Bauordnung

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In manchen Straßenzügen der Innenbezirke, wie hier in der Westbahnstraße, sind Gebäude aus verschiedenen Bauperioden zu sehen. Die unterschiedlichen Baulinien, Traufhöhen und dergleichen führen ehemaligen Baugesetzgebungen und Bauvorschriften vor Augen.
Daten zum Eintrag
Datum von
Datum bis
Objektbezug Langes 19. Jahrhundert, Unterkammeramt (Behörde), Stadtbauamt, Bauunterlagen, Baukonsens, Bauplan
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 18.10.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Bildname Westbahnstraße wgw.jpg
Bildunterschrift In manchen Straßenzügen der Innenbezirke, wie hier in der Westbahnstraße, sind Gebäude aus verschiedenen Bauperioden zu sehen. Die unterschiedlichen Baulinien, Traufhöhen und dergleichen führen ehemaligen Baugesetzgebungen und Bauvorschriften vor Augen.

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Bauordnungen sind Regelwerke für die dynamischen Prozesse der Stadtentwicklung und spiegeln politische Interessen genauso wider wie technische Neuerungen. Veränderungen privater und öffentlicher Interessen, neue Infrastrukturbauten wie das Kanalnetz und die Hochquellenwasserleitungen, Katastrophen wie Brände, Epidemien und Überschwemmungen waren immer wieder Anlass zur Überarbeitung und Erweiterung der baupolizeilichen Vorschriften oder zum Erlass einer neuen Bauordnung. Auch die starke Zunahme der Einwohnerzahlen im 19. Jahrhundert und die Stadterweiterungen machten neue Baugesetze notwendig. Die Vorgaben der überholten Bauordnungen blieben jedoch wesentlich länger im Stadtbild sichtbar, denn Gebäude, die zu einem bestimmten Zeitpunkt nach aktuellen Verordnungen errichtet wurden, überdauern oft den Gültigkeitszeitraum dieser Normen. Die heute existierende Stadt ist auch eine Materialisierung von Normen und Regelwerken der Vergangenheit.

Vorgängergesetze der Bauordnungen

Mit der Abtrennung des Unterkammeramts (Bauamts) vom Kammeramt (1485; letzteres seither Oberkammeramt) kamen Bauangelegenheiten (zu denen auch Feuerangelegenheiten gehörten) in die Kompetenz des Unterkämmerers, der eigene Bücher führte, jedoch budgetär vom Oberkämmerer abhängig war. Die ältesten Bauvorschriften finden sich in den Feuerordnungen, doch handelt es sich dabei um keine planerischen Bauordnungen, sondern lediglich um Sicherheitsbestimmungen. 1725 wurde unter Bürgermeister Josef Hartmann eine Feuerordnung erlassen, der weitere folgten. Am 25. Jänner 1794 wurde der Bau zu kleiner Wohnungen untersagt; am 27. Februar 1836 setzte in diesem Zusammenhang die Niederösterreichische Landesregierung fest, dass die kleinste Wohnung wenigstens aus Zimmer, Kammer und Küche zu bestehen habe.

Erste Bauordnung 1829

Am 13. Dezember 1829 wurde erstmals eine Gesetzessammlung zur Regulierung des privaten Bauwesens unter dem Titel einer Bauordnung erlassen. Die Niederösterreichische Landesregierung fasste darin in 30 Paragraphen "alle zerstreuten Bauvorschriften" zusammen, um die "wichtigsten Rücksichten der öffentlichen Sicherheit, der Regelmäßigkeit und des Ebenmaßes bei den Gebäuden"[1] innerhalb des Linienwalls durchzusetzen. Die Vorschriften waren in drei Abschnitte gegliedert: Der erste "Zur Bestimmung über den vor Unternehmung eines Baues zu beobachtenden Gang der Verhandlung" richtete sich an die Bauherren, der zweite "Vorschriften in Ansehung des Baues selbst" an die Bauführenden. Der dritte Abschnitt "Nach dem Baue zu beobachtende Vorschriften" regelte die Wiederherstellung und –freigabe des öffentlichen Grundes nach dem Abschluss der Bautätigkeiten, die Genehmigungs- und Bewilligungsverfahren sowie Sanktionen der Kontrollorgane der Ortsobrigkeit bei Nichtbeachtung der Vorschriften. 1845 wurde die Bauordnung gemeinsam mit drei weiteren ergänzenden Bestimmungen und Verfügungen als "Wiener Bau-Vorschriften" herausgegeben. 1848 wurden Erleichterungen zugestanden. 1835 und 1854 wurden Neubauten durch zwanzigjährige Steuerfreiheit gefördert. Am 20. März 1850 wurde die Handhabung der Bauordnung für Wien von der Niederösterreichischen Landesregierung an die Stadt Wien übertragen.

