Gemeinderat

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Sitzungssaal des Gemeinderates im damals neu erbauten Rathaus (Heliogravüre 1883)
Daten zur Organisation
Art der Organisation Sonstiges„Sonstiges“ befindet sich nicht in der Liste (Anstalt, Behörde, Firma, Institution, Verein, Politische Partei, Unternehmung, Gericht, Fonds, Konfessionelle Verwaltungseinheit, ...) zulässiger Werte für das Attribut „Art der Organisation“.
Datum von 7. Oktober 1848
Datum bis
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 17924
GND
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Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 4.11.2015 durch DYN.elwu
Bildname Gemeinderatssitzungsaal_Weiss.jpg
Bildunterschrift Sitzungssaal des Gemeinderates im damals neu erbauten Rathaus (Heliogravüre 1883)
  • 1., Rathausplatz 1

Frühere Adressierung

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48° 12' 39.02" N, 16° 21' 26.27" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Die mittelalterlichen Stadtrechte und frühneuzeitliche Stadtverfassungen sahen ebenso wenig wie die Maria-Theresianische, Josephinische oder vormärzliche Gemeindeverfassung einen Gemeinderat vor; Bürgermeister und Rat (Innerer Rat, Stadtrat) beziehungsweise ab 1783 der Beamtenapparat des Josephinischen Magistrats (Magistratsreform) bestimmten über die Gemeinde.

Altes Rathaus: Gemeinderatssaal
(hochauflösendes Digitalisat: WStLA, Pläne der Plan- und Schriftenkammer, P1: 102949/6)

Das Revolutionsjahr 1848 brachte das Ende des magistratischen Stadtregiments. Im März bildete sich ein Provisorischer Bürgerausschuss, im Mai wurde ein Gemeindeausschuss gewählt und an dessen Stelle trat im Oktober 1848 ein Gemeinderat, der am 7. Oktober zu seiner ersten Sitzung zusammentrat; die Provisorische Gemeindeordnung 1850 sah generelle Bestimmungen über die Abhaltung von Gemeinderatsitzungen vor (geregelt durch eine eigene Geschäftsordnung; Öffentlichkeit, auf Wunsch Vertraulichkeit, Protokollführung, Aufbewahrung der Sitzungsprotokolle im städtischen Archiv).

Der Gemeinderat bestand ab 1861 aus 120, ab 1884 aus 138 Mitgliedern, die in drei (gleich starken) Wahlkörpern nach einem Zensus-(Kurien-)wahl-recht gewählt wurden (Gemeinderatswahlen, Wahlrecht). Der Stand der in den einzelnen Wahlkörpern zur Wahl berechtigten Bürger war hinsichtlich gesellschaftlicher Stellung beziehungsweise Beruf genau definiert; 1885 wurde auf Betreiben Karl Luegers im dritten Wahlkörper die erforderliche Steuerleistung auf minimal fünf Gulden direkter Steuerleistung jährlich herabgesetzt ("Fünf-Gulden-Männer"), sodass auch (die ihn unterstützenden) Kleinbürger (Gewerbetreibende, selbständige Handwerker) wahlberechtigt wurden. 1848-1891 bestand eine eigene Gemeinderatskanzlei; 1892 übernahm die Stadtrats-Kanzlei, 1900 das Präsidialbüro (1924 in die Magistratsdirektion eingegliedert) diese Aufgabe.

Als 1900 eine "allgemeine" (vierte) Wählerkurie (nur für Männer, ansonsten jedoch ohne Bindung an Beruf oder Steuerleistung) geschaffen wurde, erhöhte sich die Zahl der Gemeinderäte auf 158 (in der vierten Kurie wurde in jedem der damals bestehenden 20 Stadtbezirke ein Gemeinderat nach dem Prinzip der einfachen Mehrheit gewählt), nach der Eingemeindung von Floridsdorf (21. Bezirk) auf 165 (je zwei zusätzliche Gemeinderäte in der 1.-3. Kurie, ein zusätzlicher Gemeinderat in der 4. Kurie für den neu geschaffenen Bezirk). Der Gemeinderat bildete ab 1850 aus dem Kreis seiner Mitglieder Sektionen und Kommissionen, denen das Gemeinderats-Plenum entsprechende Aufgaben übertrug und die im Gemeinderat zu behandelnde Gegenstände vorbehandelten. Die (liberale) Gemeindeordnung 1890 schuf als Hilfsorgan des Bürgermeisters den Stadtrat (Aufnahme der Tätigkeit am 6. Mai 1891), der von den Christlichsozialen in der Opposition bekämpft, während der Zeit ihrer Mehrheit jedoch beibehalten wurde; im Gegensatz zur Zeit nach dem Ersten Weltkrieg hatten die einzelnen Stadträte keine Ressorts, sondern arbeiteten als Gremium. 1892-1919 gab es Gemeinderatsausschüsse (Gemeinderatsausschuss), die von der Stadtverfassung 1920 mit geändertem Aufgabenbereich übernommen wurden. In der Ersten Republik kam es 1918 zur Einführung des allgemeinen Wahlrechts (erstmalig auch für Frauen).

