Werner Vogt

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Daten zur Person
Personenname Vogt, Werner
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 368133
GND 138253579
Wikidata
Geburtsdatum 3. Februar 1938
Geburtsort Zams (Tirol) 4108919-4
Sterbedatum 11. November 2023
Sterbeort Stockerau (Niederösterreich) 4057645-0
Beruf Unfallchirurg, Autor, Sozialreformer, Gesundheitsreformer
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle
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Recherche
Letzte Änderung am 4.04.2024 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
  • 9., Bleichergasse (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (Verleihung: Dezember 2002, Übernahme: 16. Dezember 2002)


Werner Vogt, * 3. Februar 1938 Zams (Tirol), † 11. November 2023 Stockerau, Unfallchirurg, Autor, Sozial- Gesundheitsreformer.

Biografie

Herkunft und frühe Jahre

Vogt kam 1938 im Tiroler Inntal im Krankenhaus Zams auf die Welt. Seine Kindheit und Jugend waren vom Nationalsozialismus und der NS-Zeit geprägt. 1952 besuchte er ein Internat in Feldkirch und machte an der Lehrerbildungsanstalt in Feldkirch die Matura. Aufgrund eines Lehrermangels schob er seinen Präsenzdienst auf und fing 1957 in Bregenz als Lehrer an zu arbeiten. Nach Differenzen mit dem Direktor wurde er nach Bersbuch versetzt, doch bereits nach einem Schuljahr zog er nach Wien, um zu studieren. Zunächst unentschlossen, wechselte er im Frühjahr 1959 zum Medizinstudium und lernte dabei auch seine spätere Frau kennen, die er 1962 heiratete. Kurze Zeit darauf kam die erste Tochter zur Welt, zwei weitere Kinder sollten folgen.

1969 schloss Vogt sein Studium mit dem Rigorosum ab. Hatte er seinen Lebensunterhalt zuvor mit Gelegenheitsarbeiten und als Sekretär der Österreichischen Hochschülerschaft an der Uni Wien verdient, trat er nach der Promotion den Spitalsdienst im Unfallkrankenhaus Webergasse, dem Stammhaus von Lorenz Böhler, an. Dort arbeitete er zunächst als Jörg Böhlers Vorlesungsassistent, erfuhr jedoch erst viel später von dessen NS-Vergangenheit und verlor diese Stelle, als Böhler über Vogts gesundheitspolitischem Engagement informiert wurde.

Vogt absolvierte 1972 an der Universitätsklinik München eine acht Monate dauernde orthopädische Ausbildung in der Klinik Harlaching. Zudem machte er am IHS ein Zweitstudium in Gesundheitspolitik und kam so erstmals mit der Rolle der Medizin im Nationalsozialismus in Kontakt. Mit Böhler entwickelten sich infolgedessen weitere Probleme, nachdem Vogt sich öffentlich positiv über Kreisky geäußert hatte, den Böhler ablehnte und in weiterer Folge Vogt verbat, weiterhin öffentlich zu schreiben.

Gesundheitspolitisches Engagement

Vogts Mitwirken als Diskussionspartner im Film "krank" (1974) von Götz Hagmüller sorgte für großes Aufsehen und weitere Schwierigkeiten im beruflichen Umfeld. Gemeinsam mit den am Film Beteiligten und weiteren Mithelfenden gründete er am 20. November 1974 im Café Votiv die "Arbeitsgemeinschaft Kritische Medizin und Volksgesundheit", die tags darauf von Ernst Berger als Verein angemeldet wurde. Diesem gehörten Ärzte, Schwestern und Pfleger an. Nach der Ausstrahlung des Filmes im November 1974 erhielt Vogt zudem eine Kolumne in der Kronenzeitung, "Risikofall", die er bis März 1975 führte. Darin äußerte er sich kritisch zum Gesundheitssystem. Als Kolumnenschreiber war auch auch für die Zeitschriften Profil und Falter tätig.

Vom 1. August 1974 bis zum 31. Jänner 1977 absolvierte Vogt an der 1. Chirurgischen Abteilung in Lainz das Gegenfach "Allgemeinchirurgie". Der rote Ärztebetriebsrat wollte die Aufnahme des "Unruhestifters" verhindern, was allerdings nicht gelang. Im Februar 1977 kehrte er ins Lorenz-Böhler-Krankenhaus zurück. Obwohl der Konflikt mit Jörg Böhler nicht gelöst war, stellte ihm dieser ein tadelloses Zeugnis aus und so wurde Vogt im März 1977 zum Facharzt für Unfallchirurgie ernannt.

Im Oktober 1978 nahm Vogt an einer im Auftrag der Regierung Kreisky organisierten dreiwöchigen Reise nach Mittelamerika teil, um Flüchtlingen aus Nicaragua ärztliche Unterstützung zukommen zu lassen. Nach der Rückkehr der Ärztedelegation gründete Vogt das österreichische Solidaritätskomitee für Nicaragua mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung. Die "Arbeitsgemeinschaft Kritische Medizin und Volksgesundheit" übernahm hierbei die Logistik, wickelte die Verwendung und Verteilung der Mittel ab. Von 1979 bis 1991 flossen über das Solidaritätskomitee rund 47 Millionen Schilling nach Mittelamerika.

