Israelitischer Frauenverein Greisinnenfürsorge

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Briefkopf des Israelitischen Frauenvereins Greisinnenfürsorge, 1934
Daten zur Organisation
Art der Organisation Verein
Datum von 1870
Datum bis 1938
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 71479
GND
WikidataID
Objektbezug Jüdische Geschichte, Frauenbewegung, Jüdische Frauenvereine
Quelle
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 3.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Bildname Israelitischer Frauenverein Greisinnenfürsorge.jpg
Bildunterschrift Briefkopf des Israelitischen Frauenvereins Greisinnenfürsorge, 1934
  • 1., Wipplinger Straße 18

Frühere Adressierung
  • Polnisch-israelitischer Frauenverein (1870, bis: 1879)
  • Israelitischer Frauen-Wohltätigkeits-Verein für Hausarme (1879, bis: 1910)

Es wurden noch keine Personen erfasst.

Die Karte wird geladen …

48° 12' 45.29" N, 16° 22' 9.26" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Vereinsgeschichte

Der "Israelitische Frauenverein Greisinnenfürsorge" wurde 1870 in Wien unter dem Namen „Polnisch-israelitischer Frauenverein“ gegründet. Die Proponenten und Proponentinnen Oskar Berggruen, „Verteidiger in Strafsachen“, 1870 wohnhaft in 1., Wollzeile 9, Esther Byk, Marie Reis, Rachel Anhauch, "Witwe des F. Anhauch, Wareneinkäuferin", Geschäft: 1., Gonzagagasse 14, wohnhaft 1., Rudolfsplatz 1[1] Marie A. Mintz und R. Reitzes, „sämtliche Kaufmannsgattinnen in Wien“, reichten die Statuten im August 1870 bei der Vereinsbehörde ein. Der Vereinszweck lautete: „a) die Unterstützung der in Wien befindlichen Israeliten polnisch-jüdischer Nationalität, b) die Bestreitung der Krankheits- und Heilungskosten für die in Wien erkrankten aber zum Zwecke ihrer Heilung nach Wien kommenden, armen Israeliten polnischer Nationalität, c) die Bestreitung der Reisekosten für die in Wien zu behandelnden armen Israeliten polnischer Nationalität" (Statut 1870, § 2). Im Jahr 1879 wurde der Vereinsname geändert und der Verein umgebildet. Er hieß nun „Israelitischer Frauen-Wohltätigkeits-Verein für Hausarme“ und hatte den Zweck „hilfsbedürftige, würdige Israeliten polnischer, russischer und moldau-walachischer Nationalität, die sich in Wien dauernd aufhalten, nach Maßgabe der jeweiligen Verhältnisse des Vereines zu unterstützen“ (Statut 1879, § 2). Im Jahr 1886 wurden die Statuten abermals geändert, der Verein hatte nun den Zweck „würdigen Hilfsbedürftigen (…) eine Unterstützung zu gewähren, theils behufs Linderung momentaner Noth, theils auch, um ihnen die Mittel zu einem dauernden Erwerbe zu verschaffen“ (Statut 1886, § 2). Eine weitere Statutenänderung erfolgte 1905. Die zu Unterstützenden waren nunmehr laut § 2 „alte oder erwerbsunfähige Frauen“ und „arme israelitische Wöchnerinnen“ im Rahmen des „Verbandes zur Unterstützung armer israelitischer Wöchnerinnen“. Eine weitere Namens- und Statutenänderung ist mit dem Jahr 1910 datiert. Der Verein hieß nun „Israelitischer Frauen-Verein Greisinnenfürsorge in Wien“. Der Zusatz „für Hausarme“ entfiel. Der Vereinszweck änderte sich nicht[2] Im Jahr 1924 verstarb der jüdische Philanthrop Albert Katscher,*27. August 1838 Brünn, † 25. November 1924 Wien, Lederfabrikant, später Realitätenbesitzer, zuletzt wohnhaft 9., Liechtensteinstraße 15. Er vermachte sein, auf 15-20 Milliarden Kronen geschätztes Vermögen den Institutionen Israelitisches Blindeninstitut (19), dem „Verein zur Unterstützung und Versorgung hilfsbedürftiger Waisen der Israelitischen Kultusgemeinde, dem Israelitischen Taubstummeninstitut und dem „Israelitischen Frauenverein Greisinnenfürsorge in Wien“[3] Darunter befanden sich drei seiner 11 Häuser[4], die er dem „Israelitischen Frauenverein Greisinnenfürsorge“ vermachte, von denen der Verein wegen der gesteigerten Zuwendungen an Mitglieder ein Haus sehr bald veräußern musste[5] Am 18. September 1930 fand eine Generalversammlung des Vereins statt, bei der eine Änderung und „Modernsierung“ der Statuten beschlossen wurde. Im § 2 des Statuts kamen die "Wöchnerinnen" nicht mehr vor, die "alten und erwerbsunfähigen israelitischen Frauen" aber wurden durch Mittel des Vereins weiterhin unterstützt. Zu dieser Zeit hatte der Verein seinen Sitz in 1., Wipplingerstraße 18.[6] Der Verein wurde nach 1945 nicht wieder begründet.

