Kartographische Quellen

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Daten zum Begriff
Art des Begriffs Quellenkunde
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Objektbezug Karten
Quelle
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Letzte Änderung am 20.10.2023 durch WIEN1.lanm08swa

Franziszeischer Kataster, Katastralplan Hernals 1819

Kartographische Quellen sind raumbezogene Abbildungen wie Karten und Luftbilder, aber auch Geodaten, die für die Geschichtswissenschaften einen historischen Quellenwert besitzen.

  1. Karten als historische Quellen
  2. Quellenkritik historischer Karten
    1. Topographische Genauigkeit
    2. Chronologische Genauigkeit
    3. Geometrische Genauigkeit
  3. Typologie kartographischer Quellen
    1. Karten
    2. Pläne
    3. Kartenverwandte Darstellungen
    4. Geodaten
  4. Weblinks
  5. Literatur

Karten als historische Quellen

Kartographische Quellen können generell als Darstellungen definiert werden, die die räumliche Situation in zweidimensionaler Form abbilden und für die Geschichtsforschung einen Quellenwert besitzen. Ab dem Spätmittelalter sind Pläne, Karten und Stadtansichten in größerem Umfang in Archiven, Bibliotheken und Museen überliefert. Sie bieten für die Geschichtsforschung eine herausragende Quellengattung. Im Unterschied zu den in den Geschichtswissenschaften häufiger verwendeten schriftlichen Quellen, handelt es sich bei Kartographischen Quellen um eine Mischung aus bildlicher und geometrischer Darstellung.

Neben der offensichtlichen Quellenfunktion, der Verortung von topographischen Situationen zu früheren Zeitpunkten, können historische Karten für ein breites Spektrum an geschichtswissenschaftlichen Fragestellungen herangezogen werden. Sie eignen sich sowohl als Quelle für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Kunstgeschichte, Historische Geographie und die Siedlungs-, Agrar- und Forstgeschichte. Karten geben Auskunft über die Landnutzung, den Grundbesitz und die Grundherrschaft, und die Entwicklung von Dörfern und Städten.

In besonderer Weise sind Karten und Pläne wichtige Quellen für die Umweltgeschichte. So bieten sie etwa die Möglichkeit, frühere Verläufe von Flüssen und Bächen zu rekonstruieren, die durch neuzeitliche Regulierungsmaßnahmen und Überbauungen im heutigen Stadtbild nicht mehr nachvollzogen werden können. Ebenso sind sie wichtige Hilfsmittel in der Archäologie, da sie eine Verortung nicht mehr existierender Bauwerke ermöglichen. Anhand der in Karten verwendeten Toponyme und Beschriftungen lässt sich die Entwicklung von Flur- und Ortsnamen nachzeichnen. In Karten verwendete Herrschaftssymbole wiederum sind für die Heraldik von Interesse.

Karten sind auch für die Alltagsgeschichte von hohem Interesse, so werden in frühneuzeitlichen Stadtabbildungen (etwa in der Vogelschau von Braun-Hogenberg von 1617) oft Alltagsszenen wie Prozessionen, Schiffe beim Anlegen oder die Drift von Holz auf der Donau wiedergegeben. Historische Karten beinhalten oft auch Ansichten von Burgen, Schlössern und Kirchen, oder andere in dieser Form existente Bauwerke, und sind somit eine wichtige Quelle für die Orts- und Regionalgeschichte. Hier stellt sich jedoch die Frage nach der Realitätstreue, oft wurden schematische oder idealisierte Ansichten wiedergegeben.


Quellenkritik historischer Karten

Topographische Genauigkeit

Kartographische Erzeugnisse sind verkleinerte Abbildungen der Erdoberfläche. Durch ihren Entstehungsprozess ist eine sogenannte Generalisierung notwendig. Es können nicht alle tatsächlich vorhandenen geographischen Objekte in einer Karte abgebildet werden, der Kartenzeichner trifft eine Auswahl der im Kartenbild dargestellten Objekte. Zu kleine oder unbedeutende Objekte werden zu Gunsten der besseren Lesbarkeit weggelassen, mehrere Objekte können zu einem einzigen grafischen Symbol zusammengefasst werden, und die Geometrie jedes Objekts wird gezwungenermaßen mehr oder weniger stark vereinfacht.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die topografische Genauigkeit in historischen Karten über das gesamte Kartenbild homogen ist. In vielen Fällen werden einzelne Inhalte hervorgehoben, andere jedoch vernachlässigt. So wurde etwa der älteste vermessene Stadtplan von Wien zur Neubefestigung der Stadt angefertigt, dementsprechend sind die Bereiche der Befestigungsanlagen detaillierter ausgeführt als andere Teile des Plans.

