Wiener Derby (Fußball)

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Georg Schors, Walter Nausch und Franz Binder (v.l.) im Derbykampf, Rapid - Austria 5:1 (3:0), 16. Oktober 1938 (Rapideum)
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Sportveranstaltung
Datum von 1911
Datum bis
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PageID 46352
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Objektbezug Sportklub Rapid, Austria, Fußball, Sport
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Bildunterschrift Georg Schors, Walter Nausch und Franz Binder (v.l.) im Derbykampf, Rapid - Austria 5:1 (3:0), 16. Oktober 1938 (Rapideum)

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Das Wiener Derby bezeichnet seit spätestens 1928 und bis heute im engeren Sinn Fußballspiele zwischen den beiden Wiener Vereinen SK Rapid und FK Austria, denen eine bis 1911 zurück reichende Geschichte und Rivalität zugrunde liegt. Mit seinen bislang 317 Auflagen ist das Wiener Derby nach dem „Old Firm“ (Glasgow Rangers FC gegen Celtic FC) das am häufigsten ausgetragene Fußballderby Europas und das häufigste, noch regelmäßig ausgespielte Derby weltweit. In der Gesamtbilanz führt Rapid vor Austria mit 131 zu 115 Siegen (Stand: Saison 2015/16).

Begriffsgeschichte: Von den "Wiener Derbys" zum "Wiener Derby"

Der Begriff „Derby“ hat zwei im englischen Sport wurzelnde Bedeutungen:

1. wurde damit ursprünglich das „Epsom Derby“ bezeichnet, ein Galopprennen, dass 1780 vom 12th Earl of Derby, Peer der Grafschaft Derbyshire, eingeführt wurde. Seither werden mit dem Begriff diverse Prüfungen und Wettbewerbe im Pferdesport bezeichnet.

2. geht der Begriff „Derby“ auf den „Shrovetide Football“ zurück, einem rugbyartigen Wettkampf zweier benachbarter Dörfer eben in Derbyshire, der seit dem 12. Jahrhundert alljährlich zu Ostern ausgetragen wird.

In Wien wurde der Begriff über den Pferdesport heimisch, das erste „Österreichische Derby“, ein Galopprennen, fand 1868 statt. Auch schrieb man schon ab 1907 vom „Radfahrderby“. Obschon das erste Match in Wien bereits am 15. November 1894 zwischen den Pionieren Cricketer und Vienna abgelaufen war, und seither ein reger Spielbetrieb herrschte, dauerte es bis zur ersten belegbaren Verwendung des Begriffs „Derby“ im Fußballkontext bis 1912, als im „Illustrierten Sport-Blatt“ vermerkt wurde, dass die Spiele zwischen Österreich und Ungarn von magyarischer Seite „Fußball-Derby“ genannt würden. 1913, war dann, wieder von ungarischer Seite, anlässlich eines Aufeinanderdreffens der Meistermannschaften Rapid-Ferencváros vom stellvertretenden „Fußballderby“ zwischen Wien und Budapest die Rede. Wettspiele zweier Teams aus einer Stadt (hier Sparta und Slavia aus Prag) wurden spätestens seit 1914 als „Fußballderby“ bezeichnet, solche von Klubs aus demselben Wiener Bezirk (hier Hertha und Rudolfshügel aus Favoriten) seit 1915.[1]

1927 schließlich ist erstmals vom „Fußballderby“ als Spitzenspiel zweier Wiener Teams die Rede, bei dem der „Wiener Sportplatzbesucher etwa an Rapid gegen Amateure, Rapid gegen Hakoah oder ein ähnliches Schlagermatch denkt“. Spätestens 1928 wurde der Begriff zum erstem Mal in seiner heutigen Bedeutung, also eingeschränkt auf Grün-Weiß und Violett verwendet.“[2]

Mit dem vermehrt in den 1960er-Jahren einsetzenden Abstieg bzw. der Auflösung von Wiener Vereinen und dem daraus resultierenden Wegfall einiger „Wiener Derbys“ aus dem Spitzenfußball (WAC, Admira, Wacker, Erster Simmeringer Sportklub, zuletzt Wiener Sport-Club und Vienna) im Zuge der „Verösterreicherung“ des Fußballs (Staatsliga ab 1949, erste Nicht-Wiener Meister Linzer ASK 1964/1965), ist der Begriff „Wiener Derby“ heute mit dem Duell Rapid gegen Austria synonym, und wird in der Folge so verwendet (jüngst spricht man auch vom „Großen“ (Rapid gegen Austria) bzw. vom „Kleinen Wiener Derby“ zwischen der Vienna und dem Wiener Sport-Club, das auch als „Derby of Love“ bezeichnet wird).

