Emilie Turecek: Unterschied zwischen den Versionen

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Fiakermilli, volkstümlicher Name der Emilie Turecek, geborene Pem(m)er, * 30. Juni 1848 Chotěboř, Böhmen, † 13. Mai 1889 Wien, Volkssängerin, Gatte (1889) Ludwig Demel, Fiaker. Sie sang unter anderem in den Thaliasälen (16, Grundsteingasse), in den Drei-Engel-Sälen (4, Große Neugasse) und beim [[Sperl]] (2) und trat stets in prall anliegender Jockeydreß, die Reitgerte in der Hand, gestiefelt und gespornt, auf. Über ihr zynisches sittenloses Wesen hat sich Schlögl sehr ereifert, ohne sich der fesselnden Wirkung ihrer Persönlichkeit entzogen zu haben. [[Viktor Leon]] führte die Fiakermilli in sein Volksstück „Wiener Volkssänger" ein (1920), [[Hugo von Hofmannsthal|Hofmannsthal]] verwendete sie als Bühnenfigur (in „Arabella", vertont 1933 von Richard Strauss); Volksstück „Die Fiakermilli" von [[Martin Costa]] (Uraufführung 15. Dezember 1945 Bürgertheater). Oftmals (auch anachronistisch) in Filme eingebaut (zum Beispiel „Schrammeln", 1944).
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Emilie Turecek, genannt "Fiakermilli", * 30. Juni 1846 in der Wiener Vorstadt [[Thurygrund (Vorstadt)|Thurygrund]], † 13. Mai 1889 [[Dornbach (Vorort)|Dornbach]], Volkssängerin.
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==Biografie==
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Emilie Turecek, die spätere "Fiaker-Milli", war die uneheliche Tochter von Anna Turecek und des Pfründners Michael Pemmer. Sie wurde in der [[Lichtentaler Kirche]] getauft. 1869 heirateten ihre Eltern. Danach hieß sie Emilie Pemmer. Wie etliche Mädchen der ärmsten Gesellschaftsschicht versuchte Emilie Turecek ihren Lebensunterhalt in der Vergnügungsbranche zu verdienen. Bald schon wurde sie umschwärmter Mittelpunkt der [[Fiakerball|Fiaker]]- und [[Wäschermädelball|Wäschermädelbälle]], wo sie durch ihr frivoles Verhalten auffiel.
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Obwohl es Frauen erst ab 1871 offiziell gestattet war, als "[[Volkssänger]]innen" aufzutreten, fand Emilie Turecek schon vorher Anschluss an die seinerzeit populären Fiakersänger, deren berühmtester Vertreter der Leibfiaker von [[Rudolf (Kronprinz von Österreich-Ungarn)|Kronprinz Rudolf]], [[Josef Bratfisch]], war. 1867 taucht erstmals der "Künstlername" "Fiaker-Milli" in den Zeitungen auf. Unter anderem trat sie in den [[Thaliasäle]]n in Neulerchenfeld, in den [[Dianabad|Dianasälen]] in der Leopoldstadt und in den [[Drei-Engel-Säle]]n auf der Wieden auf. Glaubt man den zeitgenössischen Quellen, machte sie weniger aufgrund ihres musikalischen Talentes als viel mehr aufgrund der als obszön empfundenen Texte und ihres knappen Jockey-Outfits, für das sie eine polizeiliche Genehmigung brauchte, von sich reden. Ihr bekanntestes Couplet war "Ich bin halt noch so unerfahr'n".
