Anatomie

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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 26.11.2020 durch WIEN1.lanm08wei

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Hilfsfach der Chirurgie und Physiologie

Nachdem in Wien schon seit 1730 ein ständiger Prosektor angestellt gewesen war und seit 1755 ein anatomisches Theater zum Unterricht bestand, wurde die Anatomie nach ihrer Zuordnung zur Chirurgie (1757) vorübergehend zum selbständigen Fach. 1773-1786 war die Lehrkanzel mit Joseph Barth besetzt, der den anatomischen Unterricht durch Schaffung eines Sezierbodens, eines neuen anatomischen Amphitheaters, einer Bibliothek und eines Museums völlig neu gestaltete. Durch die Studienreform Josephs II. wurde die Anatomie 1786 der Physiologie angegliedert, Lehrkanzelinhaber der "höheren Anatomie" wurde daher Georg Prochaska (1786-1805). Unter seinem Nachfolger A. Michael Mayer (1805-1831) wurde die Anatomie 1810 zum Ordinariat erhoben. Gemäß dem Beobachtungsgeist der Ersten Wiener Medizinischen Schule bestand die Kunst der frühen Anatomen in der Herstellung von Injektionspräparaten in großer Zahl.

Die Wiener Anatomische Schule

Mit Josef Berres (1831-1834) und seinem Schüler Joseph Hyrtl (1845-1874) begann die Blütezeit der Wiener Anatomischen Schule der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Berres untersuchte die "mikroskopischen Gebilde des menschlichen Körpers", nannte sie jedoch noch nicht Zellen. Durch Hyrtl wurde das Fach von der rein beschreibenden Darstellung auch zur vergleichenden und topographischen Anatomie erweitert. Hyrtls "Lehrbuch der Anatomie des Menschen wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und erzielte 20 Auflagen. Ebenso erfolgreich war sein "Handbuch der topographischen Anatomie". Hyrtl, ein Meister der Korrosionsanatomie, schuf ein vergleichend-anatomisches Museum der Tierwelt.

1870 wurde an der Universität Wien eine zweite anatomische Lehrkanzel errichtet und mit Karl Langer aus dem Josephinum besetzt. 1886 wurde das Anatomische Institut eröffnet. Langers Credo war Anatomie physiologisch zu betrieben. Er verfasste Arbeiten zur Mechanik der Gelenke, Studien zu Bindesgewebsbündel der Lederhaut. Sein Zeitgenosse Carl Wedl vertrat die mikroskopisch orientierte Richtung in der Anatomie.

Die "Moderne"

Die bedeutendsten Anatomen der nächstfolgenden Periode waren unter anderem Carl Toldt, Ferdinand Hochstetter, Emil Zuckerkandl, Julius Tandler und Eduard Pernkopf. Toldt verfasste forensische Arbeiten über das zeitliche Auftreten der Knochenkerne in den verschiedenen Knochen. Gemeinsam mit seinem Assistenten Alois Dalla Rosa publizierte er einen "Anatomischen Atlas" 1896-1900. Auf Toldt geht auch das Toldtsche-Gesetz zurück, wonach die echte Kinnbildung nur beim Menschen vorliegt. Ferdinand Hochstetter arbeitete rein morphologisch. Er befasste sich im besonderen mit der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Gehirns.

Emil Zuckerkandl befasste sich in seinem Frühwerk mit den Herzbeuteln, später mit der pathologischen Anatomie der Nasenhöhle. Von wissenschaftlich großer Bedeutung waren seine vergleichend-anatomischen Arbeiten über das Riechhirn, Siebbein, die Ohrmuscheln und das Gefäßsystem der Nasenhöhle. Zuckerkandel unternahm auch großangelegte Untersuchungen über Extremitätenarterien. 1899-1904 erschien der von ihm verfasste "Atlas der topographischen Anatomie des Menschen". Der später in der Politik tätige Julius Tandler erforschte den Zusammenhang von Form und Funktion. Er versuchte anatomische Forschung für die klinische Behandlung fruchtbar zu machen und veröffentlichte ein Buch zur operativen Technik des Zentralnervensystems. Noch während seiner Tätigkeit als Wiener Stadtrat erschien 1929 sein "Lehrbuch der systematischen Anatomie".

Histologie, Pathologie.

Literatur

  • Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Böhlau 1965 (Studien zur Geschichte der Universität Wien, 6), S. 89-97, 239-251, 504-512.
  • Helmut Wyklicky: Das Josephinum. Biographie eines Hauses. Die medicinisch-chirurgische Josephs-Akademie seit 1785, das Institut für Geschichte der Medizin seit 1920. Wien: Brandstätter 1985, Register
  • Hans Heinz Eulner: Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer an den Universitäten des deutschen Sprachgebietes. Stuttgart: Enke 1970 (Studien zur Medizingeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, 4), S. 32 ff.
  • Alfred Gisel: Anatomie, Schlüssel und Steuerruder der Medizin. In: Kunst des Heilens. Aus der Geschichte der Medizin und Pharmazie. Niederösterreichische Landesausstellung, Kartause Gaming, 4. Mai - 27. Oktober 1991. Wien 1991 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, Neue Folge 276), S. 601 ff.
  • Alfred Gisel: Die Bedeutung der Wiener Anatomie. In: Lebendige Stadt. Almanach. Wien: Amt für Kultur, Volksbildung und Schulverwaltung der Stadt Wien 1958, S. 204 ff.
  • Karl F. Stock / Rudolf Heilinger / Marylène Stock: Personalbibliographien österreichischer Dichter und Schriftsteller von den Anfängen bis zur Gegenwart. Pullach bei München: Verlag Dokumentation 1972