Ringtheaterbrand

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Der Brand des Wiener Ringtheaters am Abend des 8. Dezember 1881
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Brand
Datum von 8. Dezember 1881
Datum bis 8. Dezember 1881
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 26927
GND
WikidataID
Objektbezug Ringtheater, Langes 19. Jahrhundert
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Bildname Ringtheaterbrand.jpg
Bildunterschrift Der Brand des Wiener Ringtheaters am Abend des 8. Dezember 1881

Es wurden keine Personen erfasst.

  • 1., Schottenring 7

Es wurden keine Bezeichnungen erfasst!


Eine der größten Brandkatastrophen in der Geschichte Wiens war der Brand des Wiener Ringtheaters (ehemals Wien 1., Schottenring 7). Erste Pläne zum Bau eines Theaters entstanden bereits im Jahr 1872, als am Schottenring ein Wiener Actien-Theater errichtet werden sollte. Die kaiserliche Genehmigung zum Bau einer "komischen Oper für theatralische Vorstellungen jeder Art und des Balletts" erfolgte im Oktober 1872. Das neue Theater, in den Jahren 1873/74 nach Plänen des Architekten Emil Ritter von Förster entstanden, bot Platz für mehr als 1.700 Menschen. Es wurde am 17. Jänner 1874 unter der Direktion von Albin Swoboda mit Rossinis Oper "Der Barbier von Sevilla" eröffnet.

Das imposante Gebäude erhielt im Sinne des Historismus eine reich gegliederte Renaissance-Barock-Fassade, prachtvolle Foyers und ein mit verschiedenfärbigem Marmor ausgestaltetes Hauptvestibül. Dennoch gab es im Inneren enge Stiegen, unübersichtliche Gänge und Türen, die nur nach innen zu öffnen waren. Dies waren Umstände, die sich während der Brandkatastrophe verhängnisvoll auswirken sollten. Das Theater, 1878 in ein Lustspieltheater umgewandelt, erhielt einen neuen Namen: "Ringtheater".

Brand

Am 8. Dezember 1881 brach kurz vor sieben Uhr knapp vor Beginn der Oper "Hoffmanns Erzählungen" (Premiere am 7. Dezember) im fast voll besetzten Haus ein Brand aus. Er entstand beim Anzünden der Bühnenbeleuchtung in einer der Beleuchtungskästen hinter der Bühne und setzte sofort die Dekoration in Brand. Nach etwa sieben Minuten brannten bereits Bühne, Schnürboden und Versenkung. Nachdem man eine feuerhemmende Drahtkurtine nicht sofort heruntergelassen hatte und die dazu benötigte Kurbel bereits brannte, schlugen die Flammen explosionsartig in den Zuschauerraum hinaus. Rauch und Qualm, brennende Dekorationsteile und Funken, die auf die Menschenmenge regneten, lösten eine Panik aus. Die Gasbeleuchtung fiel aus, was die Panik noch steigerte. Auch die in fast allen damaligen Theatern übliche Praxis, die „Drahtcourtine" nicht herunterzulassen (einen „Eisernen Vorhang" im heutigen Sinn gab es noch nicht, seine Installation wurde erst durch den Ringtheaterbrand erzwungen) und die hiezu benötigte Kurbel nicht besetzt war, trug zur Vermehrung des Unheils bei. Etwa 500 Personen gelang die Flucht ins Freie. 15 bis 20 Minuten nach Ausbruch des Feuers dürften alle im Gebäude verbliebenen Personen tot gewesen sein. Die meisten von ihnen waren erstickt. Besonders viele Tote waren unter den Galeriebesucherinnen und -besuchern in den oberen Bereichen zu beklagen. Die Menschen hatten in der Dunkelheit die Ausgänge nicht finden können. Öllampen als Reservebeleuchtung waren nicht aufgestellt.

Zuschauerraum des Ringtheaters nach Ausbruch des Brandes

Die Feuerwehr traf ein. Im Inneren des Gebäudes war kein Laut mehr zu hören. Der Ausspruch des damaligen Leiters des Stadtbezirks, Polizeirat Anton Landsteiner "Alles gerettet!" sorgte noch für ein weiteres verhängnisvolles Missverständnis.

Zahlreiche Mängel wie das Fehlen von Notbeleuchtungen, sich nach innen öffnende Türen im Zusammenspiel mit menschlichem Versagen (erst nach elf Minuten verständigte man die Feuerwehr, da man den Signalapparat, der zur nächsten Feuerwehrstation führte, nicht verwendete) führten dazu, dass mindestens 386 Menschen bei dieser Katastrophe ums Leben kamen. Die genaue Zahl der Opfer konnte niemals genau eruiert werden.