Derbybilanz: Rapid führt, Austria holt auf

Von den 317 (Stand: Saison 2015/16) bisher ausgetragenen Bewerbsspielen (inklusive Supercup) zwischen grün und violett gewann Rapid 131, die Austria 115 Aufeinandertreffen. In den Derbys um die Meisterschaft setzte sich der SCR durch (120:97), was aber den Cup betrifft der FAK (18:10). Auch die bei Pokalduellen in der Verlängerung gefallenen Entscheidungen gingen mehrheitlich an Violett, und das, obwohl in Entscheidungsspielen taugliche Eigenschaften wie Kampfkraft, Beharrlichkeit oder Nervenstärke der Spielkultur von Grün-Weiß eher zugeschrieben werden. Bilanziert man zusätzlich die 43 Turnier- und Testmatches sowie ein nicht gewertetes Spiel (das der SCR in der abgebrochenen und nicht gewerteten Kriegsmeisterschaft 1944/45 mit 3:1 für sich entschied), führt auch dort Rapid mit 21:12 Siegen. Den Hallenfußball (1959-2009) dominierte wiederum die Austria. In den bislang 57 Derbys gingen die Veilchen 32 Mal als Sieger vom Parkett, die Grünen gewannen nur halb so oft.

Gewann Rapid vor 1945 noch 46 der 73 Derbies, führt violett die Wertung danach mit 87:85 Siegen knapp an. Die 1950er-Jahre sahen letztmals eine klare grüne Dominanz – der SCR gewann 14 von 22 Spielen – bevor der FAK in den 1960ern und 1970ern den Spieß umdrehte und mit 12:10 bzw. sogar 18:9 Siegen Oberhand behielt. Die 1980er waren von gleich starken Rivalen geprägt, mit einem leichten violetten Übergewicht von 16:15 Siegen. In den 1990er-Jahren war wieder Rapid deutlich erfolgreicher (13:7). Seit der Jahrtausendwende hat erneut die Austria die Nase mit 24:19 Siegen vorne.

Derbys, die Geschichte machten

Das erste Wiener Derby Rapid gegen Austria fand am 8. September 1911 in der ersten Runde der erstmals ausgespielten Meisterschaft statt. Auf dem WAC-Platz siegte der SCR mit 4:1.

Der höchste Sieg in einem Wiener Derby ereignete sich am 2. Juli 1916: Rapid gewann auf der Pfarrwiese 9:0.

Nach sechsjährigem Anlauf errangen die Amateure am 11. November 1917 auf eigenem Platz endlich ihren Jungfernsieg gegen Rapid (1:0).

Am 3. Juni 1923 wurde erstmals ein Derby abgebrochen. Beim Stand von 2:0 für die Amateure war Rapid vor 30.000 Zuschauern auf der Hohen Warte aus Empörung über einen Ausschluss von Ferdinand Wesely abgetreten, das Match wurde als Freundschaftsspiel zu Ende gespielt und mit 3:0 für violett strafverifiziert.

Denkwürdig war das Match am 16. Mai 1937, welches beim Stand von 5:0 für die Austria frühzeitig beendet werden musste, weil nach Ausschlüssen und Verletzungen nur noch sechs Rapid-Spieler auf dem Feld standen.

Am 23. August 1942 gewann der SCR im Praterstadion sogar 10:1, wobei sich dieser Kantersieg durch die Repressalien relativiert, welche die Austria als „jüdisch“ etikettierter Klub während der NS-Diktatur erleiden musste.

Als „Jahrhundertderby“ wird das Aufeinandertreffen am 17. September 1950 bei strömendem Regen vor 55.000 Zuschauern im Praterstadion bezeichnet: 2:0 – 3:4 – 4:5 – 7:5 für Rapid.

Der größte Triumph der Austria ereignete sich am 11. Oktober 1969. Angeführt vom späteren Rapidler Josef Hickersberger, der 3 Tore erzielte, siegte die Austria im Praterstadion mit 6:0.

Ein anderer Abbruch geschah am 29.9.1973: Zunächst schied Rapid-Torhüter Adolf Antrich vor 30.000 Zuschauern beim Stand von 1:0 für Grün-Weiß nach einem Foul des Austrianers Julio Morales verletzt aus – ein Feldspieler musste zwischen die Pfosten. Kurz danach fiel der Ausgleich zum 1:1. Daraufhin stürmten Fans beider Teams das Feld. Erstinstanzlich wurde das Match mit 3:0 für den Gastverein Rapid gewertet, in der Revision allerdings eine Neuaustragung angeordnet, welche die Austria am 1. Dezember 1973 in der Südstadt mit 3:1 gewann.

