Eugenie Schwarzwald

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Eugenie Schwarzwald im Reformkleid, um 1920
Daten zur Person
Personenname Schwarzwald, Eugenie
Abweichende Namensform Schwarzwald, Genia; Nußbaum, Eugenie, Nussbaum, Eugenie
Titel Dr. phil.
Geschlecht weiblich
PageID 15004
GND
Wikidata Q79173
Geburtsdatum 4. Juli 1872
Geburtsort Polupanowka bei Tarnopol, Galizien
Sterbedatum 7. August 1940
Sterbeort Zürich
Beruf Germanistin, Pädagogin, Schulreformerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Adolf Loos
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
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Letzte Änderung am 2.08.2021 durch DYN.rabus
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname Eugenie Schwarzwald.jpg
Bildunterschrift Eugenie Schwarzwald im Reformkleid, um 1920
  • 1., Franziskanerplatz 5 (Wirkungsadresse)
  • 1., Herrengasse 10 (Wirkungsadresse)
  • 8., Josefstädter Straße 68 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Von Adolf Loos gestaltetes Speisezimmer in der Wohnung 8., Josefstädterstraße 68
Kriegsjause für Verwundete auf dem Dachgarten der Schule von Eugenie Schwarzwald 1., Wallnerstraße 9
Eugenie Schwarzwald in dem von Adolf Loos eingerichteten Direktionszimmer der Schwarzwaldschule

Eugenie Schwarzwald, * 4. Juli 1872 Polupanowka bei Tarnopol (Galizien), † 7. August 1940 Zürich, Germanistin, Pädagogin, Schulreformerin, Pionierin der Mädchenbildung.

Biografie

Eugenie Schwarzwald, geborene Nußbaum, verbrachte ihre Kindheit und Jugend großteils in Czernowitz. Unterlagen zu ihrer schulischen Ausbildung dort sind nicht überliefert, doch gelang es ihr, sich für das Studium an der Universität Zürich zu qualifizieren. Von 1895 bis 1900 studierte sie in der Schweiz Philosophie, Literatur und Pädagogik – in einer Zeit also, als an österreichischen Universitäten Frauen noch nicht zum Studium zugelassen waren. Im Sommer 1900 promovierte sie mit einer Arbeit über "Metapher und Gleichnis bei Berthold von Regensburg" und kehrte dann nach Czernowitz zurück, wo sie im Dezember desselben Jahres Hermann Schwarzwald heiratete. Gemeinsam zog das Paar nach der Hochzeit nach Wien.

Von Eleonore Jeiteles übernahm sie 1901 gegen eine Ablöse das Mädchenlyzeum 1 am Franziskanerplatz 5 und erweiterte dieses allmählich zu einem Schulzentrum (anfangs auch noch mit Kindergarten und Volksschule, später Gymnasial- und allgemeine Fortbildungskurse). Ab 1911 beinhaltete dieses Zentrum auch ein achtklassiges Mädchenrealgymnasium (ab 1913: 1. Bezirk, Herrengasse 10/Wallnerstraße 9) und war die erste Schule in Österreich, an der Mädchen maturieren konnten. Nach dem Ersten Weltkrieg kam zu den anderen Schulzweigen auch noch eine Frauenoberschule dazu. Da ihre Befugnis zur Leitung der Schule 1904 nicht verlängert worden war, musste sie bis 1938 die Direktion offiziell anderen überlassen.

Die Grundideen der Pädagogik Schwarzwalds waren Gewaltfreiheit und Kreativitätsförderung; sie stand mit Maria Montessori in Kontakt. Insbesondere die Förderung von Mädchen und jungen Frauen war ihr ein Anliegen. Es gelang ihr, namhafte Persönlichkeiten als Lehrer und Vortragende an ihren Schulen und Fortbildungskursen zu verpflichten, etwa Oskar Kokoschka für Zeichnen, Adolf Loos für Architektur, Egon Wellesz für Musik, Hans Kelsen für Soziologie (möglicherweise auch für Volkswirtschaftslehre) und Otto Rommel für Literatur – Letzterer war von 1916 bis 1919 auch Direktor der Schwarzwald'schen Mädchenmittelschulen. Zudem stellte sie Personen wie Arnold Schönberg und Karl Kraus Räumlichkeiten und Infrastruktur zur Verfügung, damit diese eigene Projekte verwirklichen konnten.

