Ringstraßenwettbewerb Projekt Nr.85

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Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Wettbewerb
Datum von 31. Jänner 1858
Datum bis 31. Juli 1858
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 43952
GND
WikidataID
Objektbezug Ringstraße, Glacis
Quelle
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Letzte Änderung am 6.12.2022 durch WIEN1.lanm08jan

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Devise: "Stadterweiterung" mit dem Zeichen eines Hygieia-Stabes


Verfasser: Moritz Löhr


Projekt Nr. 85 von Moritz Löhr wurde ebenso wie jenes von Ludwig Zettl kurz vor Ausstellungsbeginn am 18. Oktober 1858 in den Kreis der Wettbewerbselaborate einbezogen. Obschon das Projekt nach hitzigen Diskussionen der Jurymitglieder als unberechtigte Arbeit angesehen wurde, überbrachte der Berichterstatter Stadtbauamtsadjunkt Joseph Melnitzky nach der Sitzung am 20. November 1858 – bei Abwesenheit von Moritz Löhr – die Mitteilung, dass der "Plan zur Anerkennung in anderweitiger Weise empfohlen"[1] würde. Wie auch das Projekt von Zettl wurde Löhrs Projekt, obschon als eines der besten erkannt, aus der engeren Wahl entnommen.


Städtebaulicher Entwurf

Moritz Löhrs Boulevard führte mit fünf Knicken rund um die innere Stadt und stieß an beiden Enden in rechtem Winkel auf den Donaukanal, wo er über Brücken mit der Leopoldstadt verbunden wurde. Den Boulevard legte er vor den Stadtgraben, teilweise über die Bastionen und nützte gleichzeitig die Gräben als Souterrains von Markthallen und Gebäuden. Aus ökonomischen Gründen, er war Mitarbeiter im Handelsministerium, schlug er nur die notwendigsten Regulierungen in der inneren Stadt vor, da diese zu kostspielig würden und der Verkehr ohnehin durch den Boulevard, den Kai und mehrere Radialstraßen aus dem Zentrum abgeleitet werden könnte. Neben dem 40 Klafter breiten Boulevard schlug er eine parallele "Umwallungsstraße" und eine zusätzliche Esplanade entlang des linken Wienflussufers vor. Bei den Straßenbreiten hielt er sich an die Vorgaben, er verbreiterte jedoch die Hauptverbindungsstraßen zwischen Stadt und Vorstädten auf 16 Klafter. Löhr, nach dessen Planungen zu jener Zeit der Bahnhof der Kaiserin-Elisabeth-Westbahn vor der Mariahilfer Linie ausgeführt wurde und knapp vor der Fertigstellung stand, legte bei seinen gesamtstädtischen Planungen besonderes Augenmerk auf die infrastrukturelle und eisenbahntechnische Verbesserung Wiens. Die Regulierung des Donaukanales sah er nicht nur im Bereich der inneren Stadt, sondern auch flussabwärts vor, wo er neben der Errichtung eines breiten Kais und dem Neubau einer Brücke "für Baugründe wohl geeignetes Terrain von sehr großer Ausdehnung" gewinnen würde. Der Boulevard diente als Richtungsgeber für die Quartiere, die sich in meist orthogonalen Rasterformationen anschlossen. Während sich das von Wohnbauten eingefasste Stadthaus, das von drei Monumentalbauten umfasste Opernhaus sowie der von zwei Gymnasiumsbauten flankierte Platz der Votivkirche zum Boulevard hin öffneten, blieben die Gartenanlage im Südosten und die Palastgruppe südlich des Exerzierplatzes in sich geschlossen. Entlang des gradlinig regulierten Donaukanals bei der neuen Kaserne füllte ein regelmäßiger Raster das Gebiet in dichter Bebauung aus. Es wurde eine Kreuzung als diagonaler Platz ausgebildet und – der einfachsten Logik folgend – ein Block als grüner Quartiersplatz mit Bebauung ausgespart. Im Südosten legte er mit dem großen Ensemble eine von Wohnbauten umschlossene großzügige Gartenanlage vor. Diese Wohnbauten hätten mit ihren Arkaden einen zweigeteilten Grünraum umschlossen, der westlich durch mehrere Boskette und östlich durch einen Rasenplatz – alle mit Brunnen versehen – gestaltet sein sollte. Als Referenzbeispiele für seine Platz- und Parkanlagen, die von Arkaden begrenzt worden wären, nannte Löhr den Markusplatz in Venedig und das Palais Royal in Paris. Für die Anwohner sah er darin die Qualität, daß sie "in größter Nähe einen schattigen, kühlen und staublosen Spaziergang" absolvieren könnten. Die Regulierungen der inneren Stadt schlug er an den allgemein als neuralgisch bezeichneten Orten (Stock-im-Eisen-Platz, Bürgerspital-Durchbruch, Jakoberhof, Ballhausplatz, Am Hof u. a.) vor und verband gleichzeitig die eine oder andere Regulierung am Rande der inneren Stadt mit den neuen Stadtquartieren am Glacis. In gleicher Weise verfuhr er beim ehemaligen Jesuiterhof und den angrenzenden Straßen und Blöcken in der Vorstadt Gumpendorf. Neben der architektonischen Ausformulierung der Bauten spielte für Löhr auch die Freiraumgestaltung eine wichtige Rolle. "Anmuthige Gartenanlagen, Baumpflanzungen, Fontainen und Werke der Bildhauerkunst müßten sich den Prachtgebäuden anschmiegen.“ Löhr war als Ingenieur und Architekt sowie als Leiter der Hochbauabteilung im Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten in den lokalen Gepflogenheiten erfahren genug und kannte die Wiener Gegebenheiten. Vielleicht war das der Grund, warum er manchmal in sehr kleinen Dimensionen plante. Seine bewusst vorsichtige und diplomatische Art drückte sich am besten darin aus, dass er in vielen Alternativen dachte und auf dem Plan Klappen anbrachte, mit denen er seinen Stadterweiterungsentwurf um mehrere Varianten und Ausbaustufen anreichern wollte. Löhr fügte seinem Projekt drei Zeichnungen bei, die die Fassaden von wichtigen Bauten zeigen. Seine erste Ansicht untertitelt mit "Links vom Burgthore" zeigt die von den Bauten der Arcieren-Leibgarde und dem General-Kommando gefassten Hofstallungen. Auf dem Blatt "Zwischen dem Kärnthner- und Burgthore" geht die Blickrichtung stadtauswärts auf die Südseite des Boulevards und die dort befindliche Monumentalgruppe, bestehend aus zentralem Opernhaus, dahinterliegendem Sammlungsgebäude und flankierendem Reichsarchiv (mit Bibliothek) und Museen (mit Geologische Reichsanstalt). Die dritte und letzte Ansicht stellt die Situation "Links vom Kärntherthore" dar. In diesem panoramatischen Schaubild reicht das Bild von der Südseite des Boulevards mit dem Stadthaus, den beiden flankierenden fünfgeschossigen Wohnbauten bis zum Museumsbau am rechten Bildrand. Der Blick in die Vorstädte zeigt nicht nur die Elisabethbrücke und die dahinterliegende Vorstadt Wieden, sondern lässt auch die Karlskirche und das Belvedere im Hintergrund erkennen. Trotz der fehlerhaften Perspektive und falschen Größenverhältnissen geben die drei Bilder eine Vorstellung von der von Löhr unerwähnten dritten Dimension der Bauten wieder.[2]


Siehe auch:


Quellen


Einzelnachweise

  1. Österreichisches Staatsarchiv, AVA, Präsidialakte, Fasz. 119 ad11801/1858
  2. Zum Ringstraßenwettbewerb siehe: Harald R. Stühlinger, Der Wettbewerb zur Wiener Ringstraße, Birkhäuser, Basel 2015