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In den 1850er-Jahren war das beliebte 'Tanzlokal "[[Zum Sperl]]" in der Leopoldstadt zum Treffpunkt der [[Prostitution|Halbwelt]] und ihrer aus allen Gesellschaftsschichten stammenden Kunden geworden. Im Nachruf des "[[Neues Wiener Tagblatt|Neuen Wiener Tagblattes]]" war 1889 über die "Fiaker-Milli" zu lesen: "Vor zwei Dezennien galt sie noch als die Meistumworbene, weil pikanteste und "rescheste" aus jener Schönheitsgalerie, die ihr Hauptquartier beim "Sperl" hatte, wo […] die Lebemänner der Residenz und Fremde sich einfanden. Die Summen, die ihr zu Füßen gelegt wurden, waren fabelhafte, aber noch größer jene, die sie verschwendete." In anderen Blättern wurde aber auch berichtet, dass Emilie Turecek große Beträge für wohltätige Zwecke stiftete. In den Polizeiakten wurde sie als Prostituierte geführt; ihre Verehrer bedachten sie mit dem Titel "Venus von Wien". Kleinere Delikte wie etwa Raufereien mit Konkurrentinnen brachten sie wiederholt mit der Obrigkeit in Konflikt.
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Am 21. Oktober 1874 heiratete Emilie Turecek den erst 23-jährigen Fiaker Ludwig Demel in der [[Johannes-Nepomuk-Kirche (2)|Johannes Nepomuk-Kirche]] in der Leopoldstadt. Die aufsehenerregende Zeremonie zog eine große Anzahl von Gästen und Schaulustigen an und brachte den [[Pferdetramway|Tramway]]-Verkehr auf der [[Praterstraße]] zeitweise zum Erliegen. Aufgrund der Menschenansammlung musste die [[Polizei]] einschreiten. Emilie Demel, wie sie jetzt hieß, widmete sich danach dem Fuhrwerksunternehmen ihres Mannes und erwog sogar, selbst Kutscherin zu werden. Sie musste aber bereits nach einem halben Jahr Konkurs anmelden. Völlig verarmt starb sie im Mai 1889 erst 42-jährig in ihrer Wohnung in Dornbach an Leberzirrhose.  
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[[Richard Strauss]] und [[Hugo von Hofmannsthal]] haben der Sängerin mit einer Einlage in der Oper "Arabella" ein musikalisches Denkmal gesetzt. Im Film wurde sie von den seinerzeitigen Stars wie [[Marte Harell]] ("Schrammeln", 1944) und [[Gretl Schörg]] ("Fiakermilli – Liebling von Wien", 1953) verkörpert.
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==Quellen==
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* [https://sammlung.wienmuseum.at/suche/?iconclasses=1273472 Wien Museum Online Sammlung: hochauflösende Abbildungen zu Emilie Turecek]
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* [https://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/09-lichtental/01-22/?pg=252 Matricula Online: Taufbuch Wien-Lichtental, Signatur: 01-22, Bd. 22, folio 250]
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* [https://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/02-st-johann-nepomuk/02-07/?pg=165 Matricula Online: Trauungsbuch Wien-St.Johann Nepomuk, Signatur: 02-07, Bd. 7, folio 162]
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* [https://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/17-dornbach/03-07/?pg=110 Matricula Online: Sterbebuch Wien-Dornbach, Signatur: 03-07, Bd. 7, folio 106]
  
