Ophthalmologie

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Augenklinik und Ambulanz im Wilhelminenspital (Prim. Dr. Mejer)
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Bildunterschrift Augenklinik und Ambulanz im Wilhelminenspital (Prim. Dr. Mejer)

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Augenklinik und Ambulanz im Wilhelminenspital (Prim. Dr. Mejer)

Anfänge der Ophthalmologie (Augenheilkunde)

Die Wiener ophthalmologische Schule wurzelt auf dem durch Gerard van Swieten nach Wien geholten Joseph Barth, der 1773 zum ersten Professor für Ophthalmologie an der Universität Wien und 1776 zum Leibaugenarzt Josephs II. bestellt wurde. Barth hatte bei ausländischen Staroperateuren gelernt. Joseph II. beauftragte ihn mit der Ausbildung von Augenärzten. Seine bedeutenden Schüler waren der am Josephinum wirkende Johann Adam Schmidt und Josef Beer.

Schmidt betrieb seit 1791 eine private Poliklinik für Augenkranke, Beer seit 1786 eine Praxis für Arme. 1806 erhielt Beer die Leitung der von der Regierung geschaffenen ersten augenärztlichen Ambulanz und 1812 jene der ersten Universitäts-Augenklinik der Welt im Allgemeinen Krankenhaus. Beer stand auch ganz in der Tradition der Wiener Aufklärungsmedizin. In diesem Sinn wurde 1804 das Blindeninstitut ins Leben gerufen. 1818 wurde die Ophthalmologie zum ordentlichen Prüfungsfach an der Universität Wien. Er verfasste 1813 die "Lehre von den Augenkrankheiten". Sie zeichnete sich durch eine genaue Beschreibung der Krankheitsbilder aus und stand gleichzeitig in vitalistischer Konzeption. Das Auge wurde als Mikrokosmos des individuellen Organismus gesehen, Augenentzündungen auf den Widerstreit des Venen- und Arteriensystems zurückgeführt. Beer setzte die Extraktion der Linse als Operationsmethode des Stars in Wien durch. Seine größte Leistung war die künstliche Pupillenbildung durch Iridektomie. Als Methode setzte sich diese jedoch erst Mitte des 19. Jahrhunderts durch. Beer verfasste auch populärwissenschaftliche Schriften zur Augenhygiene. Die größte wissenschaftliche Leistung von Schmidt war die Beschreibung der Entzündung der Regenbogenhaut (Iritis). Nachfolger Beers an der ersten Universitäts-Augenklinik wurde Anton von Rosas.

Der therapeutische Aktivismus der Vertreter der Wiener Augenheilkunde stand ganz im Gegensatz zum therapeutischen Nihilismus der übrigen Fächer. So erwies sich Friedrich Jaeger von Jaxtthal, seit 1826 Professor für Augenheilkunde am Josephinum, der auch eine Privatklinik im Schottenhof betrieb, als Operateur von besonderer Geschicklichkeit. Er entwickelte eine neue Methode der Linsenextraktion mit dem Hornhautschnitt nach oben, welche die Fehlerquote mehr als halbierte.

Die pathologisch-anatomische Schule

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts kam es unter dem Einfluss der führenden Vertreter der Zweiten Wiener Medizinischen Schule zu einem Umbruch in der Augenheilkunde. Führender Träger der neuen pathologisch-anatomischen Richtung war Ferdinand von Arlt, der 1856 den Lehrstuhl von Rosas übernahm. Arlt gelang 1854 die Aufklärung der Ursache der Kurzsichtigkeit in Form einer Verlängerung der Sehachse. Arlts Zeitgenosse und Konkurrent Eduard Jaeger von Jaxtthal legte schon 1856 die ersten Augenspiegelbefunde vor. 1854 schuf er mit den Schriftskalen die erste gültige Norm für die Brillenbestimmung. Er führte die objektive Refraktionsmessung in der Augenheilkunde ein und beschrieb als erster den Schichtstar. Jaeger musste sich aber mit einem Primariat an der Augenabteilung des Allgemeinen Krankenhauses begnügen, wobei die Abteilung von der Augenklinik abgetrennt wurde. Erst 1884, knapp vor seinem Tod, wurde Eduard Jaeger erster Vorstand der 1884 im Allgemeinen Krankenhaus begründeten zweiten Universitäts-Augenklinik. Beide Augenärzte machten die Wiener Augenkliniken zu Zentren der okulistischen Didaktik. Arlt verfasste 1874 eine Operationslehre, welche die ophtalmoskopische Untersuchungsmethode berücksichtigte. Er entwickelte die periphere Linsenextraktion weiter. Ludwig Mauthner, ein genialer Schüler Jaegers, legte 1868 ein vielbeachtetes Lehrbuch der Ophtalmoskopie vor, welches Jaegers Forschungsergebnisse verbreitete.

Mit Carl Stellwag-Carion, der vor allem als Theoretiker von Bedeutung erlangte, etablierte sich die histologische Forschungsmethode in der Wiener Augenheilkunde. Er erkannte die Übersichtigkeit als eigenen Krankheitszustand. Stellwag war 1857-1873 Professor an der militärärztlichen Akademie des Josephinums.

