Baukonsens

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Ausschnitt aus einem Baukonsens mit der Zustimmung der Nachbarn zum geplanten Bauvorhaben (1765)
Daten zum Begriff
Art des Begriffs Quellenkunde
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung Bauconsens
Nachweisbar von
Nachweisbar bis
Objektbezug Bauunterlagen, Baukonsensbücher, Bauplan, Bauordnung, Unterkammeramt
Quelle
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Letzte Änderung am 11.08.2023 durch WIEN1.lanm08gat
Bildname Unterkammeramt A33 1002 1765.jpg
Bildunterschrift Ausschnitt aus einem Baukonsens mit der Zustimmung der Nachbarn zum geplanten Bauvorhaben (1765)

Der Baukonsens ist die behördlich erforderliche Genehmigung zur Errichtung oder Änderung eines Baus. Als Bauerlaubnis stellt der Baukonsens die Einhaltung der baupolizeilichen Bestimmungen vor Ausführung des Baus sicher, die Bauabnahme nach der Vollendung des Baus. Als Grundlage für eine baupolizeiliche Genehmigung waren dem Gesuch zur Bauerlaubnis unter anderem Pläne (z.B. Grund- und Aufrisse, Querschnitte, Situationspläne oder Fassadezeichnungen) beizufügen. Der Baukonsens besteht daher zumeist aus zwei Teilen: einem schriftlichen Teil - also dem Ansuchen über das bauliche Vorhaben und der Genehmigung dieses - und einem Planteil.

Die Baukonsense werden durch die Baukonsensbücher erschlossen. Die Überlieferung der Baukonsense beginnt mit dem Jahr 1643.

Zuständigkeit

Plan zum Baukonsens 786 aus dem Jahr 1760 zum Haus Altlerchenfeld 24, später Wien 8, Josefstädter Straße 95-97. Das bestehende Gebäude ist am Plan unten dargestellt, darüber finden sich Grundriss, Aufriss und Schnitt zum geplanten Umbau.

Das 1485 als eigenständiges Amt eingerichtete Unterkammeramt (Behörde) fungierte - unter anderem - als städtische Baubehörde beziehungsweise Baupolizei. Wer im städtischen Jurisdiktionsbereich ein Haus bauen oder eine Veränderung an einem bestehenden Gebäude vornehmen wollte, musste beim Stadtrat um eine Genehmigung ansuchen. Im 18. Jahrhundert nahmen Ober- und Unterkämmerer in einer Kommission zusammen mit Werkleuten und den betroffenen Nachbarn - sowie gegebenenfalls mit dem Grundrichter - einen Augenschein vor. Neben den rechtlichen Aspekten zur Vermeidung von Nachbarschaftskonflikten wurde das wesentliche Augenmerk auf die Feuersicherheit der Gebäude gelegt. Der Stadtrat entschied aufgrund des Berichts der Kommission.

Form und Normierung

Während die Baukonsense bis 1822 in handgeschriebener Form eingereicht wurden und oftmals kalligraphische Elemente enthielten, sind ab 1823 erstmals Formulare nachweisbar, die nur mehr an wenigen Stellen ergänzt werden mussten. In diesen wurden verschiedene zu erfüllende Auflagen aufgelistet (z.B. die Deckung des Daches mit Ziegeln, die Anbringung einer kupfernen Dachrinne, der Abstand zum Nachbargebäude von 6 Schuh). Bei Bedarf wurden Passagen entweder gestrichen oder aber handschriftlich ergänzt. Weiters wurde

  • die Einhaltung der Bauvorschriften und des Feuerlöschpatents des Jahres 1817
  • die Haftung durch den Baumeister
  • die Durchführung des Baus gemäß der eingereichten Bauzeichnungen binnen drei Jahren (andernfalls erlosch der erteilte Konsens) sowie
  • die Verwendung guten Materiales und der Einsatz befugter Arbeiter

auferlegt bzw. festgehalten.

Die Baukonsense des Unterkammeramts als Quelle für das 17. bis 19. Jahrhundert

Für die Zeit zwischen 1643 und 1875 sind rund 35.000 Baukonsense überliefert, davon entfallen mehr als 9.000 auf die Zeit zwischen 1643 und 1831. Zu privaten Häusern in Wien sind seit 1704 Baupläne, die im Rahmen des Ansuchens um Baubewilligung beim Unterkammeramt eingereicht wurden, belegt. Diese frühen Baukonsenspläne bilden die früheste systematische Überlieferung von Bauplänen für Wien. Diese stellen nicht nur eine wertvolle Quelle zur Bautätigkeit und Häusergeschichte dar, sie geben darüber hinaus Auskunft zu sozial-, alltags- und wirtschaftsgeschichtlichen Themen. Belege zu HausbesitzerInnen[1] finden sich ebenso wie Informationen zur Raumaufteilung und -funktion in Privathäusern[2] wie auch Gewerbebetrieben (beispielsweise zu Bäckereien oder Färbereien)[3]. Zu einzelnen Häusern sind Baupläne überliefert, auf denen Details der Ausstattung zu sehen sind, so etwa Kachelöfen. Den Großteil der überlieferten Baukonsenspläne bilden Grundrisse. Etwas seltener sind Aufrisse und Schnitte überliefert. Im Laufe des 18. und vor allem mit Beginn des 19. Jahrhunderts nimmt die Zahl dieser Architekturzeichnungen jedoch stark zu. Weniger häufig finden sich Situationspläne. Diese bilden vor allem Grundstücksveränderungen oder die Kanalisierung von Straßenzügen ab.