Affäre Gross und NS-Medizin

Ab Jänner 1979 war Werner Vogt mit der Geschichte der NS-Medizin in Österreich und mit den Kindermorden am Spiegelgrund befasst. Er trug maßgeblich zu der weitreichenden Aufarbeitung der Verbrechen vom "Spiegelgrund" bei. Friedrich Zawrel, der als Kind unter anderen von Heinrich Gross am Spiegelgrund gequält und gefoltert worden war und Jahre später aufgrund eines von Gross verfassten psychiatrischen Gutachtens zu einer unverhältnismäßig hohen Haftstrafe verurteilt worden war, machte Vogt auf die Vergangenheit des prominenten Gerichtspsychiaters aufmerksam. In Folge rief die "Arbeitsgemeinschaft kritische Medizin" zu einer "Sternfahrt" nach Salzburg ein, wo Gross bei einer Arbeitstagung für forensische Medizin über die "Tötungsdelikte von Schizophrenen" referieren sollte. Rund fünfzig Ärztinnen und Ärzte, Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Wien, Graz, Innsbruck und Salzburg reisten am 20. Jänner 1979 zur Landesnervenklinik Salzburg, verteilten ein von Vogt geschriebenes Flugblatt an die Tagungsteilnehmer*innen und verlangten Einlass zur Tagung, die vom Salzburger Psychiater und ehemaligen SSler Gerhart Harrer veranstaltet wurde. Vogt konfrontierte die Tagungsteilnehmer*nnen mit den Tötungsdelikten an Geisteskranken in der NS-Zeit. In weiterer Folge klagte Gross Vogt wegen "übler Nachrede", woraufhin Vogt zunächst verurteilt wurde. Im März 1981 wurde das Urteil allerdings vom Dreiersenat aufgehoben. Friedrich Zawrel wurde am 3. September 1981 mit Hilfe der "kritischen Medizin" aus dem Gefängnis in Stein entlassen und fungierte in weiterer Folge als Kronzeuge im Prozess Gross gegen Vogt. Gegen Gross, der über Jahrzehnte rund 12.000 Gutachten an die Strafgerichtsbarkeit geliefert hatte und auch politisch gut vernetzt war, wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Erst Ende 1997 kam es zu der Einleitung eines Strafverfahrens wegen Mordes an neun Kindern im Sommer 1944 gegen Gross, der Prozess wurde kurz nach Beginn der Verhandlung im März 2000 wegen "fortgeschrittener Hirndemenz" des Angeklagten nicht weitergeführt.

Weitere Tätigkeiten

1981 war Vogt erneut für das Solidaritätskomitee für Nicaragua tätig. Im Dezember 1985 wurde er nach dreijähriger Zusatzausbildung und auf Vorschlag des Betriebsrates neben seiner oberärztlichen Tätigkeit zum Betriebsarzt des Lorenz-Böhler-Krankenhauses ernannt und richtete dort eine Rückenschule ein. Beim Aufstand in Rumänien im Dezember 1989 leistete Vogt im Rahmen einer Hilfsaktion gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen Hilfe vor Ort. Im Jänner 2000 verließ Vogt das Lorenz-Böhler-Krankenhaus und beendete seine fachärztliche Laufbahn. Gleichzeitig schloss er seine Ordination und stellte seine Tätigkeit als gerichtlich beeideter Sachverständiger ein. Zwischen 2003 und 2006 hatte er auf Ansuchen der damaligen Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann, die ihm bereits im Dezember 2002 das "Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien" verliehen hatte, die Stelle des Pflegeombudsmanns inne, die jedoch 2006 von der neuen Stadträtin Renate Brauner wieder aufgelöst wurde. Zudem war er über Jahre hinweg Begleit- und Sportarzt der Rennläufer des österreichischen Skiverbands und bei Trainingslagern und Wettkämpfen dabei. Auf Einladung des Sportmediziners Robert Lugscheider war er auch vier Jahre lang in der Maroltingergasse Teil des Ärzteteams bei Rapid Wien. 2019 wurde er von der Österreichischen Liga für Menschenrechte für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Im April 2022 führte Vogt gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lorenz-Böhler-Krankenhauses und 50 Organisationen, darunter roten und schwarzen Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften und hunderten Prominenten das Volksbegehren "Sozialstaat Österreich" durch, das zwar ein Erfolg war, aber aus politischen Gründen nicht umgesetzt wurde. Werner Vogt, der in Oberolberndorf (Niederösterreich) gelebt hatte, verstarb am 11. November 2023 im Landesklinikum Stockerau.


Literatur

Weblinks


Werner Vogt im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.