Die nicht zu identifizierenden Leichen wurden Tage später in einer von der Stadt Wien zur Verfügung gestellten Grabstätte auf dem Zentralfriedhof bestattet. Von 6. bis 30. Mai 1884 fand im Künstlerhaus eine Ausstellung der Konkurrenzentwürfe für das Grabmal statt, das von Rudolf Weyr ausgeführt und im Oktober 1886 aufgestellt wurde.

Auf dem Meidlinger Friedhof wurde das gemeinsame Grab (Gruppe 8, Nummer 22) von drei identifizierten Opfern, Rudolf Petriczek, Agnes Rauscher und Albrecht Schönert, ehrenhalber auf Friedhofsdauer gewidmet.

Auch ein Holztor des Ringtheaters hat sich erhalten (Ottakringer Bezirks-Museum).

Ringtheaterprozess

Der Ringtheaterprozess vom 24. April bis 16. Mai 1882 brachte die Mängel der Sicherheitsvorkehrungen und der Brandschutzeinrichtungen des Theaters ans Licht. Auch die Unkenntnis des Theaterpersonals, das völlig unvorbereitet und überfordert war sowie die unzureichende Ausrüstung der Feuerwehr wurden thematisiert. Ringtheaterdirektor Franz Jauner, seit 1880 Direktor des Theaters, Bürgermeister Dr. Julius Newald, Polizeirat Anton Landsteiner sowie fünf weitere Personen mussten sich vor Gericht verantworten. Newald wurde im Prozess zwar freigesprochen, legte aber trotzdem sein Amt nieder. Die Gemeinde arbeitete bereits seit Monaten an einem "Theaterregulativ", das sich mit der Sicherheit der heimischen Theater beschäftigte und Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz des Publikums bei Theaterbränden vorgesehen hatte. Aus Nachlässigkeit war es noch nicht wirksam geworden und zur Ausführung gekommen. Newald zog daraus die Konsequenzen und trat zurück.

Der Richter verhängte relativ milde Strafen. Direktor Franz Jauner erhielt ebenso wie Hausverwalter Franz Geringer vier Monate Arrest, Beleuchtungsinspektor Josef Nitsche acht Monate wegen Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens. Problematisch erscheinen zweifellos die Freisprüche der Angeklagten aus dem Bereich der Exekutive, Polizei und Feuerwehr. Der Ingenieur des Stadtbauamtes und Feuerwehr-Kommandant Adolf Wilhelm und der Requisitenmeister der städtischen Feuerwehr Leonhard Herr sowie der Feuerwächter August Breithofer und Polizeirat Anton Landsteiner wurden freigesprochen. Angeblich hatten sie alles unternommen, was im Bereich der Möglichkeiten gewesen war.

Spät aber doch zog man die Lehre aus der Katastrophe. Für sämtliche Theater wurden strenge Brandschutzvorschriften erlassen. Nach der Tragödie am Ring organisierte sich die Feuerwehr neu. Die Geburtsstunde der Wiener Rettungsgesellschaft - zunächst als freiwillige Institution - hatte geschlagen.

An der Stelle des Theaters, das man nicht wiederaufbaute, stand ab 1885 das sogenannte Sühnhaus. Es wurde 1945 zerstört und 1951 abgetragen. Seit 1971 befindet sich hier das Gebäude der Bundespolizeidirektion Wien. Am Gebäude hängt eine Gedenktafel, die an die Brandkatastrophe erinnert (Gedenktafel 1, Schottenring 7-9, enthüllt 1982).

Quelle

Literatur

  • Carl Theodor Fockt: Der Brand des Ringtheaters in Wien am 8. December 1881. Eine wahrheitsgetreue Schilderung der Katastrophe. Wien: Hartleben 1881
  • Carl Theodor Fockt: Der Ringtheater-Prozeß in Wien im April und Mai 1882. Wien 1882
  • Peter Cerny: Der Ringtheater-Brand - ein Versäumnis? Wien 1986
  • Edith Koll: "Alles gerettet!" 100 Jahre Ringtheaterbrand. Wien: Wiener Stadt- und Landesbibliothek 1981 (Wechselausstellung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, 194)
  • Helmut Kretschmer: Theaterbrände in Wien. In: Wiener Geschichtsblätter 46 (1981), Beiheft 7
  • Helmut Qualtinger, Karl Merz: Alles gerettet. Der Ringtheaterbrandprozess. Wien: Langen Müller 1963.
  • 200 Jahre Rechtsleben in Wien. Advokaten, Richter, Rechtsgelehrte. 21. November 1985 bis 9. Februar 1986. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1985 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 96), S. 80 f.
  • Alexander Zeiss: Die Katastrophe im Ringtheater. Nach authentischen Quellen und mit Benützung der Berichte in der "Neuen freien Presse". Wien: Reißer & Werthner 1882