Berta Zuckerkandl: Unterschied zwischen den Versionen

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Zuckerkandl Berta (auch: Bertha), * 12. April 1864 Wien, † 1. November 1945 Paris, Journalistin, Schriftstellerin, Gatte [[Emil Zuckerkandl]], Tochter von [[Moritz Szeps]] (Herausgeber des Neuen Wiener Tagblattes).
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Berta Zuckerkandl, * 12. April 1864 Wien, † 1. November 1945 Paris, Journalistin, Schriftstellerin
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==Biographie==
  
Sie wuchs im noblen, weltoffenen Haushalt ihrer Eltern auf und führte nach ihrer Heirat selbst einen gastfreundlichen Salon in Döbling (19, Nußwaldgasse 22), 1911-1917 im Haus 8, Alser Straße 23 (das an der Stelle der 1910 geschlossenen k. k. Findelanstalt erbaut worden war), und 1917-1938 im Haus 1, Oppolzergasse 6 (Gedenktafel); dieser entwickelte sich zum Treffpunkt der kultivierten Wiener Gesellschaft und war wohl der renommierteste zwischen der Jahrhundertwende und dem Nationalsozialismus (regelmäßige Besucher waren unter anderem [[Egon Friedell]], [[Hugo von Hofmannsthal]], [[Gustav Klimt]], [[Max Reinhardt]], [[Arthur Schnitzler]] und [[Anton Wildgans]]).  
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Berta Zuckerkandl war das vierte Kind des Herausgebers des [[Neues Wiener Tagblatt|Neuen Wiener Tagblatts]] [[Moritz Szeps]] und seiner Frau Amalie. Bertha – später sollte sie ihren Vornamen ohne "h" schreiben – wuchs in einem weltoffenen Haushalt auf, der Treffpunkt jüdischer Intellektueller war und in dem großen Wert auf Kunst und Kultur gelegt wurde.  
  
Zuckerkandl schrieb Burgtheaterkritiken für die von ihrem Bruder Julius geleitete "Wiener Allgemeine Zeitung" (für die auch Felix Salten geschrieben hatte), veröffentlichte zahlreiche Zeitungsbeiträge, die Essaysammlung "Zeitkunst" (1901-1907) sowie "Ich erlebte 50 Jahre Weltgeschichte" (1939); postum erschien ihr Erinnerungsbuch "Österreich intim" (1970).  
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Am 15. April 1886 heiratete Berta Szeps den um fast 15 Jahre älteren Anatomie-Professor [[Emil Zuckerkandl]]. Zunächst zog sie mit ihrem Mann nach Graz, wo er einen Lehrstuhl innehatte. Als Emil Zuckerkandl an die Universität Wien berufen wurde, bezog das Paar eine Villa in der Nusswaldgasse. Hier führte Berta einen Salon. Dieser entwickelte sich zum Treffpunkt der kultivierten Wiener Gesellschaft und war wohl der renommierteste zwischen der Jahrhundertwende und dem Nationalsozialismus (regelmäßige Besucher waren unter anderem [[Egon Friedell]], [[Hugo von Hofmannsthal]], [[Gustav Klimt]], [[Max Reinhardt]], [[Arthur Schnitzler]] und [[Anton Wildgans]]), aber auch Wissenschaftler wie [[Julius Wagner-Jauregg]] und [[Ernst Mach]] oder der Sozialreformer [[Julius Tandler]] waren dort zu Gast. Besonders förderte Berta Zuckerkandl junge, avantgardistische Künstler (vor allem Secessionisten) und war mit [[Josef Hoffmann (Architekt)|Josef Hoffmann]], [[Adolf Loos]] und [[Otto Wagner]], ebenso auch mit [[Gustav Mahler]] befreundet.  
  
Zuckerkandl förderte junge Künstler (vor allem Secessionisten) und war mit [[Josef Hoffmann (Architekt)|Josef Hoffmann]], [[Adolf Loos]] und [[Otto Wagner]], ebenso auch mit [[Gustav Mahler]] befreundet.  
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Berta Zuckerkandl war auch journalistisch tätig. Sie schrieb Theaterkritiken und eine tägliche Kunstkolumne für die von ihrem Bruder [[Julius Szeps|Julius]] geleitete "Wiener Allgemeine Zeitung" (für die auch [[Felix Salten]] geschrieben hatte), veröffentlichte zahlreiche Zeitungsbeiträge, die Essaysammlung "Zeitkunst" (1901-1907) sowie "Ich erlebte 50 Jahre Weltgeschichte" (1939); postum erschien ihr Erinnerungsbuch "Österreich intim" (1970). Einer ihrer schärfsten Kritiker war [[Karl Kraus]].
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Da ihre Schwester Sophie mit Paul, dem Bruder des französischen Politikers Georges Clemenceau, verheiratet war, versuchte Zuckerkandl während des Ersten Weltkriegs (erfolglos) eine Friedensvermittlung. 1938 flüchtete Zuckerkandl vor den Nationalsozialisten nach Paris, später nach Algier und kehrte 1945 wieder nach Paris zurück, wo sie im selben Jahr starb.  
  
Da ihre Schwester Sophie mit Paul, dem Bruder des französischen Politikers Georges Clemenceau, verheiratet war, versuchte Zuckerkandl während des Ersten Weltkriegs (erfolglos) eine Friedensvermittlung. 1938 flüchtete Zuckerkandl vor den Nationalsozialisten nach Paris, später nach Algier.
 