Aus den 1980er-Jahren bleiben vor allem zwei dramatische Cupfinali in Erinnerung. Am 13. Juni 1985 stand es vor 16.000 Zuschauern im Gerhard-Hanappi-Stadion 3:3 n.V., Rapid setzte sich im Elfmeterschießen knapp 6:5 durch. Ein Jahr später, am 6. Mai 1986 revanchierten sich die Veilchen mit einem 6:4 n.V. (2:1, 3:3) am selben Ort. Ein besonders trefferreiches Derby fand am 10. März 1990 im Hanappi-Stadion statt: Rapid siegte mit 6:3.

Freud und Leid verbinden Rapidler mit dem 26. Mai 2005. Nicht nur wurde das Derby vor 46.000 Zuschauern mit 0:1 verloren, auch ein besonders brutales Foul vom Torhüter der Violetten, Joey Didulica, an Rapid-Stürmer Axel Lawaree trübte die Stimmung an diesem Tag, als Rapid nach dem Spiel zum 31. Mal die Meistertrophäe überreicht wurde.

Der fünfte und bislang letzte Abbruch ereignete sich am 22. Mai 2011, als Rapidfans aus Frust beim Stand von 0:2 nach 26 Spielminuten den Rasen des Hanappi-Stadions stürmten. Das Match wurde „am grünen Tisch“ mit 3:0 für die Austria gewertet.

Wurzeln, Geschichte und Gegenwart der Rivalität

Frühe Förderer der ersten Rapidler waren die Cricketer, von denen sich 1910 aber auch der Wiener Amateur SV (ab 1926: FK Austria) abspaltete. Ungeachtet dieses gemeinsamen Geburtshelfers stand Rapid für den „einfachen Mann“ aus dem Wirtshaus der Vorstadt, die Amateure für das Bürgertum aus den Ring-Cafés. Als die Violetten 1914 ihre Spielstätte in den Hietzinger Bezirksteil Ober St. Veit verlegten, kam zur sozialen die Bezirksrivalität hinzu, weil auch Rapid seit 1912 im damals 13. Bezirk Zuhause war, eben auf der Pfarrwiese in Hütteldorf. In den 1970er-Jahren sollte diese räumliche Unverträglichkeit zwischen Grün-Weiß und Violett erneut Bestätigung finden: die Austria startete einen letztlich erfolglosen Versuch, ins Weststadion einzuziehen, das die Gemeinde Wien Rapid zugeeignet hatte.

Die 1920er-Jahre brachten erste Erfolge für Violett, der FAK wuchs zum Titelrivalen von Rekordmeister Rapid. Dabei halfen jüdische Geschäftsleute und teure Legionäre, wie die Budapester Brüder Konrád, was der Rivalität antisemitische und antikapitalistische Noten gab, die bis heute bestehen, obwohl auch bei Rapid mehrere Spieler, Funktionäre und Geschäftspartner jüdischer Herkunft und auch die Hütteldorfer ein führender Profiklub waren. Seither ist auch die Rede von der „armen“ Rapid, die den eigenen Nachwuchs pflegt und der „reichen“ Austria, die Stars kauft.

Nationalitätenkonflikte aus der Monarchie hallten ebenfalls nach: Die von den Söhnen tschechischer Zuwanderer geprägte Rapid stand gegen „magyarisierte“ und „jüdische“ Amateure. Gleichzeitig festigte sich die Auffassung von gegensätzlichen Spielkulturen: Während Rapid der Ruf des stets körperbetonten und laufbereiten, auf den Endzweck fokussierten Kollektivs vorauseilte, sah man in den Amateuren filigrane und launische Egozentriker, deren Ballverliebtheit den Weg zum Tor mitunter auch zum Ziel machte. Auch hier schwang ein antijüdisches Klischee mit: jenes vom geistig zwar wendigen, körperlich aber schwachen und jedenfalls unberechenbaren Juden. Obwohl schon damals widerlegt (der Ringer Karl Sesta bei Austria, die „Diva“ Josef Bican bei Rapid) und durch die Entwicklungen von Profitum, Profitdenken und Medienfußball obsolet, gelten diese Zuschreibungen bis heute.

