Liberale (im Gemeinderat)

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Daten zur Organisation
Art der Organisation Politische Partei
Datum von 1848
Datum bis
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 14519
GND
WikidataID
Objektbezug Langes 19. Jahrhundert, Revolution 1848, Rathaus, Gemeinderat
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 16.04.2024 durch WIEN1.lanm08uns

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Liberale (im Gemeinderat).

Die Liberalen entwickelten sich im Gemeinderat nach der Revolution 1848, gestützt auf Großkapital und Großbürgertum, jedoch ohne feste Parteikonzeption, ohne schriftlich fixiertes Parteiprogramm und in wechselnder Aufsplitterung linker und rechter Gruppierungen (Äußerste Linke [Demokraten], Äußerste Rechte, Linke, Mittelpartei, Reformclub, Wiener Klub), aus einer schon seit Jahrzehnten bestehenden, zunächst geistigen und wirtschaflichen Richtung zur maßgebenden politischen Gruppierung in Staat (bis 1878) und Gemeinde (Dominanz im Gemeinderat bis 1895; Ablösung durch die Christlichsoziale Partei Karl Luegers). Da jede politische Partei vorwiegend die Interessen ihrer Anhänger vertritt, kam es (fixiert durch das auf eine privilegierte Bevölkerungsschicht beschränkte Wahlrecht) dazu, dass der Gemeinderat und die Verwaltung in den Händen eines zahlenmäßig kleinen Teils der Bevölkerung lagen; dass die Liberalen bis zu ihrer Ausschaltung über kein ausgearbeitetes Kommunalprogramm, wenn auch über ein eigenes Wirtschaftskonzept verfügten, erschwerte den politischen Handlungsspielraum.

Auf dem Gebiet der Finanzpolitik suchten die Liberalen durch ein möglichst kleines, ausgeglichenes Budget (das in der Praxis allerdings nicht erreicht werden konnte, weshalb frühzeitig die Begebung von Anleihen erforderlich wurde) und die Schonung privater Ersparnisse die Bildung neuen Kapitals zu fördern; die Steuern (nur Zuschläge zu Staatssteuern, noch keine eigenen „Kommunalsteuern") und der Konsum wurden niedrig gehalten (weil man damals von der Theorie ausging, dass steigender Konsum die Kapitalbildung und damit die Vollbeschäftigung behindere). Auf dem Wirtschaftssektor konzentrierte man sich auf Investitionen im Ringstraßenbereich (Infrastruktur, Rathaus [Zentralisierung der Verwaltung], Stadtpark), in den Vorstädten (1850 Eingemeindung des innerhalb des Linienwalls liegenden Gebiets) auf den Bau von Waisenhäusern (keine Möglichkeit der Selbsthilfe, die ansonsten gefordert wurde), Schulen (Hebung der Allgemeinbildung), Brücken (Verbesserung der Verkehrsverbindungen) und Markthallen (zwecks Preisdämpfung) sowie den Bau der Ersten Hochquellenleitung (Behebung von Gesundheitsgefährdungen), die Donauregulierung (Behebung der Hochwassergefahr) und die Errichtung des Zemntralfriedhofs (Auflassung der Kommunalfriedhöfe). Den Bau kommunaler Gaswerke, die Beteiligung am innerstädtischen Verkehr (Pferdestraßenbahn) oder ein öffentliches Engagement im Wohnungsbau lehnten die Liberalen aus prinzipiellen Erwägungen (Ablehnung kommunaler Monopole, freie Hand für private Bauträger) ab.

Den Höhepunkt ihrer Macht erreichten die Liberalen unter der von Cajetan Felder zum Machtinstrument ausgebauten Mittelpartei. Erschwerend wirkten sich 1873 der Misserfolg der Weltausstellung und der Börsenkrach aus, durch den die überhitzte Konjunktur der Hochgründerzeit ihr Ende fand. Der Rücktritt Bürgermeister Cajetan Felders unter dem Druck Karl Luegers (1878), der Rücktritt Bürgermeister Julius Newalds nach dem Ringtheaterbrand, die schwache Ära von Bürgermeister Eduard Uhl und die sich verstärkenden Absplitterungen liberaler Gruppierungen in den 80er Jahren führten bei gleichzeitigen Erfolgen der christlichen und sozialdemokratischen Bewegungen (Schaffung der vierten Wählerkurie auf Betreiben Luegers 1885, Einigung der Sozialdemokratischen Partei am Parteitag in Hainfeld 1888/1889, Konstituierung der Christlichsozialen Partei 1893) zu jenen radikalen politischen Veränderungen, die im Gemeinderat 1895 zu einer Umkehr der Mehrheitsverhältnisse führten und die Dominanz der Liberalen beendeten; sie spielten bis zum Ersten Weltkrieg eine unmaßgebliche Rolle und konnten sich in der Ersten sowie viele Jahrzehnte auch in der Zweiten Republik nicht profilieren (Liberales Forum).

Literatur

  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien, politische Geschichte. 1740-1934. Entwicklung und Bestimmungskräfte grossstädtischer Politik. 2 Bände. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 1), Register
  • Felix Czeike: Liberale, christlichsoziale und sozialdemokratische Kommunalpolitik (1861-1934). Dargestellt am Beispiel der Gemeinde Wien. München: Oldenbourg 1962, S. 6f. 30 ff.
  • Elfriede Hummel: Der Liberalismus in seiner Relation zur Wiener Presse mit besonderer Berücksichtigung der ideengeschichtlichen Entwicklung. Diss. Univ. Wien. Wien 1953
  • Gertrud Maria Hahnkamper: Der Wiener Gemeinderat zwischen 1861 und 1864. Diss. Univ. Wien. Wien 1973
  • Annemarie Meixner: Der Wiener Gemeinderat 1864-1868. Diss. Univ. Wien. Wien 1975
  • Brigitte Fiala: Der Wiener Gemeinderat in den Jahren 1879 bis 1883 mit besonderer Berücksichtigung der in diesen Jahren neu eingetretenen Gemeinderäte. Diss. Univ. Wien. Wien 1974
  • Eduard Hausner: Der Wiener Gemeinderat zwischen 1884-1888. Diss. Univ. Wien. Wien 1974
  • Martha Steffal: Die Tätigkeit des Wiener Gemeinderates von 1889-1892. Diss. Univ. Wien. Wien 1974