 
==Literatur==
 
==Literatur==
*Mauriz Schuster: Alt-Wienerisch. Ein Wörterbuch veraltender und veraltetet Wiener Ausdrücke und Redensarten. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1983, S. 58 f.  
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*Michaela Lindinger: Sonderlinge, Außenseiter, Femmes fatales. Wien: Almathea 2015
*Friedrich Schlögl: Wiener Blut. S. 122 ff.
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* Elisabeth TH. Fritz / Helmut Kretschmer [Hg]: Wien. Musikgeschichte, Teil 1: Volksmusik und Wienerlied. Wien: Lit-Verlag 2006, S. 192
{{Überarbeiten}}
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* Susanne Schedtler [Hg.]: Wienerlied und Weana Tanz. Wien: Löcker 2004
*Hans Pemmer: Schriften zur Heimatkunde Wiens. Festgabe zum 80. Geburtstag. Hg. von Hubert Kaut. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1969 (Wiener Schriften, 29), S. 154 f.
+
* Roland Joseph Leopold Neuwirth: Das Wienerlied. Wien: P. Zsolnay 1999, S. 43
*Richard Bamberger / Franz Maier-Bruck: Österreich-Lexikon in zwei Bänden. Wien: Österreichischer Bundesverlag / Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1966
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* Susanne Mauthner-Weber: Venuswege. Ein erotischer Führer durch das alte Wien. Wien: Promedia1995
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* Erich Hermann Müller von Asow: Die "fesche" Fiaker-Milli. Eine historische Figur aus der Richard-Strauss-Oper "Arabella". In: General-Anzeiger der Stadt Wuppertal, 05.05.1960
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* Josef Koller: Das Wiener Volkssängertum in alter und neuer Zeit. Wien. Gerlach & Wiedling 1931, S. 37 ff.  
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* Nachruf. In: Das Vaterland!, 03.06.1889, S. 2
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* Nachruf. In: Neues Wiener Tagblatt, 13.05.1889, S. 4
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* Die Fiakermilli in Konkurs. In: Prager Abendblatt, 5.03.1875, S. 3
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* Neuigkeits-Welt-Blatt, 23.10.1874, S. 4
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* [https://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_T/Turecek_Emilie_1848_1889.xml Österreichisches Biographisches Lexikon: Emilie Turecek]

Aktuelle Version vom 23. Juni 2023, 14:59 Uhr

Emilie Turecek, genannt "Fiaker-Milli" (um 1870)
Daten zur Person
Personenname Turecek, Emilie
Abweichende Namensform Pem(m)er, Emilie; Fiakermilli
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 18535
GND 103637646X
Wikidata
Geburtsdatum 30. Juni 1846
Geburtsort Wien
Sterbedatum 13. Mai 1889
Sterbeort Dornbach
Beruf Volkssängerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 23.06.2023 durch DYN.kuhni74
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname Fiaker Milli.jpg
Bildunterschrift Emilie Turecek, genannt "Fiaker-Milli" (um 1870)

Es wurden noch keine Adressen zu dieser Person erfasst!

Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Emilie Turecek, genannt "Fiakermilli", * 30. Juni 1846 in der Wiener Vorstadt Thurygrund, † 13. Mai 1889 Dornbach, Volkssängerin.