Zu einer genauen Einordnung einer Karte ist also der Entstehungszusammenhang zu untersuchen.

Chronologische Genauigkeit

Die Datierung von Karten und Plänen erfolgt meist anhand von schriftlichen Vermerken in den Randinformationen der Karte, wie etwa aus dem Kartentitel, Widmungen, den angeführten Namen etc. Während gedruckte Karten eher eine Jahresangabe im Titel aufweisen, sind Manuskriptkarten und vor allem (technische) Pläne seltener datiert. Hier finden sich mitunter Aktenzahlen oder Unterschriften der zuständigen Baubehörden als Datierungshilfen.

Davon getrennt zu untersuchen ist die Datierung des Karteninhalts. Dies geschieht mithilfe von geografischen Objekten, von denen aus anderer Quelle Entstehungs- oder Enddaten bekannt sind. Sind sie in der Karte entsprechend vorhanden oder fehlen sie, kann der Informationsstand der Karte datiert werden. Die Datierung der Karteninformation wird dadurch erschwert, dass die Aktualisierung des Karteninhalts mehrere Jahre benötigt. „Neue“ Karten wurden deshalb oft aus verschiedenen älteren Karten kompiliert. Entsprechend kann für alte Karten häufig kein eindeutiger Zeithorizont bestimmt werden.

Geometrische Genauigkeit

Während unter topographischer Genauigkeit die Vollständigkeit bzw. Generalisierung von Objekten der Natur in der Karte verstanden wird, gibt die geometrische Genauigkeit an, inwiefern die dargestellten Objekte in ihren Abmessungen exakt sind und ob anhand der Karte Messungen durchgeführt werden können. Man unterscheidet zwischen der geodätischen und der planimetrischen Genauigkeit:

Die geodätische Genauigkeit quantifiziert die Genauigkeit der Lage einer Karte in einem übergeordneten Koordinatensystem. Dabei wird die Genauigkeit der mathematischen Grundlagen untersucht, zum Beispiel der Nullmeridian, die Kartenprojektion oder das Ellipsoid (das geometrisch vereinfachte Modell der Erde). Für eine einzelne Karte in großem Maßstab (etwa Karten von Wien) spielen diese Fragen meist keine Rolle.

Die planimetrische Genauigkeit misst, wie genau identifizierbare Positionen, Distanzen, Flächen und Winkel mit ihren wahren Größen übereinstimmen. Es wird also die Zuverlässigkeit der Geometrie von Kartenobjekten bewertet.


Typologie kartographischer Quellen

Karten

Karten sind in der Regel grundrisstreue Darstellungen der Erdoberfläche die auf Basis einer terrestrischen oder photogrammetrischen Vermessung erstellt wurden. Die Karte ist ein eingeebnetes, verkleinertes und generalisiertes, mit Beschreibungen und Zeichen versehenes Abbild der Erdoberfläche oder anderer Himmelskörper. In ihnen werden raumbezogene Gegenstände, Sachverhalte oder Prozesse maßstäblich generalisiert und mit Hilfe eines Zeichensystems grafisch in ihren Raumbeziehungen dargestellt.

Eine Besonderheit stellen Stadtpläne dar. Sie geben in der Regel das gesamte Gebiet einer Stadt wieder, wobei weniger auf Wiedergabe der physisch-geographischen Elemente, als auf die von stadttypischen Objekten, wie Straßen, Gebäuden, öffentlichen Verkehr, administrativen Einheiten Wert gelegt wird.