Bekannte Schülerinnen der Schwarzwaldschule waren Elsie Altmann-Loos, Alice Herdan-Zuckmayer, Ruth Karplus, Edith Kramer, Maria Lazar, Elisabeth Neumann-Viertel, Else Pappenheim, Hilde Spiel, Helene Weigel, Lucie Varga, Alma Wittlin und viele mehr.

Die Wohnung des Ehepaars Schwarzwald im 8. Bezirk war Treffpunkt junger Talente und bereits etablierter Persönlichkeiten des Kulturlebens, wie beispielsweise Elias Canetti, Robert Musil und Arnold Schönberg; in ihren Sommerkolonien trafen sich unter anderen Popper, Wassermann und Carl Zuckmayer.

Eine besondere Freundschaft verband sowohl Eugenie als auch Hermann Schwarzwald mit Adolf Loos. Er hatte nicht nur die Wohnung in der Josefstädter Straße sowie Schulräume in der Wallnerstraße gestaltet, für die Schwarzwald'schen Schulanstalten arbeitete Loos vier letztlich nicht realisierte Bauprojekte aus, unter anderem für einen Standort in der Johannesgasse sowie für Breitenstein auf dem Semmering. Auch Hermann Schwarzwald vermittelte Loos in seiner Funktion als hochrangiger Beamter des Handels- beziehungsweise Finanzministeriums Aufträge, vor allem im Banksektor. Seine zweite Frau, die Tänzerin Elsie Altmann, lernte er noch als Schwarzwaldschülerin kennen. Eugenie Schwarzwald ermöglichte Loos ab 1912 die Nutzung der Schulräume in der Wallnerstraße für die Zwecke seiner eigenen Bauschule.

Während des Ersten Weltkriegs richtete Eugenie Schwarzwald Gemeinschaftsküchen (beispielsweise den Akazienhof), Tagesheime, Land- und Ferienheime für Kinder und Erwachsene ein.

1938 kehrte Schwarzwald von einer Vortragsreise in Dänemark nicht mehr nach Wien zurück, sondern emigrierte in die Schweiz. Die Nationalsozialisten verkauften ihren gesamten Besitz, man sperrte die Schule und die meisten Schülerinnen und Erzieher oder Erzieherinnen wurden vertrieben oder in der Shoah ermordet.

Seit 2011 ist der Eugenie-Schwarzwald-Weg nach der Philanthropin benannt.

Quelle

Literatur

  • Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 2. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2016, S. 3025 f.
  • Deborah Holmes: Langeweile ist Gift. Das Leben der Eugenie Schwarzwald. St. Pölten: Residenz-Verlag 2012
  • Elisabeth Sifkovits: Eugenie Schwarzwald, Mädchenbildung, Koedukation und die Vermittlung der Kultur der Moderne. Diss. Univ. Graz. Graz 2010
  • Elke Krasny: Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien. Wien: Metroverlag 2008, S. 38, 53, 81
  • Renate Seebauer: Frauen, die Schule machten. Wien: LIT 2007, S. 72–94
  • Renate Göllner: Kein Puppenheim. Genia Schwarzwald und die Emanzipation. Frankfurt am Main / Wien: Lang 1999
  • Robert Streibel [Hg.]: Eugenie Schwarzwald und ihr Kreis. Wien: Picus-Verlag 1996
  • Beatrix Schiferer: Vorbilder. Kreative Frauen in Wien 1750–1950. Wien: Verband Wiener Volksbildung 1994, S. 81 ff.
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik. Wien: Ueberreuter 1992
  • Rathaus-Korrespondenz, 13.01.1989
  • H. Deichmann: Leben mit provisorischer Genehmigung. Leben, Werk und Exil von Dr. Eugenie Schwarzwald (1872–1940). Eine Chronik. Berlin: Guthmann-Peterson 1988
  • Das Heimatmuseum Alsergrund. Mitteilungsblatt des Museumsvereines Alsergrund 100 (1984), S. 16 ff. (Akazienhof)
  • Murray Hall: "Frau Doktor": Eugenie Schwarzwald. In: Das jüdische Echo (Wien), Nr. 1, Vol. XXXII (1983), S. 113–115
  • Josef Fraenkel: The Jews of Austria. London: Vallentine 1967, S. 109
  • Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte. Hg. von Franz Planer. Wien: F. Planer 1929


Literatur von und über Eugenie Schwarzwald im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus finden Sie hier.

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