Freizeitvergnügen

Die in den Baukonsensen überlieferten Baupläne geben Einblicke in Orte der Erholung der Wiener und Wienerinnen, wie etwa dem 1807 eröffneten Vergnügungsetablissement "Zum Sperl" in der Leopoldstadt, das mit einem Tanzsaal, mehreren Speisesälen und einem Teezimmer aufwartete und in mehreren Phasen erweitert wurde. Auch für das im 18. und 19. Jahrhundert zunehmend populärer gewordene Billardspiel finden sich Belege. Zur Ausstattung einzelner Gebäude finden sich in den Baukonsensen wertvolle Informationen: So sind etwa für das Theater an der Wien mehrere Baupläne - darunter auch ein Bauplan für eine Fußbodenheizung des Theatersaals - überliefert.

Gärten

Gärten in unterschiedlichen Ausprägungen – vom einfachen "Kuchlgarten" bis zu prachtvollen Ziergarten – sind in den Baukonsensen bildlich überliefert. Darunter befinden sich auch besonders prachtvolle Beispiele. Ende des 18. Jahrhunderts finden sich in den Baukonsensplänen erste Belege für Glashäuser und Lusthäuser.

Gewerbe und Handwerk

In den Baukonsensen finden sich zahlreiche Baupläne zu Handwerksbetrieben. Vielfach sind Grundrisse überliefert, die Auskunft über die Größe des jeweiligen Betriebes, über die Aufteilung und Anordnung der unterschiedlichen Arbeitsbereiche und die Personalunterbringung geben. Darüber hinaus sind Pläne überliefert, die technische Aspekte beinhalten, wie etwa die Ausstattung mit Maschinen beziehungsweise den Antrieb dieser (beispielsweise mittels Pferdekraft, Wasserkraft oder Dampf).

Besonders häufig finden sich Baupläne zu Bäckern in den Baukonsensen[4]. Des weiteren finden sich in den Baukonsensen Pläne zu Färbereien[5] und stoffverarbeitenden Fabriken[6], aber auch Belege für Lederer[7], Tischler[8], Schmiede[9], Schlosser[10], Seifensieder[11], Fleischhauer[12], Fleischselcher[13], Drahtzieher[14], Knopfhersteller[15] oder Hutmacher[16].

Wasserversorgung, Hygiene und Kanalisation

Aus den Baukonsensplänen lässt sich oftmals die Situierung der vor der Errichtung der Hochquellenwasserleitung für die Versorgung der Bevölkerung mit Nutz- und Trinkwasser wichtigen Hausbrunnen ermitteln. Auch als Quelle für die Entwicklung der hygienischen Bedingungen in der Stadt können die Baukonsenspläne herangezogen werden: während in den frühen Plänen oftmals noch Senkgruben und Toiletten im Außenbereich eingezeichnet sind, finden sich - besonders ab den 1770er Jahren - mehr und mehr Pläne, auf denen die Verlegung der Toiletten ins Innere der Häuser sowie der Anschluss an das Kanalsystem der Stadt nachverfolgt werden kann.

Tierhaltung

Die in dieser Zeit zahlreich vorhandenen Stallungen für die Pferdehaltung, aber auch etwa Kuh-, Schaf-, Schweine- und Hühnerställe finden in den Baukonsensplänen häufig Niederschlag.


Quellen

Literatur

  • Heinrich Berg: Die Baukonsensakten des Unterkammeramtes. Dokumente des Wiener Baugeschehens vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 45/2 (1990), S. 113-114

Einzelnachweise

  1. wie etwa Siegel und Unterschrift der irischen Hausbesitzerin und Stifterin Maria Anna von Ertl (geborene O'Malley)
  2. Beispiel für einen Bauplan, aus dem die Raumfunktionen (Bibliothek, Gartenzimmer, Zimmer für Bedienstete, ...) hervorgehen: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 1591
  3. Beispielsweise ein mit Angaben zur Raumfunktion versehener Bauplan für ein Wohn- und Fabriksgebäude aus dem Jahr 1801: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 5255
  4. Beispielsweise:
  5. Beispiel für einen Seidenfärber: WStLA, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 4071 (1792)
  6. WStLA, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 5255
  7. Beispiel: Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 12.466
  8. Beispiel für einen Tischler: WStLA, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 5961
  9. Beispiel für einen Hufschmied: WStLA, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 5918 (1803)
  10. Beispiel: WStLA, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 5853 (1803)
  11. Beispiel für einen Seifensieder: WStLA, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 7861
  12. Beispiel für einen Fleischhauer: WStLA, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 6423 (1806)
  13. Beispiel: WStLA, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 12.448
  14. Beispiel: WStLA, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 9944 (1823)
  15. Beispiel: WStLA, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 7734 (1813)
  16. Beispiel: WStLA, Unterkammeramt; Bauamt, A33 - Alte Baukonsense: 7628 (1813)