Ringstraßenwettbewerb Projekt Nr.84

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Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Wettbewerb
Datum von 31. Jänner 1858
Datum bis 31. Juli 1858
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 43951
GND
WikidataID
Objektbezug Ringstraße, Glacis
Quelle
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Letzte Änderung am 12.12.2022 durch WIEN1.lanm08jan

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Devise: kein Textmotto, stattdessen ein grüner Stern in grünem Kreis


Verfasser: Ludwig Zettl (auch: Zettel)


Das Projekt Nr. 84 wurde durch Weisung des Ministers des Innern, Alexander von Bach, dem Wettbewerb hinzugefügt.[1] In der Sitzung der Jury am 20. November 1858 verlautbarte der Berichterstatter Schlosshauptmann Lang, nachdem die Autorenschaft offenbart wurde, dass das Projekt "…wegen seiner unverkennbaren Vorzüge und der vielen werthvollen Materialien der besonderen hohen Berücksichtigung zu empfehlen…aber…nicht zur Concursbewerbung zugelassen…"[2] wurde.


Städtebaulicher Entwurf

Dem Projekt des Ingenieurs im Ministerium des Innern kann durchaus eine programmatische Komponente zugesprochen werden. Er saß nicht nur im Zentrum der staatlichen Wettbewerbsorganisation und war von allen Wettbewerbsteilnehmern am meisten in den gesamten Ablauf involviert – was letzten Endes dazu führte, dass sein Projekt nicht am Wettbewerb teilnehmen konnte – er war zudem wahrscheinlich am besten informiert über die komplexen Zusammenhänge des Wettbewerbs, gingen doch alle wichtigen Informationen über seinen Schreibtisch.