Das Gemeindestatut für die Stadt Wien wurde vom Niederösterreichischen Landtag (noch mit Wiener Abgeordneten) per 1. Juni 1920 so geändert, dass nunmehr ein vom Gemeinderat zu wählender Stadtsenat, bestehend aus amtsführenden bzw. oppositonellen Stadträten, amtierte. Diese Neuregelung wurde in die am 10. November 1920 beschlossene und am 18. November 1920 in Kraft getretene Stadtverfassung des neuen Bundeslandes Wien übernommen; die Stadträte fungierten nunmehr auch als Landesräte. Die Zahl der Gemeinderäte betrug zunächst weiterhin 165, wurde dann jedoch auf 120 (1923) beziehungsweise 100 (1932) reduziert.

Seit 10. November 1920 ist der Wiener Gemeinderat auf Grund der Bundesverfassung und der Wiener Stadtverfassung in gleicher personeller Zusammensetzung zugleich Wiener Landtag; die Sitzungen werden jedoch getrennt unter divergierenden Vorsitzenden (Gemeinderatsvorsitzende bzw. Landtagspräsidenten) abgehalten.

Als im Februar 1934 die demokratische Stadtverfassung aufgehoben wurde, sah die diktatorische Stadtordnung als Gemeindevertretung die Wiener Bürgerschaft, ein ernanntes und ständisch gegliedertes Gremium, vor. Die Nationalsozialisten ersetzten diese Vertretung 1939 durch die Ratsherren (45 vom Reichsstatthalter ernannte Personen). Nach Einrichtung eines Provisorischen Stadtsenats im April 1945 unter Bürgermeister Theodor Körner kam es am 25. November 1945 erstmalig wieder zu demokratischen Wahlen (sie fanden gleichzeitig mit Nationalratswahlen statt), auf deren Grundlage sich der Gemeinderat am 13. Dezember 1945 konstituierte. (Siehe: Wiener Gemeinderat und Landtag in der Besatzungszeit) Der gewählte Gemeinderat war 1850-1895 liberal und 1895-1919 christlich-sozial dominiert, seit 1919 besitzen (mit Ausnahme der Jahre 1934-1945, in denen es keine gewählte Volksvertretung gab) die Sozialdemokraten die absolute Mandatsmehrheit (1945-1973 und 1996-2001 Koalitionen der SPÖ mit der ÖVP im Stadtsenat, seit 2010 der SPÖ mit den Grünen). Siehe auch Gemeinderatswahlen, Partei, Wahlrecht.

Literatur

  • Friedrich Brunner: Bezirksvertretungen in Wien. Historische Entwicklung, Rechtsgrundlagen, Aufgaben, Dezentralisierung, Wahlergebnisse, Personenindex, Rückblick und Zukunft. Hg. von Josef Rauchenberger. Wien: PR-Verlag 1990
  • Peter Csendes: Vertretungskörper. Wien 1988 (Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Reihe A: Archivinventar, Serie 1: Stadtarchiv, 3)
  • Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861-1926. In: Handbuch der Stadt Wien. Band 77. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1963, S. 211 ff.
  • Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861-1918. Zusammensetzung nach Berufen. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 18 (1963), S. 171 ff.
  • Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861-1918. Parteibildung und Wahlen. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 19 (1964), S. 298 ff.
  • Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861-1918. Gliederung nach Parteien. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 19 (1964), 366 ff.
  • Franz Patzer: Die sozialdemokratische Fraktion im Wiener Gemeinderat. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 10 (1952/1953), S. 251 ff.
  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1740 - 1895. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 1), S. 238 ff., 415 ff., 582 ff., 594 ff., 603 ff.
  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1896 - 1934. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 2), S. 925 ff., 964 ff., 1174 ff.
  • Wolfgang Soll: Mitglieder des Gemeinderats der Stadt Wien (Wiener Landtags) und des Wiener Stadtsenates (der Wiener Landesregierung). Manuskript (Wiener Stadt- und Landesarchiv)
  • Rudolf Till: Die Mitglieder der ersten Wr. Gemeindevertretung im Jahre 1848. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 5 (1950), S. 61 ff.
  • Barbara Steininger: Der Wiener Gemeinderat und der Wiener Landtag – Eine Zeitreise 1848-2013. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 2013 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 2/2013).
  • Barbara Steininger: Der Wiener Landtag - das unbekannt Wesen im Mehrebenensystem, in: Ferdinand Opll (Hg.), Studien zur Wiener Geschichte, Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien, Band 60, 2004.