Zweite und dritte Bauordnung, 1859 und 1868

In der Gründerzeit folgte die Bauordnung vom 23. September 1859 (Reichsgesetzblatt Nummer 176/1859). Die zuständigen Behörden waren der Magistrat und das ihm als technisches und Aufsichtsorgan unterstellte Stadtbauamt. Der Wirkungskreis des Gemeinderates und Magistrats hatte sich seit dem Erlass der ersten Bauordnung weit ausgedehnt. Mit Erlass vom 9. März 1849 wurden ihm die Vorstädte untergeordnet und mit der Kundmachung der k. k. Statthalterei und Kreisregierung von Niederösterreich am 20. März 1850 eingemeindet. Diese Bauordnung war zwar keine Folge der Entscheidung Franz Josephs von 1857, die Basteien niederzureißen, weil sie bereits auf einen Erlass des Innenministeriums vom 23. und 31. August 1853 zurückgeht. Die Bebauung des Glacis stellte aber ein weiteres Stadterweiterungsprojekt dar, bei dem die neue Bauordnung zur Anwendung kam. Sie gliederte sich in 73 Paragraphen aufgeteilt auf sieben Abschnitte:

  1. Von der Baulinie und dem Niveau
  2. Von der Abtheilung eines Grundes auf Bauplätze
  3. Von der Baubewilligung
  4. Von den auf den Bau selbst Bezug nehmenden Vorschriften
  5. Von den nach Vollendung des Baues zu beobachtenden Vorschriften
  6. Von den zur Durchführung der Bauordnungen berufenen Behörden und der Wirksamkeit derselben
  7. Von den Strafbestimmungen

Mit dem Landesgesetz vom 2. Dezember 1868 trat die dritte Bauordnung für die Reichshaupt- und Residenzstadt in Kraft. Es handelte sich dabei im Wesentlichen um eine Überarbeitung der zweiten Bauordnung. Der Inhalt wurde auf 93 Paragraphen erweitert, die Abschnitte um einen reduziert und umstrukturiert. Eine Neuerung war der dritte Abschnitt, der Bestimmungen zu Industriebauten in isolierter und nicht isolierter Lage enthielt. Rund ein Jahr nach Inkrafttreten wurden einige Paragraphen novelliert und erleichterte Bedingungen zur Errichtung von Wohnhäusern erlassen.

Bauordnung von 1883 und Novellen

Die Bauordnung vom 17. Jänner 1883 (Beschluss des Niederösterreichischen Landtags, Niederösterreichisches Landesgesetzblatt Nummer 35/1883) wurde am 26. Dezember 1890 (Niederösterreichisches Landesgesetz- und Verordnungsblatt 48) und in der Folge noch mehrfach novelliert und verpflichtete den Gemeinderat zur Ausarbeitung eines Generalregulierungsplans; daneben gab es einen Bauzonenplan (1893). Die Fassung von 1890 enthielt 110 Paragraphen in elf Abschnitten. Als Konsequenz aus dem Brand des Ringtheaters am 8. Dezember 1881, bei dem mehrere hundert Menschen starben, enthielt sie strengere Feuervorschriften, wie das Verbot der Wohnungserschließung über Pawlatschengänge. Der sechste Abschnitt zu "Bauten, welche für größere Ansammlungen von Menschen bestimmt sind" wurde um einen Anhang zu "Bauanlage bei neuen Theatern, Einrichtungen und Betrieb der Theater überhaupt und behördlicher Inspectionsdienst sowie Controle der Sicherheitsvorkehrungen in denselben" ergänzt. Abschnitt acht regelte die Bauführung unter erleichterten Bedingungen, um dem weiterhin rasanten Bevölkerungswachstum in der Stadt gerecht zu werden. Eine weitere Neuerung war die Umstellung der Maßeinheit von Klafter auf das metrische System. Im Zuge dessen wurden alle Normmaße auf ganze Meter aufgerundet.

