Esperantomuseum

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Daten zur Organisation
Art der Organisation Institution
Datum von 1927
Datum bis
Benannt nach Esperanto
Prominente Personen Hugo Steiner
PageID 1973
GND
WikidataID Q686443
Objektbezug Österreichische Nationalbibliothek
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 19.10.2023 durch WIEN1.lanm09fri
  • 1., Herrengasse 9

Frühere Adressierung

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48° 12' 34.05" N, 16° 21' 56.60" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Esperantomuseum und Sammlung für Plansprachen der Österreichischen Nationalbibliothek (1, Herrengasse 9, Clary-Mollard-Palais).

Nach dem Ersten Weltkrieg fand Esperanto großen Anklang in der Bevölkerung. Einer der begeisterten Esperantisten war Hofrat Hugo Steiner. Er eröffnete 1927 das Internationale Esperanto-Museum in Wien. Der Impuls kam von einem Bruder von Ludwig Lazarus Zamenhof, Felix Zamenhof (1868–1933), der auf dem 19. Esperanto-Weltkongress vorschlug, eine internationale Esperantobibliothek zu gründen. Steiner sammelte von Anfang an nicht nur Literatur in und über Esperanto, sondern verschiedene Dokumente – u.a. Fotografien, Plakate, Ansichtskarten, Archivalien und museale Objekte – zum Thema Plansprachen und Interlinguistik.

Die Gründung des Esperantomuseums

Die Institutionalisierung des Esperantomuseums erfolgte in nur wenigen Jahren: 1927 von Steiner als Verein gegründet, wurde es 1928 vertraglich als Museum und Fachbibliothek an der Nationalbibliothek eingerichtet und 1929 durch einen Staatsakt in der Hofburg feierlich eröffnet. Die Zwischenkriegszeit war eine Blütezeit der Esperantobewegung in Österreich, aber auch in vielen anderen, v.a. europäischen Ländern. 1922 gab es in Wien mehr als 70 Esperanto-Kurse, die hauptsächlich von Polizisten, Arbeitern und Katholiken organisiert wurden. 1924 kamen 3.400 Teilnehmer zum 16. Esperanto-Weltkongress nach Wien und 1925 erfolgte in der Bundeshauptstadt der 5. Kongress der Sennacieca Asocio Tutmonda. Ein Teilnehmer dieses Kongresses war auch der spätere Bürgermeister von Wien und Bundespräsident Franz Jonas, der bereits 1922 begonnen hatte Esperanto zu lernen und ab 1926 für mehrere Jahre die sozialdemokratische Esperanto-Zeitschrift La Socialisto redigierte. Auch konservative Politiker schätzten die Vorteile und den Nutzen des Esperanto. Ein besonderer Förderer der Sprache war Johannes Schober, der sich in den 1920er-Jahren aktiv am „Esperanto-Leben“ beteiligte und dadurch auch Hugo Steiner kennenlernte. Auch Ignaz Seipel unterstützte das Bestreben einer internationalen Esperantobibliothek. Vor diesem Hintergrund gelang es Steiner, provisorische Räumlichkeiten im Kellergeschoß des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft in der Liebiggasse 5 zu erhalten. Im Juni 1928 standen die renovierten Stallräume des Kleinmariazellerhofs in der Annagasse 5, dem damaligen Sitz des Rechnungshofs, zur Verfügung.[1]
Zur feierlichen Eröffnung im Prunksaal am 1. August 1929 wurden über 600 Gäste aus mehr als 30 Ländern empfangen. Am 1. Oktober erfolgte die Übersiedlung ins Abraham-à-Santa-Clara-Zimmer im Augustinerstöckl. Im Juni des Folgejahres wurde abermals übersiedelt, diesmal in Räumlichkeiten im zweiten Geschoß der Neuen Hofburg am Heldenplatz, wo Museum und Bibliothek bis zur Schließung im März 1938 verblieben. 1936 sorgte Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg dafür, dass ein zusätzlicher 200 m2 großer Saal genutzt werden konnte.

Das Esperantomuseum im Dritten Reich

Während Esperanto in der Zwischenkriegszeit zu den populärsten Fremdsprachen gehörte, war es dem extrem nationalistischen Lager von Anfang an ein Dorn in Auge.[2] Der stetigen Entwicklung des Esperantomuseums wurde mit dem Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland im März 1938 ein jähes Ende gesetzt. Am 16. März wurde der bisher dem Museum wohlgesonnene Generaldirektor der Nationalbibliothek Josef Bick gefangen genommen und durch den Nationalsozialisten Paul Heigl ersetzt. Steiner versuchte die Leitung über das Museum dem Regierungsrat Fritz Stengel zukommen zu lassen und das Vermögen des Vereins im Falle einer Auflösung der Nationalbibliothek zu übertragen. Bereits am 20. März 1938 wurde das Museum allerdings von der Sturmabteilung (SA) versiegelt und das Sparbuch mit den Einlagen des Vereins beschlagnahmt.[3] Erst nachdem Heigl nachgewiesen hatte, dass das Museum Teil der Nationalbibliothek war, erhielt er nach zwei Monaten wieder Zutritt zu dessen Räumlichkeiten.

