Ringstraßenwettbewerb Projekt Nr.4

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Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Wettbewerb
Datum von 31. Jänner 1858
Datum bis 31. Juli 1858
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 43875
GND
WikidataID
Objektbezug Ringstraße, Glacis
Quelle
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Verfasser: Leopold Kintzl


Devise: Der gerade Weg ist der beste


Das Projekt Nr. 4 wurde bei der Jurysitzung am 10. November 1858 vom Berichterstatter Streffleur mit dem Verdikt "Die Arbeit eignet sich … nicht zur Preiszuerkennung“[1] aus dem Wettbewerb ausgeschieden.


Ein früheres Projekt

Leopold Kintzl, ein Angehöriger der k. k. Armee, dilettierte im wahrsten Sinne des Wortes mehr als so manch anderer. Er erarbeitete mehrere Projekte für die Stadterweiterung, aber auch für die Donauregulierung.[2] Schon länger mit dem Thema der Wiener Stadterweiterung beschäftigt, schlug er 1857 ein bereits 1856 begonnenes Projekt, bei dem er nota bene von Anfang an von der Beseitigung der Stadtmauern ausging. Darauf folgten sein Wettbewerbsprojekt von 1858 sowie eine weitere Bearbeitung des Themas im Jahre 1863. Die besondere Verquickung, Wiederverwendung und Weiterbearbeitung machen seine Ideen zu den interessantesten, zumal sie Dispositionen voraussahen, die ab den 1860er Jahren tatsächlich realisiert wurden. Im Konvolut der Denkschrift führte er nicht nur die am 8. Januar 1860 verfassten "Bemerkungen über den für definitiv erklärten Grundplan zur Erweiterung und Regulirung der Reichshauptstadt und Residenzstadt Wien" an, sondern fügte auch einen selbstzufriedenen Anhang mit dem Titel: "In wie weit sind bis Ende 1861 meine Ideen über die Stadterweiterung verwirklicht worden" hinzu.
Sein Projekt Nr. 4, das er selbst mit Juni 1858 datiert hatte, gelangte am 15. Juli 1858 in die Präsidialkanzlei des Ministeriums des Innern.[3] Kintzl war aber nicht nur der Verfasser dieses Projektes, sondern reichte Wochen später das Projekt Nr. 51 ein.
Kintzls Projekt Nr. 4 baut auf einem älteren Vorschlag auf, den er im Sommer 1856 und im Winter 1857 unter dem Titel "Das bürgerliche Wien der Zukunft" verfasst hatte. Die genaueren Umstände, die zu dieser Planung führten, sind nicht mehr eruierbar. Nachdem der Kaiser von einer Reise zurückgekehrt war, unterbreitete Kintzl am 26. März 1857 dessen Generaladjutanten, Graf Grünne, seinen Vorschlag, damit er ihn an den Kaiser weiterleite. Grünne lobte das Projekt, und auch der Obersthofmeister, Fürst Liechtenstein, sowie Hofbaurath Drechsler schätzten es. Danach wurde das Projekt bis Januar 1858 an mehrere Büros verschiedener Hofstellen weitergereicht. Als man den Wettbewerb auslobte, erbat der Planverfasser sein Projekt zurück und reichte es als Wettbewerbsbeitrag jedoch mit neuem Motto ein. Kintzl überarbeitete die Pläne nicht, verfasste aber eine neue Denkschrift, da die originale von 1857 nicht anonymisiert war und auch nicht dem Ausschreibungsprogramm entsprach.
Über diese Vorgehensweise Kintzls sind wir durch seine eigenen Quellen in Kenntnis gesetzt. Man erkennt in diesem Fall, dass eine objektive Handhabung des Materials den durchführenden Organen durchaus diplomatisches Geschick und Verschwiegenheit abverlangte. Kintzl hatte auch Kontakt zu Freiherr von Bach gehabt, der ihn aufgefordert hatte, ihm seine Arbeit vorzulegen, damit er sie der Beurteilungskommission vorlegen könne. Kintzl sandte seine vier Pläne samt Denkschrift an die Abgabestelle im Ministerium des Innern und fügte dem Konvolut auch die ältere Version der Denkschrift – in der jedoch sein Name zu lesen war – bei. So blieb es Matzinger überlassen, wie mit diesem Konvolut umzugehen war. Das ursprüngliche Projekt vom März 1857 bestand neben einer Denkschrift aus vier Plänen, und zwar einem sehr großen aus Teilplänen bestehenden Gesamtplan der Stadt Wien samt nächster Umgebung, einem Plan der neu projektierten kaiserlichen Hofburg, einer perspektivischen Ansicht derselben und einem kleineren Übersichtsplan von Wien samt Umgebung. Von diesen vier Plänen gelangte der große Gesamtstadtplan in das Projekt Nr. 4 (hingegen die perspektivische Ansicht der neuen Hofburg und der kleinere Gesamtstadtplan in das Projekt Nr. 51). Da sich im Gesamtplan von Projekt Nr. 4 ein dem Ausschreibungsprogramm gemäßer Umfang darstellt, ist anzunehmen, dass die zentrale Partie für den Wettbewerb umgearbeitet, umgezeichnet und ausgewechselt wurde. Anhand des Gesamtplanes von Wien im Projekt Nr. 51 (der aus dem Jahre 1857 stammte) ließ sich das ursprüngliche Projekt von 1857 rekonstruieren.