Die Augenheilkunde um 1900

An der 1872 gegründeten Wiener Allgemeinen Poliklinik wirkten unter anderem August von Reuss, Jakob Hock, Ludwig Mauthner, Karl David Lindner und Adalbert Fuchs als Abteilungsvorstände. 1884 entdeckte dort Carl Koller nach einer Anregung von Sigmund Freud die Lokalanästhesie am Auge mit zweiprozentiger Cocainlösung. Jaegers Nachfolger Ernst Fuchs genoss großes internationales Ansehen. Fuchs fand auf Basis seiner differentialdiagnostisch-mikroskopischen Arbeiten zahlreiche neue Krankheitsbilder. Er gilt als eigentlicher Schöpfer der pathlogischen Anatomie des Auges. Von langfristig großer Bedeutung war auch die Einführung englischsprachiger Kurse für ausländische Studierende. Dies führte zu einer engen Kooperation mit US-amerikanischen Ärzten, die auch nach Ende des Ersten Weltkriegs andauerte. Die I. Ophtalmologische Lehrkanzel übernahm 1895 Isidor Schnabel. Er führte die Ophtalmoskopie im Unterricht ein. Ihm gelang es nachzuweisen, dass entzündliches Glaukom auf eine Trübung der Hornhaut und nicht des Glaskörpers zurückzuführen ist. Den Lehrstuhl von Adalbert Fuchs übernahm 1916 Friedrich Dimmer. Er erfand einen Apparat für die reflexive Photographie des Augenhintergrundes. Weitere bedeutende Augenärzte waren Stefan Bernheimer, Josef Meiler, Arnold Pillat und Karl Hruby.

Moderne Augenheilkunde

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirkten an den Universitätsaugenkliniken unter anderem Karl Bruno Hruby und Heinz Freyler. Freyler differenzierte als erster zwischen der ischämischen und der exsudativen Verlaufsform der diabetischen Retinopathie und habilitierte sich über progressive Schübe der diabetischen Retinopathie im Jahr 1976. Josef Böck hatte seinen Forschungsschwerpunkt in der Histologie des Auges. Hans Slezak befasste sich mit der Glaskörper- und Fundusmikroskopie, der Identationsbiomikroskopie und -fluorgraphie der Hinterkammer und der stereoskopischen Spaltlampenphotographie der Fundusperipherie und des Ziliarkörpers.

Literatur

  • Erich E. Deimer: Chronik der Allgemeinen Poliklinik in Wien. Wien: Göschl 1989, S. 155 ff.
  • Wolfgang Funder: Die Entwicklung der Augenheilkunde im Spiegel des Krankengutes der II. Universitäts-Augenklinik in Wien. In: Wiener klinische Wochenschrift 65 (1953), S. 73 ff.
  • Viktor Hanke: Die Bedeutung Wiens für die Geschichte der Augenheilkunde. In: Wiener medizinische Wochenschrift 75 (1925), Nr. 45
  • Dieter Held: Personalbibliographie der Professoren und Dozenten der Augenheilkunde an der medizinischen Fakultät der Universität Wien 1812-1884. Diss. Univ. Erlangen. Erlangen 1972
  • Julius Hirschberg: Geschichte der Augenheilkunde. In: Alfred Graefe / Theodor Saemisch: Handbuch der gesamten Augenheilkunde. Band 14. Leipzig: Engelmann ²1911, S. 487 ff.
  • Jutta Lauber / Helmut Wyklicky: 150 Jahre Wiener Augenheilkunde. Ausstellungskatalog 1. - 30. Juni 1962. Wien: Medizinische Akademie für ärztliche Fortbildung 1962
  • Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Böhlau 1965 (Studien zur Geschichte der Universität Wien, 6), S. 79-89, S. 220-232, S. 478-496
  • Erna Lesky: Die Wiener ophthalmologische Schule. In: Wiener klinische Wochenschrift 74 (1962), Nr. 31/32
  • Wolfgang Münchow: Geschichte der Augenheilkunde. Leipzig: Thieme ²1983 (Der Augenarzt, 9), S. 338 ff., S. 390 f.
  • Arnold Pillat: Der Beitrag der Wiener Schule zur Augenheilkunde. In: Wiener klinische Wochenschrift 63 (1951), S. 614 ff.
  • Arnold Pillat: Zur Geschichte der beiden Lehrkanzeln für Augenheilkunde in Wien. In: Ophthalmologie 134 (1957), S. 76 ff.
  • Helga Stellamor-Peskir: Zur Gründung der Wiener ophthalmologischen Schule. In: Österreichische Ärztezeitung. Organ der Österreichischen Ärztekammer 26 (1971), S. 1349 ff.
  • Karl Heinz Tragl: Chronik der Wiener Krankenanstalten. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2007, S. 163-166
  • Helmut Wyklicky: Zur Geschichte der Augenheilkunde in Wien. 100 Jahre II. Universitäts-Augenklinik. Eine Bilddokumentation. Wien: Brandstätter 1984
  • Helmut Wyklicky: Die Ophthalmologie in Wien vor und nach der Begründung der I. Univ.-Augenklinik. In: Spektrum der Augenheilkunde 2 (1988), S. 2 ff.