Bestände der Bibliothek und des Museums unterlagen einer strikten Sperre, blieben dafür aber im Besitz der Nationalbibliothek. Das Einlaufbuch und der Zettelkatalog wurden von der Gestapo nicht zurückgegeben. 1938/1939 wurden die Räumlichkeiten des Museums von der sogenannten Bücherverwertungsstelle benützt. Tauschanfragen von ausländischen Esperantisten wurden abschlägig beantwortet, die Bestände wären nicht in einem entsprechenden Zustand, um sie aufzuarbeiten und etwaige Dubletten zum Tausch anzubieten. Eine Vernichtung der Sammlung drohte allerdings nicht. Ein Abtransport der Bibliothek sowie der Akten des Österreichischen Esperantovereins nach Berlin ins Reichssicherheitshauptamt (RSHA) wurde durch Paul Heigl verhindert. Damit war dem Esperanto-Museum und seiner Bibliothek nicht dasselbe Schicksal beschieden, wie es andere Esperanto-Institutionen in Europa erlitten.

Die Nachkriegszeit

Nach Kriegsende war es Steiner ein Anliegen, das Museum wieder zu eröffnen. Die Räume, die vor 1938 zur Verfügung gestanden waren, wurden bis 1947 von russischen Besatzungskräften genutzt. Eine Alternative fand sich in den Räumen im dritten Stock des Michaelertrakts der Hofburg. Der Übersiedlung der Sammlung 1947 schlossen sich langwierige Instandsetzungen an, da unter anderem der verloren gegangene Zettelkatalog ersetzt werden musste. Erst 1958 setzte Generaldirektor Josef Stummvoll einen Leiterposten fest, der von Walter Hube (1923–2000) ausgeübt wurde, Steiner wirkte bis zu seinem Tod 1969 ehrenamtlich im Museum.

Modernisierungen

Eine wesentliche Leistung nach dem Zweiten Weltkrieg war der kontinuierliche und systematische Bestandsaufbau. 1967 umfasste die Fachbibliothek des Esperantomuseums 14.500 Bände, 1993 waren es 20.000 Bände. 1990 erhielt die umfangreiche Bibliothek die Bezeichnung „Sammlung für Plansprachen“. Mit Esperanto im Mittelpunkt bezieht sich die Sammlung im Allgemeinen auf Sprachplanung und Plansprachen, also Sprachen, die bewusst nach gewissen Kriterien geschaffen wurden.

2001 wurde Johanna Rachinger zur Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek bestellt und begann 2002 mit Planungen zur Übersiedlung der Bibliothek und des Museums in das Palais Mollard-Clary, die 2005 finalisiert wurde.

Projekte

Die Sammlung für Plansprachen und des Esperantomuseums umfassen zum momentanen Zeitpunkt [Jänner 2022] ca.[4]:

  • 40.000 Flugblätter
  • 35.000 Bibliotheksbände
  • 25.000 Zeitungsausschnitte
  • 22.000 Fotografien
  • 3.700 verschiedene Zeitschriften
  • 3.500 museale Objekte
  • 1.500 Plakate
  • 1.200 Tonträger
  • 72 Vor- und Nachlässe

Um diese Bestände der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und auch für zukünftige Generationen zu bewahren, wurden unterschiedliche Projekte gestartet. Zu nennen sind hier der Bibliothekskatalog "Trovanto" (seit 1996, ab 2018 im Bibliothekssystem Alma und Teil des Gesamtkataloges der Österreichischen Nationalbibliothek QuickSearch), die Bilddatenbank "ÖNB Digital" (über 26.000 Digitalisate und Katalogisate allein aus der Sammlung für Plansprachen) sowie die Digitalisierung der Esperantozeitschriften. Das Esperantomuseum bietet ein vielfältiges Vermittlungsprogramm, Führungen können auch mit einem Esperanto-Workshop bzw. -Kurs kombiniert werden.

Literatur

  • Christina Köstner: Glück im Unglück: Das Esperantomuseum an der Nationalbibliothek Wien 1938-45. In: Language Problems and Language Planning 29/2 (2002), S. 177-186
  • Jan Mokre / Herbert Mayer / Bernhard Fetz / Bernhard Palme: Die musealen Einrichtungen der Österreichischen Nationalbibliothek. In: Change! Zukunft gestalten. Festschrift für Johanna Rachinger. Wien: Phoibos 2009, S. 67-82
  • Bernhard Tuider: Die Sammlung für Plansprachen und das Esperantomuseum der Österreichischen Nationalbibliothek – Geschichte, Bestand und Projekte. In: Bibliothek Forschung und Praxis 41/2 (2017), S. 185-192
  • Österreichische Nationalbibliothek: Über die Sammlung für Plansprachen [Stand: 10.12.2017]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bernhard Tuider: Die Sammlung für Plansprachen und das Esperantomuseum der Österreichischen Nationalbibliothek – Geschichte, Bestand und Projekte. In: Bibliothek Forschung und Praxis 41/2 (2017), S.185-192.
  2. Herbert Mayer: Die musealen Einrichtungen der Österreichischen Nationalbibliothek. In: Change! Zukunft gestalten. Festschrift für Johanna Rachinger. Wien: Phoibos 2009, S. 71.
  3. Christina Köstner: Glück im Unglück: Das Esperantomuseum an der Nationalbibliothek Wien 1938-45. In: Language Problems and Language Planning 29/2 (2002), S. 180.
  4. Webseite der Sammlung für Plansprachen https://www.onb.ac.at/bibliothek/sammlungen/plansprachen/bestaende