Städtebaulicher Entwurf

Seine städtebaulichen Aussagen betrafen die zu errichtenden Ausgänge aus der inneren Stadt sowie die das Zentrum mit der Peripherie verbindenden Straßen. Während er bei Ersteren dem Gefälle der Straßen besondere Aufmerksamkeit schenkte, stach bei Letzteren einer von drei Gesichtspunkten besonders hervor: "Herstellung mehrerer Circumvallationsstraßen welche mit dem Wachsthume der Stadt immer wichtiger werden." Kintzl deutete hier ein Modell an, das bei mehreren anderen Projektanten noch konkreter aufschien, nämlich die Idee das konzentrische Erscheinungsbild Wiens zu stärken und weitere Ringstraßen einzuführen.
Darüber hinaus sah er in der Anlage von Plätzen eine wichtige städtebauliche Operation, um den Stadtorganismus aufzulockern und mit Luft und Licht zu erfüllen. Während er Plätze bei den neuen Ausgängen aus der inneren Stadt vorsah, sollte jeder der neuen Stadtteile "einen großen, mit Baumgruppen und Rasenplätzen versehenen Platz enthalten". Er sprach zwar von der Verbindung der neu entstehenden Stadtteile, doch führte er diesen Gedanken nicht näher aus, sondern beschränkte sich lediglich auf die Aufzählung derselben. Dennoch ist seine Strategie, besonders in den Vororten im Nordwesten erkennbar. Die bestehenden Ortskerne wurden erstmal nicht angetastet, sondern die freien Areale zwischen den Orten mit rasterförmigen Gebieten um große, zentrale Stadtteilparks aufgefüllt. Als Straßenbreite gab 10 Klafter an, wobei die das Glacis querenden Straßen eine Breite von 16 bis 20 Klafter aufweisen sollten.
Im Bereich der Votivkirche implementierte er einen Dreistrahl, der auf den Boulevard führte und von dem zwei Strahlen wiederum Teil von weiteren Dreistrahlen wurden. Flankiert wurde die Votivkirche auf beiden Seiten von symmetrischen Bauten, um ihr eine räumliche Fassung zu geben. Auch bei der Anlage vor der Hofburg operierte er mit einer symmetrischen Konzeption. Diese umfasste mit den flankierenden Bauten zwischen Hofburg und Hofstallungen ein großes Ensemble, welches das spätere Kaiserforum vorwegnahm. Mit seinem Entwurf nahm er auch die Lage der beiden Hoftheater vorweg. Den beiden konzentrierten Wohngebieten beim Kärntner- und Fischertor schrieb er ein moduliertes Raster ein. Bei Erstem folgt es dem segmentbogenartigen Verlauf des neuregulierten Wienflusses, beim Zweiten ist die Ausrichtung des Rasters den Terrainverhältnissen geschuldet. Als Militär gestand er der Armeeverwaltung noch weitere Bauten (Kadettenschule, Verpflegungsmagazin usw.) zu, die – obschon nicht im Programm verlangt – zusätzlich im Stadterweiterungsrayon Platz finden sollten.
Kintzl bezog sich bei den Gebäudehöhen auf ein älteres Gesetz, das es verbot in den Vorstädten mehr als drei Stockwerke zu errichten, und bedauerte, dass dieses aufgehoben worden war. Mit dem Ruf nach Wiedereinführung dieses Gesetzes verband er die praktische Forderung, daß alle Häuser von mehr als zwei Stockwerken mit Wasserleitungen versehen sein müssten. Einen Grünbereich sah Kintzl längs des Wienflusses vor, wo er Häusern in großen Blöcken kleine Gärten zuschlug. Er sah in der Donauregulierung die conditio sine qua non für eine nachhaltige Stadtentwicklung für Wien im Allgemeinen und auf den ehemaligen Überschwemmungsflächen der Brigittenau, der Leopoldstadt und dem Prater im Speziellen.


Stellenwert

Sein Projekt hatte er vor der Meldung über die Demolierung der Linienwälle verfasst, wobei er auch schon die Vororte in seinen Stadtumbau einbezogen hatte. Er rückte die Linienwälle als neu errichtete Barriere weiter nach außen, um innerhalb der neuen Grenzen regelmäßige Blöcke zu planen.
Kintzl legte ein durchdachtes und funktionierendes Projekt vor, das sowohl durch den hohen Grad an Ausnutzung für Privatbauten, aber auch durch den monumentalen Charakter, den die Massierung der öffentlichen Bauten rund um die Hofburg erzeugt, besticht. Seine Regulierungsarbeiten sind nicht nur in der inneren Stadt, sondern auch in den Vorstädten überlegt gesetzt. Wenn auch seine Stadterweiterungsvorschläge in den Vorstädten und Vororten den Konventionen der Zeit – Rasterviertel mit Quartiersplätzen – entsprachen, so ist seine gesamtheitliche Planung für den Großraum Wien bemerkenswert.[4]


Siehe auch:

Einzelnachweise

  1. Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Präsidialakte, Fasz. 119 ad11801/1858
  2. Siehe Eingangs-Plan-Protokoll im Wiener Stadt- und Landesarchiv, Plan und Schriftenkammer, II. Band, 7701-11940, S. 329, Eintrag am 28. März 1887 sub Nr. 10806
  3. ÖStA, AVA, STEF, Karton 2, Fasz. Nr. 6225/M.I. 536/1858
  4. Zum Ringstraßenwettbewerb siehe: Harald R. Stühlinger, Der Wettbewerb zur Wiener Ringstraße, Birkhäuser, Wien 2015