  
 
===== Erinnerungszeichen: =====
 
===== Erinnerungszeichen: =====

Version vom 28. Dezember 2017, 17:18 Uhr

Daten zur Person
Personenname Zuckerkandl, Berta
Abweichende Namensform Zuckerkandl, Bertha; Szeps, Berta; Zuckerkandl-Szeps, Berta
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 8813
GND 118758160
Wikidata
Geburtsdatum 13. April 1864
Geburtsort Wien
Sterbedatum 16. Oktober 1945
Sterbeort Paris
Beruf Journalistin, Schriftstellerin, Übersetzerin, Salonnière
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 28.12.2017 durch WIEN1.lanm09was
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
  • 19., Nußwaldgasse 22 (Wohnadresse)
  • 8., Alser Straße 23
  • 1., Oppolzergasse 6 (Wohnadresse)
  • 9., Günthergasse 1 (Wohnadresse)
  • 9., Liechtensteinstraße 51 (Wohnadresse)
  • 9., Alserbachstraße 20 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Orden der Ehrenlegion (Übernahme: 1929)

Berta Zuckerkandl, * 12. April 1864 Wien, † 1. November 1945 Paris, Journalistin, Schriftstellerin

Biographie

Berta Zuckerkandl war das vierte Kind des Herausgebers des Neuen Wiener Tagblatts Moritz Szeps und seiner Frau Amalie. Bertha – später sollte sie ihren Vornamen ohne "h" schreiben – wuchs in einem weltoffenen Haushalt auf, der Treffpunkt jüdischer Intellektueller war und in dem großen Wert auf Kunst und Kultur gelegt wurde.

Am 15. April 1886 heiratete Berta Szeps den um fast 15 Jahre älteren Anatomie-Professor Emil Zuckerkandl. Zunächst zog sie mit ihrem Mann nach Graz, wo er einen Lehrstuhl innehatte. Als Emil Zuckerkandl an die Universität Wien berufen wurde, bezog das Paar eine Villa in der Nusswaldgasse. Hier führte Berta einen Salon. Dieser entwickelte sich zum Treffpunkt der kultivierten Wiener Gesellschaft und war wohl der renommierteste zwischen der Jahrhundertwende und dem Nationalsozialismus (regelmäßige Besucher waren unter anderem Egon Friedell, Hugo von Hofmannsthal, Gustav Klimt, Max Reinhardt, Arthur Schnitzler und Anton Wildgans), aber auch Wissenschaftler wie Julius Wagner-Jauregg und Ernst Mach oder der Sozialreformer Julius Tandler waren dort zu Gast. Besonders förderte Berta Zuckerkandl junge, avantgardistische Künstler (vor allem Secessionisten) und war mit Josef Hoffmann, Adolf Loos und Otto Wagner, ebenso auch mit Gustav Mahler befreundet.

Berta Zuckerkandl war auch journalistisch tätig. Sie schrieb Theaterkritiken und eine tägliche Kunstkolumne für die von ihrem Bruder Julius geleitete "Wiener Allgemeine Zeitung" (für die auch Felix Salten geschrieben hatte), veröffentlichte zahlreiche Zeitungsbeiträge, die Essaysammlung "Zeitkunst" (1901-1907) sowie "Ich erlebte 50 Jahre Weltgeschichte" (1939); postum erschien ihr Erinnerungsbuch "Österreich intim" (1970). Einer ihrer schärfsten Kritiker war Karl Kraus.

Da ihre Schwester Sophie mit Paul, dem Bruder des französischen Politikers Georges Clemenceau, verheiratet war, versuchte Zuckerkandl während des Ersten Weltkriegs (erfolglos) eine Friedensvermittlung. 1938 flüchtete Zuckerkandl vor den Nationalsozialisten nach Paris, später nach Algier und kehrte 1945 wieder nach Paris zurück, wo sie im selben Jahr starb.


Erinnerungszeichen:

Literatur

  • Helga Peham: Die Salonièren und die Salons in Wien. 200 Jahre Geschichte einer besonderen Institution. Wien [u. a.]: Styria 2014
  • Franz Planer [Hrsg.]: Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte. Wien: F. Planer 1929
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon [der Ersten und Zweiten Republik]. Wien: Ueberreuter 1992
  • Peter Ernst: Wiener Literaturgedenkstätten. Hg. von Felix Czeike. Wien: J & V-Edition Wien-Verlag 1990, S. 139 f.
  • Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus. [Zusammenstellung der Ausstellung: Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. Katalog: Gabriele Koller ... Für den Inhalt verantwortlich: Oswald Oberhuber]. Wien: Zentralsparkasse 1982
  • Beatrix Schiferer: Vorbilder. Kreative Frauen in Wien 1750-1950. Wien: Verb. Wiener Voksbildung 1994, S. 95 ff.
  • Lucian Meysels: In meinem Salon ist Österreich. Berta Zuckerkandl und ihre Zeit. Wien: Edition Illustrierte Neue Welt 1994
  • Milan Dubrovic: Veruntreute Geschichte. Die Wiener Salons und Literatencafés. Wien [u.a.]: Zsolnay 1985, S. 169 ff.
  • Gotthart Wunberg [Hg.]: Die Wiener Moderne. Literatur, Kunst und Musik zwischen 1890 und 1910. Stuttgart: Reclam 1981
  • Renate Redl: Berta Zuckerkandl und die Wiener Gesellschaft. Ein Beitrag zur österreichischen Kunst- und Gesellschaftskritik. Diss. Univ. Wien. Wien 1978
  • Auf seiten der jungen Kunst. In: Arbeiter-Zeitung, 30.05.1988