Die Eingemeindung der Vororte, die mit Gesetz vom 19. Dezember 1890 beschlossen wurde und am 1. Jänner 1892 in Kraft trat, machte Wien zur Millionenstadt. Die Stadterweiterung machte auch eine weitere Überarbeitung der Bauvorschriften notwendig. Ein vom Magistrat 1895 vorgelegter Entwurf für eine neue Bauordnung kam über das Stadium der Vorberatung nicht hinaus, obwohl die bestehende Bauordnung unhaltbare Bestimmungen enthielt (in sechs Meter breiten Straßen durfte 25 Meter hoch gebaut werden; Wohnräume durften Fenster auf den Hausgang haben; Wohnräume und Küchen durften in geringflächige Lichthöfe münden; Souterrainwohnungen durften zwei Meter unter dem Straßenniveau liegen und so weiter). Nach dem Ersten Weltkrieg wurden zunächst am 17. Juni 1920 (Niederösterreichisches Landesgesetz- und Verordnungsblatt 547) Maßnahmen zur Behebung der Wohnungsnot und zur Förderung der Bautätigkeit beschlossen; am 4. November 1920 (Niederösterreichisches Landesgesetz- und Verordnungsblatt 808) wurden die Bestimmungen der Bauordnung der neuen Verfassung angepasst (Novellierung am 9. Dezember 1927, Landesgesetzblatt Nummer 1/1928).

Bauordnung von 1929 und Novellen

Zu einer Neuformulierung der Bauordnung kam es erst am 25. November 1929 (Landesgesetzblatt Nummer 11/1930), obwohl im Sozialen Wohnhausbau bereits mehrere Neuerungen vorweg berücksichtigt worden waren. Die wesentlichsten Veränderungen bestanden in der Herabsetzung der prozentuellen Verbauung der Grundstücke und jener der Verbauungsdichte, der Trennung von Wohn- und Industriegebieten, der Förderung von Erholungsflächen im Bauland, der Grundenteignungsmöglichkeit im öffentlichen Interesse und der Beteiligung des Bauwerbers an den Straßenbaukosten (als Teil der Aufschließungskosten).

Novellierungen erfolgten am 2. Juli 1936 (Gesetzblatt Wien Nummer 38), die sich unter anderem mit Enteignungen im Wald- und Wiesengürtel sowie Bestimmungen über vorschriftswidrige Bauten beschäftigte, am 3. Februar 1939 (Verordnungsblatt des Bürgermeisters Nummer 17), durch die die Bauordnung auf die 1938 eingemeindeten Gebiete ausgedehnt wurde, und am 27. Februar 1939 (Verordnungsblatt des Bürgermeisters Nummer 25), die Erleichterungen für den Bau von Siedlungshäusern schuf.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Novellierungen (in Auswahl) am 22. Juli 1955 (Landesgesetzblatt Nummer 16; Verhinderung übergroßer Gebäude, die gegen den Charakter des Gebiets verstoßen), am 5. Oktober 1956 (Landesgesetzblatt Nummer 28; Einführung der Bauklasse VI - Hochhäuser, Erweiterung des Begriffs "Baublock" und Auflockerung der Bebauung durch "Strukturpläne"), am 27. September 1957 (Landesgesetzblatt Nummer 22; Schaffung von Garagenplätzen), am 20. Oktober 1961 (Landesgesetzblatt Nummer 16; Begrenzung der Geschoßanzahl und des Ausbaues des Dachgeschosses), am 19. November 1971 (Landesgesetzblatt Nummer 25; Änderung der Bauklasseneinteilung), am 7. Juli 1972 (Landesgesetzblatt Nummer 16; Schaffung von Schutzzonen in Altstadtgebieten) und am 30. April 1976 (Landesgesetzblatt Nummer 18) erlassen. Ergänzend sind das Baumschutzgesetz vom 7. Mai 1974 (Landesgesetzblatt Nummer 27) und das Kleingartengesetz vom 12. Dezember 1978 (Landesgesetzblatt Nummer 3/1979) zu erwähnen, welches das Gesetz vom 6. März 1959 den modernen Anforderungen anpasste.