Seinen Boulevard legte er – außer im Abschnitt zwischen der Löwel- und der Mölkerbastei – vor den Stadtgraben und die Bastionen. Er knickte den sechsteiligen Zug so geschickt als möglich und führte ihn rund um die innere Stadt. Er fasste ihn soweit es ging mit Bauten ein, führte ihn in den Franz-Josefs-Kai über und setzte ihn über neue Brücken in der Leopoldstadt fort. In den Stadtgräben und teilweise auch unter dem Boulevard wollte Zettl den Raum für einen mit Gas beleuchteten Tunnel nutzen, um darin eine Pferdeeisenbahn zwischen dem Zentralbahnhof und den Markthallen verkehren zu lassen, außerdem sollten hier zusätzliche Räume als Lagerhallen für Lebensmittel angelegt werden. An den Verlauf des Boulevards passte er seine Stadtviertel auf gerastertem Plan an, denen man aber nicht den Vorwurf der Monotonie oder Strenge machen konnte, selbst wenn Ludwig Zettl in seiner Denkschrift immer wieder auf die Gestaltungsprämisse der Symmetrie verwies, die Schönheit erzeugen würde. Auflockerung ergab ein Straßensystem, das durch prägnant gesetzte Achsen bis in die Vorstädte Verbindungen und eine beachtliche Anzahl von unterschiedlichen Plätzen geschaffen hätte. Die Hauptstraßen sollten durch Sekundärstraßen verbunden sein. Die Bebauung wäre im südlichen Quartier jenseits des Wienflusses fortgesetzt worden, während im Norden der Anschluss an Neu-Wien unmittelbar umgesetzt werden sollte. In dieser Form hätten auch die Eingriffe ins direkt anschließende Stadtgewebe der Vorstädte ausgesehen, wie dies am Spittelberg, beim Getreidemarkt und dem Jesuiterhof geplant war. Zettls Entwurf sah einen regelmäßigen, breiten Freiraum von Exerzierplatz und Defilierraum vor, diese sollten durch Neubauten gefasst werden. Die Votivkirche sollte freigestellt bleiben, "damit alle Seiten dieses monumentalen Baues sichtbar werden." Vielleicht gerade weil er an der Informationsquelle saß, setzte er sich an mehreren Stellen über das Ausschreibungsprogramm hinweg. Er wollte etwa die Kaserne in der Achse der Neugasse errichten und nicht 80 Klafter von der Augartenbrücke entfernt, er plante, den freizulassenden Bereich zwischen Karolinenthor und Donaukanal zu bebauen und respektierte auch den Universitätsbau von Sicardsburg und van der Nüll nicht. Als zusätzlichen Funktionsbau fügte er ein Ausstellungsgebäude am Boulevard vor dem Volksgarten ein. Er wusste zum Beispiel um die Probleme bei der Beschaffung eines passenden Besichtigungslokales für die Wettbewerbsausstellung, vor dem Hintergrund lässt gerade dieser Vorschlag von ihm aufmerken. Aufgrund seines technischen Wissens und seiner Kenntnis der vorherrschenden Missstände in Wien, führte er drei Punkte bezüglich der städtischen Infrastruktur aus. Er forderte erstens, dass die neuen Häuser mit Wasserleitungen bis in die obersten Stockwerke ausgestattet werden sollten. Aber nicht nur das Wasser in den Gebäuden sei betroffen, es wären zweitens in der ganzen Stadt diesbezüglich Verbesserungen notwendig, wofür er alle 200 Meter Wasserhydranten vorsah. Drittens setzte er sich als Einziger für eine Fortsetzung der Abwasserbeseitigung durch Kanäle und nicht für das Senkgrubensystem ein, und plädierte für den eiförmigen – später auch angewandten – Querschnitt für Kanalrohre. In seinem Übersichtsplan formulierte er einen Stadtregulierungs- und Stadterweiterungsplan für die gesamte Stadt Wien, in diesen flossen seine umfassenden Lokalkenntnisse mit ein. Auch er ging von einer Demolierung des Linienwalls aus, und ersetzte diesen durch eine Zollmauer, an deren Innen- und Außenseite er jeweils eine 20 Klafter breite "Wallstraße" entlanggeführt hätte. Die Straßen der Vorstädte zu den neuen Toren zeichnete er bereits mit einer ausreichenden Breite ein, um die bestehenden Verkehrsprobleme der Gesamtstadt in den Griff zu bekommen. An der Döblinger Linie, im Norden der Stadt, entwickelte er aus der einzigen vorhandenen Straße innerhalb der Stadtmauer gleich vier Straßenstrahlen und schlug hier in Anlehnung an den traditionellen Dreistrahl eine tradierte städtebauliche Figur zur Erschließung der Stadt innerhalb eines Tores vor. Zettls systemisches Denken lässt sich gut aufzeigen in der Weiterführung des Franz-Josefs- und des gegenüberliegenden Donaukanalkais bis zu den Stadtgrenzen, in der Verbindung der Vorstädte Lichtental (Alsergrund) und Brigittenau durch die Einfügung einer nördlich gelegenen Donaukanalbrücke sowie im Ausbau von Radialstraßen und deren Verbindungen untereinander.


Stellenwert

Gerade seine Planungen, denen ein systemischer Entwurfsgedanke zu Grunde lag und die Gesamtstadt als Planungsgebiet erkannte, sind wohl ein Beweis dafür, dass man im Ministerium des Innern nicht nur eine bloße Stadterweiterung der inneren Stadt Wien, sondern das gesamte Weichbild der Metropole im Auge hatte, sich vorerst wegen des hekatombischen Ausmaßes des Unternehmens nur auf den Zentrumbereich beschränkte.[3]


Siehe auch:


Quellen


Einzelnachweise

  1. Österreichisches Staatsarchiv, AVA, STEF, Karton 2, Faszikel Nr. 9690/M.I. 918-1858. Mit Datum 23. Oktober 1858
  2. Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Präsidialakte, Fasz. 119 ad11801/1858
  3. Zum Ringstraßenwettbewerb siehe: Harald R. Stühlinger, Der Wettbewerb zur Wiener Ringstraße, Birkhäuser, Basel 2015