Eine Subkategorie der Stadtpläne sind Bezirkspläne. Sie stellen nur einen bestimmten, klar abgegrenzten Stadtteil (meist eine administrative Einheit) dar. Hierbei handelt es sich meist um Inselkarten, die nur alles innerhalb der Grenzen des betreffenden Gebiets abbilden und alle Objekte außerhalb der Bezirksgrenzen von der Darstellung ausnehmen.

Eine Sammlung von thematisch, inhaltlich oder regional zusammenhängenden Karten wird als Atlas bezeichnet. Atlanten sind in der Regel gedruckte Werke, seltener sind sie eine Sammlung von Manuskriptkarten.

Pläne

Pläne unterscheiden sich von Karten vor allem durch ihre Großmaßstäbigkeit. So werden Karten mit einem größeren Maßstab als 1:5000 in der Regel als Plan bezeichnet. Durch die große Darstellung der beinhalteten Objekte kommen Pläne ohne wesentliche Vereinfachung bzw. fast ohne Generalisierung aus. Bei Maßstab und Inhalt ist ein fließender Übergang zwischen bautechnischen Plänen, Bauzeichnung hin zu technische Zeichnung festzustellen.

Eine besondere Form des Plans sind Katastralpläne. Im Kataster werden alle Grundstücke nach ihrer Lage, Nutzungsart, Größe usw. verzeichnet und dargestellt. Es wird vom jeweils zuständigen Kataster- bzw. Vermessungsamt geführt und ist Basis des Grundbuches.

Kartenverwandte Darstellungen

Kartenverwandte Darstellungen sind Abbildungen, die sich in wesentlichen Merkmalen von den Karten unterscheiden, mit diesen jedoch – wenn auch in unterschiedlichem Grade – Gemeinsamkeiten aufweisen. Es handelt sich bei kartenverwandten Darstellungen um ebene und perspektivische, zeichnerische und bildliche Geländeabbildungen. Entstehen Karten geometrisch als Senkrechtprojektion (Grundrissbild) auf eine horizontal angenommene Bezugsebene, so beruhen die ebenen kartenverwandten Darstellungen auf anderen Projektionen und/oder anders gelagerten Bildebenen, woraus sich unterschiedliche Eigenschaften der Darstellungen ergeben.

Kartenverwandte Darstellungen sind unter anderem:

Geodaten

Bei Geodaten handelt es sich allgemein um Daten, die eine bestimmte räumliche Lage auf der Erdoberfläche besitzen (=Georeferenzierung). Geodaten repräsentieren mit Punkten, Rastern oder geometrischen Formen real vorhandene Objekte der Erdoberfläche oder imaginäre Punkte. Geodaten werden unterschieden in solche, die den Raumbezug herstellen (Geobasisdaten) und solche, die den Raumbezug durch besondere Fachinformationen anreichern, die sogenannten Geofachdaten. Geodaten finden in der öffentlichen Verwaltung seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert für vielfältigste Zwecke Anwendung.


Siehe auch

Literatur

  • Herbert Ewe, Karten und Pläne, in: Friedrich Beck und Eckart Henning (Hrsg.), Die archivalischen Quellen. Eine Einführung in ihre Benutzung. (Weimar 1994) S. 115–123
  • Sándor Békési / Elke Doppler (Hg.), Wien von oben. Die Stadt auf einen Blick (Ausstellungskatalog Wien Museum, Wien 2017)
  • Günther Hake, Dietmar Grünreich, Liqiu Meng, Kartographie. Visualisierung raum-zeitlicher Informationen. (Berlin, New York, 2003)
  • C. Koller, P. Jucker-­‐Kupper (Hrsg.), Karten, Kartographie und Geschichte –Von der Visualisierung der Macht zur Macht der Visualisierung / Cartes, cartographie et Histoire – De la visualisation du pouvoir au pouvoir de la visualisation. (Zürich 2009)
  • Winfried Schenk, Historische Geographie. (Darmstadt 2011)
  • Bernhard Jenny, Helen Jenny, Lorenz Hurni, Alte Karten als historische Quelle – Wie lässt sich die geometrische Genauigkeit des Karteninhalts abschätzen? (Zürich 2009)
  • Ute Schneider, Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute. (Darmstadt 2004)