Die Bauordnung ist seit den 1960ern immer wieder Gegenstand von Novellen, da sie sich an ständig ändernde Rahmenbedingungen (zum Beispiel technische Bestimmungen, Barrierefreiheit, etc.) anpassen muss.

Digitales Bauverfahren

Mit der am 13.10.2020 kundgemachten Novelle der Bauordnung für Wien wurde die Rechtsgrundlage für ein durchgängiges digitales Bauverfahren geschaffen. Die entsprechenden Bestimmungen traten mit 1. Februar 2021 in Kraft. Das gesamte Bauverfahren konnte nun vom Antrag auf Baubewilligung bis zur Fertigstellung der Bauführung digital abgewickelt werden.

Voraussetzung ist jedoch, dass der Antrag über mein.wien.gv.at gestellt wird und der Bauwerber über die Möglichkeit der elektronischen Zustellung verfügt. Alle Baupläne, Berechnungen und Unterlagen, die Bescheidbestandteil werden, müssen elektronisch signiert sein. Alle Dokumente inklusive der Baupläne müssen als PDF-Dateien eingereicht werden.

Alle Beschlussfassungen im Wiener Landtag samt Gesetzesmateralien sind in der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und Gemeinderates (INFODAT) von 1986 bis zum aktuellen Stand online abrufbar.

Quellen

Bauordnungen

Literatur

  • Anna Hagen: Wiener Bauordnungen und Planungsinstrumente im 19. Jahrhundert. Wien: Zentrum für Umweltgeschichte 2015 (Materialien zur Umweltgeschichte Österreichs, 6)
  • Erich Kielmannsegg: Die Bauordnungen für das Land Niederösterreich und für Wien. Hilfsbuch zu deren Handhabung und zur Anwendung der darauf Bezug habenden Gesetze und Handschriften. Fünfte, ergänzte und verbesserte Auflage. Wien 1904
  • Erich Kielmannsegg [Hg.]: Die Bauordnungen für das Land Niederösterreich und für Wien. Hilfsbuch zu deren Handhabung und zur Anwendung der darauf Bezug habenden Gesetze und Vorschriften. Wien 1911
  • Hans Koenne: Die historische Entwicklung des Wiener Baurechtes im Zusammenhang mit den Erweiterungen des Stadtgebietes. In: Der Aufbau. Fachschrift für Planen, Bauen und Wohnen 12 (1957)
  • Wolfgang Mayer: Gebietsänderungen im Raume Wien 1850-1910 und die Debatten um das Entstehen des Generalregulieurngsplanes von Wien. Diss. Univ. Wien. Wien 1973
  • Harald Stühlinger: "Der Anstrich des Gebäudes muss den Augen unschädlich seyn." Die Bauordnungen des 19. Jahrhunderts und ihre Auswirkungen auf Stadtbild und Stadtgestalt von Wien. In: dérive. Zeitschrift für Stadtforschung 31 (2008), S. 54-60
  • Tätigkeit des Wiener Stadtbauamtes und der städtischen Unternehmungen technischer Richtung in der Zeit von 1935 bis 1965. Ein Bericht in zwei Bänden. Hg. vom Wiener Stadtbauamt. Band 2. Wien: Wiener Stadtbauamt 1974, Kapitel XVIII, S. 11 f.
  • Rudolf Tillmann: Festschrift herausgegeben anläßlich der Hundertjahrfeier des Wiener Stadtbauamtes am 12. Mai 1935 von der Technikerschaft des Wiener Stadtbauamtes und der großen Technischen Unternehmungen der Stadt Wien. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1935, S. 224 ff.
  • Wiener Stadtbauamt 1965-1985. Dokumentation. Hg. von der MD-Stadtbaudirektion. Wien: Compress Verlag 1988, S. 252 f.
  • Richard Wolf / Hugo Schmid: Die Bauordnung für Wien. Mit einer Einleitung, erläuternden Bemerkungen, Auszügen aus Vorlage und Kommissionsbericht, einschlägigen anderen Gesetzen und Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, Wien 1930

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Circulare der k. k. Landesregierung im Erzherzogthume Oesterreich unter der Enns. Wien 1829. In: Wiener Bau-Vorschriften. Wien: k. k. Hof- und Staatsdruckerei 1845, S. 1.