Arisierung und Vereinsauflösung 1938/1939

Die Auflösung des „Israelitischen Frauenvereins Greisinnenfürsorge“ mit dem damaligen Sitz in 1., Strobelgasse 2 und unter Aufhebung seiner Rechtspersönlichkeit Einweisung in die Israelitische Kultusgemeinde Wien erfolgte aufgrund eines Bescheides des Stillhaltekommissars für Vereine, Organisationen und Verbände im Dezember 1938. Das Vereinsvermögen im Umfang zweier Liegenschaften in 14., Sechshauserstraße 98a und 20., Wallensteinstraße 41 wurde vom Stillhaltekomissar eingezogen, das restliche Vermögen in die Israelitische Kultusgemeinde für Fürsorgezwecke eingewiesen. Das gesamte Vermögen betrug im Jahr 1938 79.795,85 Reichsmark, wovon das „unbewegliche Vermögen“, eben die Liegenschaften, in der Höhe von 63.000 Reichsmark eingezogen wurde. Bereits sofort nach dem Anschluss, am 14. März 1938, wurden 159,55 Reichsmark von der SA-Staffel 4, Sturm 33 beschlagnahmt (Vermögensbilanz per 12. August 1938).[7]

Eigentumsverhältnisse: Arisierung und Restitution der Liegenschaft 15., Sechshauser Straße 98a

Das Haus, 1902 in 14., später 15., Sechshauserstraße 98a, KG Rudolfsheim, EZ 1506, wurde im Jahr 1902 auf Betreiben Albert Katschers versteigert[8] Im Jahr 1930 wurde der „Israelitische Frauenverein Greisinnenfürsorge“ Eigentümer der Liegenschaft. Am 15. Dezember 1938 kam die Liegenschaft aufgrund eines Kaufvertrages mit dem Stillhaltekommissar in das Eigentum von Ernestine und Rudolf Hofbauer, Gastwirt, 1946 wohnhaft Klein-Höflein Nr. 37, 1953 3., Gerlgasse 2/4. Der Kaufpreis betrug 33.000 Reichsmark.[9] In seiner Anmeldung entzogenen Vermögens vermerkte der Ariseur Rudolf Hofbauer, dass er an dem Haus eine „Gross-Reparatur im Werte von 7.700 Schilling“ machen ließ. Den Wert der Liegenschaft 1938 gab er mit 50.000 Reichsmark an, den bezahlten Kaufpreis mit 16.500 Reichsmark. Im Jahr 1953 wurde vor der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ein Vergleich geschlossen (Landesgericht für Zivilrechtssachen 59 Rk 149/51, Originalakt nicht mehr existent). Der Antragsgegner hatte der Antragstellerin, Israelitische Kultusgemeinde, die entzogene Liegenschaft sofort zurückzustellen, dafür musste die Israelitische Kultusgemeinde dem Ariseur einen Betrag von 4.700 Schilling bezahlen. Diese Summe (5.051,88 Reichsmark) entsprach laut Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen dem Wert der von den Ariseuren bezahlten „Vermögensabgabe“ und stünde ihnen daher zu[10] Am 10. Juni 1953 kam das Haus wieder in das Eigentum der Israelitischen Kultusgemeinde Wien[11] Das Haus befindet sich im Jahr 2021 noch im Besitz der Israelitischen Kultusgemeinde.

Eigentumsverhältnisse: Arisierung und Restitution der Liegenschaft 20., Wallensteinstraße 41