Das sukzessive Wegbrechen aller anderen Wiener Vereine aus dem österreichischen Spitzenfußball seit den 1960er-Jahren ließ schließlich nur zwei Wiener Gegner über: Rapid und Austria. Das polarisierte zwar, verband aber auch gegen die gleichzeitig erstarkende Provinz. Privat waren vor allem die Spieler ohnehin oft befreundet, stammten sie doch aus denselben Sozialmilieus und stellten traditionell auch den Stamm der Nationalmannschaft. So drückte etwa eine Abordnung des FAK unter Führung von Herbert Prohaska beim Cupfinale am 8. Juni 1976 zwischen Rapid und dem Favoriten SSW Innsbruck mit Rapid-Kappen im Praterstadion für Grün-Weiß. Immer wieder gab es zudem Spieler und Trainer, die (auch) direkt von Rapid zu Austria, oder umgekehrt wechselten. In den 1970-er Jahren fanden zwischen den Managern Josef Walter (Austria), Heinz Holzbach und Fritz Grassi (beide Rapid) sogar Fusionsgespräche mit dem Ziel statt, einen europäischen Großklub zu schaffen. Sogar Allianzen von Hooligans beider Klubs sind unter der Bezeichnung „Eisern Wien“ seit den 1980er-Jahren zu beobachten.

Nichtsdestotrotz entwickelte sich nach 1968 mit der jugendlichen Fankultur ein neues, starkes Rivalitätsbewußtsein, das gegen den Rivalen gerichtete Vandale- und Gewaltakte als Ausdruck von emotionaler Bindung und Unterstützung des eigenen Vereins versteht, und damit die Nachfolge des „zornigen jungen Mannes“ aus dem Proletariat angetreten hat, der mit dem gesellschaftlichen Wandel der 1950er-Jahre verschwand. Insbesondere ist das seit dem Aufkommen der Ultras-Ideologie der Fall (zuerst Ultras Rapid Block West 1988). Seither werden frühere Stereotypen der Gegnerschaft aufgegriffen: im Klima der „Ausländer Raus“-Kampagne der frühen 1980er-Jahren etwa erneuerte sich das Stigma des FAK als „Judenklub“, jenes des SCR als Verein der Zuwanderer (einst Tschechen, dann Jugoslawen). Durch die Neoliberalisierung auch des heimischen Profifußballs seit dem Fall Bosman (1995) wurde für einige Jahre die antikapitalistische Positionierung Rapids als „arme“, aber traditionsbewusste Alternative zur „reichen“ Austria des Industriellen Frank Stronach wieder aktuell. Die ultraorientierten Fangruppen beider Vereine beanspruchen die Vertreterschaft der Stadt für sich, was die Rivalität in den letzten Jahren vom Stadion auf die Straße, vom Match in den Alltag erweiterte, zur Besitznahme öffentlicher Räume durch Aufmärsche und Graffiti, aber auch zu vereinbarten Schlägereien oder Überfällen auf Fanlokale führt. Dabei erreicht dieses intensive Rivalitätsverständnis eine gewisse Breitenwirkung auch auf gemäßigte Fans und Anhänger beider Klubs. Selbst Spieler (zum Beispiel Didulica) und Funktionäre lassen sich vor und nach Wiener Derbys davon zumindest medial in den Bann ziehen.

Derbystars

Josef Uridil und Matthias Sindelar, die ersten Popstars des Wiener Fußballs und natürlich auch die Stars der Wiener Derbys ihrer Zeit, galten zudem als Idealtypen in Grün und Violett, was schon ihre sprechenden Beinamen bezeugen: Rapids bulliger Goalgetter Uridil wurde „Tank“, der schmächtige Ballkünstler der Amateure, Sindelar, „Papierener“ gerufen. Uridil etwa matchte sich gerne mit dem deutschen Torwarthünen der Amateure, Lohrmann. Letzterer saß aber beim Derby am 16. September 1923 buchstäblich am längeren Arm und schlug Rapids Stürmerass beim Herauslaufen spitalsreif. Da Uridil aber Uridil war, fand die Wuchtel bei diesem Zusammenprall trotzdem zum entscheidenden 3:1 für Rapid ins Netz.

Der Spieler mit den meisten Einsätzen im Wiener Derby ist aktuell der Deutsche Steffen Hofmann, der zwischen 2002/2003 und 2015/2016 bisher 56 Mal für Rapid auflief. Erich Obermayer hat für die Austria zwischen 1971/1972 und 1988/1989 insgesamt 51 Derbys gespielt. Anzumerken ist hier freilich wieder die Relativität der Einsatzstatistiken, da mit der 1974 eingeführten Zehnerliga nicht mehr nur zwei, sondern vier Derbys pro Saison ausgespielt wurden. Die erfolgreichsten Torschützen des Wiener Derbys heißen Franz „Bimbo“ Binder, der gegen Violett 21 Mal traf, bzw. Andreas Ogris, der Rapid 15 Tore schoss.

Literatur

  • Edgar Schütz, Domenico Jacono, Matthias Marschik, Hg.: Alles Derby! 100 Jahre Rapid gegen Austria. Göttingen: Werkstatt 2011.

Weblinks

Einzelnachweise