wien. Wien: Holzhausen 2/1 (1900), S. 1 ff.

Zu den Wiener Bürgern sowie Sonstigen und ihren Siegeln

  • Ivo Luntz: Die Allgemeine Entwicklung der Wiener Privaturkunde bis zum Jahre 1360. Wien 1917: Verlag des Vereines für Geschichte der Stadt Wien (Abhandlungen zur Geschichte und Quellenkunde der Stadt Wien I)
  • Ilse Spielvogel: Die Siegel der Wiener Ratsbürger des 14. Jahrhunderts. In: Genealogica et Heraldica (1972), S. 611 ff.
  • Wolfgang Mayer: Die Siegel der Wiener Ratsbürgerfamilien im Spätmittelalter. In: Walter Aspernig: Wiener Bürgermeister im Spätmittelalter. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1980 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 7), S. 81 ff.

Einzelnachweise

  1. Ivo Luntz: Die Allgemeine Entwicklung der Wiener Privaturkunde bis zum Jahre 1360. Wien 1917: Verlag des Vereines für Geschichte der Stadt Wien (Abhandlungen zur Geschichte und Quellenkunde der Stadt Wien I), S. 5-11 und 49f.