Albert Katscher erwarb das Haus Wallensteinstraße 51 (?) im Jahr 1899[12] Eigentümer der Liegenschaft, KG Brigittenau, EZ 2343, war seit dem Jahr 1930 der „Israelitische Frauenverein Greisinnenfürsorge“. Es handelte sich laut einer Schätzung der Grundstücksabteilung des Stillhaltekommissars vom 18. August um ein Wohnhaus mit vier Stockwerken, 15 Mietparteien in ein- bis zwei-Zimmer-Wohnungen, einem Geschäftslokal und einer Werkstätte mit einem „Verkehrswert“ von 30.000 Reichsmark. Im Jänner 1939 kam die Liegenschaft aufgrund eines Kaufvertrages mit dem Stillhaltekommissar in das Eigentum von Rudolf und Ernestine Heine. Der Kaufpreis betrug 29.000 Reichsmark[13] In ihrer Anmeldung entzogenen Vermögens vom 6. August 1952 gab die Witwe des Ariseurs Ernestine Heine, Haushalt, 1952 wohnhaft 20., Klosterneuburger Straße 7/3, keinen Zeitpunkt des „Eigentumsüberganges“ an. Unter der Rubrik „Veränderung der Vermögenschaften (…)" steht „Israelitische Kultusgemeinde Wien I,. Schottenring“ (der damalige Sitz der Israelitischen Kultusgemeinde Wien). Als Datum der Entziehung gab sie den 6. August 1952 an. Am 4. November 1952 wurde vor der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ein Vergleich geschlossen (Landesgericht für Zivilrechtssachen 59 Rk 2/52, Originalakt nicht mehr existent). Die Antragsgegnerin hatte im Zuge der Verlassenschaft ihres Mannes Rudolf Heine (Bezirksgericht Innere Stadt, 17A 733/49) der Antragstellerin, Israelitische Kultusgemeinde, die entzogene Liegenschaft sofort zurückzustellen, dafür musste die Israelitische Kultusgemeinde einen Betrag von 29.000 Schilling an Ernestine Heine bezahlen[14] Das Haus befand sich im Jahr 2000 noch im Besitz der Israelitischen Kultusgemeinde[15]

Kündigung eines jüdischen Mieters im Wohnhaus Sechshauserstraße 98a

Mit Sicherheit unter Zwang musste der Verein „Israelitischer Frauenverein Kreisinnenfürsorge“ (sic!) unter seiner Präsidentin Adele Strach und seinem Hausverwalter Anton Weinberger per Brief an das Amtsgericht Fünfhaus (Zl. 1762/1938) den jüdischen Mieter von Tür 14, Samuel Bloch, kündigen und zwar bis zu dem Zeitpunkt „Ultimo November 1938“. Als „Kündigungsgründe“ wurden angegeben: „Die Arier wollen nicht mehr mit dem Juden zusammen wohnen“[16]

Vereinsvorstand 1879

Vereinsvorstand 1910

  • Präsidentin: Klara Klärmann, 1910 wohnhaft 9., Glasergasse 5
  • Schriftführerin: Netty Schreuburg (?)

Vereinsvorstand 1930

  • Vizepräsidentin: Gisela Bodanzky (?)
  • Schriftführerin: Adele Rafael

Vereinsvorstand 1932

Vereinsvorstand 1934

  • Präsidentin: Adele Strach (1934-1938, letzte Präsidentin)
  • Schriftführerin: Adele Rafael[18]

Quellen

Literatur

  • Elisabeth Malleier: Jüdische Frauen in Wien 1816-1938. Wohlfahrt – Mädchenbildung - Frauenarbeit. Wien: Mandelbaum Verlag 2003, S. 138-142.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. siehe Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger : nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k.k. Reichshaupt- u. Residenzstadt [...],
  2. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt. 119, A 32: 9091/1924.
  3. Anno (Linzer) Tages-Post, Nr. 280, 6. Dezember 1924, S. 3.
  4. Anno Wiener Morgenzeitung, Nr. 2081, 4. Dezember 1924, S. 2
  5. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien IV Ac 31 G 2, Karton 559. Handschriftlicher Bericht von Adele Strach Adele, undatiert).
  6. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt. 119, A 32: 9091/1924.
  7. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31 G 2, Karton 559.
  8. Anno Wiener Zeitung 7. Dezember 1902, Nr. 282, S. 617.
  9. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, Referat König, Mappe 3a, Karton 972.
  10. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt 119, A 41: 15. Bezirk, Zahl 26-27.
  11. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, ÖSTA BMF-VS, Abt. 34, Karton 4452, Zl. 176875-34/53.
  12. Anno Neues Wiener Tagblatt, Nr. 151, 14. Juni 1899, S.37.
  13. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, Referat König, Mappe 2, Karton 972.
  14. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt 119, A 41: 20. Bezirk, Zahl 2113.
  15. Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien nach 1945, Hausstammliste, 3. Oktober 2000 (Signatur aus dem Jahr 2000).
  16. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, Referat König, Mappe 4a und 4, Karton.
  17. Anno Wiener Zeitung, Jg. 229, Nr. 204, 3. September 1932, S.1.
  18. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt. 119, A 32: 9091/1924.