Biografie

Emilie Turecek, die spätere "Fiaker-Milli", war die uneheliche Tochter von Anna Turecek und des Pfründners Michael Pemmer. Sie wurde in der Lichtentaler Kirche getauft. 1869 heirateten ihre Eltern. Danach hieß sie Emilie Pemmer. Wie etliche Mädchen der ärmsten Gesellschaftsschicht versuchte Emilie Turecek ihren Lebensunterhalt in der Vergnügungsbranche zu verdienen. Bald schon wurde sie umschwärmter Mittelpunkt der Fiaker- und Wäschermädelbälle, wo sie durch ihr frivoles Verhalten auffiel. Obwohl es Frauen erst ab 1871 offiziell gestattet war, als "Volkssängerinnen" aufzutreten, fand Emilie Turecek schon vorher Anschluss an die seinerzeit populären Fiakersänger, deren berühmtester Vertreter der Leibfiaker von Kronprinz Rudolf, Josef Bratfisch, war. 1867 taucht erstmals der "Künstlername" "Fiaker-Milli" in den Zeitungen auf. Unter anderem trat sie in den Thaliasälen in Neulerchenfeld, in den Dianasälen in der Leopoldstadt und in den Drei-Engel-Sälen auf der Wieden auf. Glaubt man den zeitgenössischen Quellen, machte sie weniger aufgrund ihres musikalischen Talentes als viel mehr aufgrund der als obszön empfundenen Texte und ihres knappen Jockey-Outfits, für das sie eine polizeiliche Genehmigung brauchte, von sich reden. Ihr bekanntestes Couplet war "Ich bin halt noch so unerfahr'n". In den 1850er-Jahren war das beliebte 'Tanzlokal "Zum Sperl" in der Leopoldstadt zum Treffpunkt der Halbwelt und ihrer aus allen Gesellschaftsschichten stammenden Kunden geworden. Im Nachruf des "Neuen Wiener Tagblattes" war 1889 über die "Fiaker-Milli" zu lesen: "Vor zwei Dezennien galt sie noch als die Meistumworbene, weil pikanteste und "rescheste" aus jener Schönheitsgalerie, die ihr Hauptquartier beim "Sperl" hatte, wo […] die Lebemänner der Residenz und Fremde sich einfanden. Die Summen, die ihr zu Füßen gelegt wurden, waren fabelhafte, aber noch größer jene, die sie verschwendete." In anderen Blättern wurde aber auch berichtet, dass Emilie Turecek große Beträge für wohltätige Zwecke stiftete. In den Polizeiakten wurde sie als Prostituierte geführt; ihre Verehrer bedachten sie mit dem Titel "Venus von Wien". Kleinere Delikte wie etwa Raufereien mit Konkurrentinnen brachten sie wiederholt mit der Obrigkeit in Konflikt. Am 21. Oktober 1874 heiratete Emilie Turecek den erst 23-jährigen Fiaker Ludwig Demel in der Johannes Nepomuk-Kirche in der Leopoldstadt. Die aufsehenerregende Zeremonie zog eine große Anzahl von Gästen und Schaulustigen an und brachte den Tramway-Verkehr auf der Praterstraße zeitweise zum Erliegen. Aufgrund der Menschenansammlung musste die Polizei einschreiten. Emilie Demel, wie sie jetzt hieß, widmete sich danach dem Fuhrwerksunternehmen ihres Mannes und erwog sogar, selbst Kutscherin zu werden. Sie musste aber bereits nach einem halben Jahr Konkurs anmelden. Völlig verarmt starb sie im Mai 1889 erst 42-jährig in ihrer Wohnung in Dornbach an Leberzirrhose. Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal haben der Sängerin mit einer Einlage in der Oper "Arabella" ein musikalisches Denkmal gesetzt. Im Film wurde sie von den seinerzeitigen Stars wie Marte Harell ("Schrammeln", 1944) und Gretl Schörg ("Fiakermilli – Liebling von Wien", 1953) verkörpert.

Quellen

Literatur

  • Michaela Lindinger: Sonderlinge, Außenseiter, Femmes fatales. Wien: Almathea 2015
  • Elisabeth TH. Fritz / Helmut Kretschmer [Hg]: Wien. Musikgeschichte, Teil 1: Volksmusik und Wienerlied. Wien: Lit-Verlag 2006, S. 192
  • Susanne Schedtler [Hg.]: Wienerlied und Weana Tanz. Wien: Löcker 2004
  • Roland Joseph Leopold Neuwirth: Das Wienerlied. Wien: P. Zsolnay 1999, S. 43
  • Susanne Mauthner-Weber: Venuswege. Ein erotischer Führer durch das alte Wien. Wien: Promedia1995
  • Erich Hermann Müller von Asow: Die "fesche" Fiaker-Milli. Eine historische Figur aus der Richard-Strauss-Oper "Arabella". In: General-Anzeiger der Stadt Wuppertal, 05.05.1960
  • Josef Koller: Das Wiener Volkssängertum in alter und neuer Zeit. Wien. Gerlach & Wiedling 1931, S. 37 ff.
  • Nachruf. In: Das Vaterland!, 03.06.1889, S. 2
  • Nachruf. In: Neues Wiener Tagblatt, 13.05.1889, S. 4
  • Die Fiakermilli in Konkurs. In: Prager Abendblatt, 5.03.1875, S. 3
  • Neuigkeits-Welt-Blatt, 23.10.1874, S. 4
  • Österreichisches Biographisches Lexikon: Emilie Turecek