Adressbüros

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Daten zur Organisation
Art der Organisation Institution
Datum von
Datum bis
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 62013
GND
WikidataID
Objektbezug Frühe Neuzeit, Langes 19. Jahrhundert
Quelle
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 1.07.2021 durch WIEN1.lanm08pil

Es wurden noch keine Adressen erfasst!

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst.

Es wurden noch keine Personen erfasst.


Adressbüros waren Stätten der institutionalisierten Informationsvermittlung, die ab dem 17. Jahrhundert in vielen europäischen Städten errichtet wurden und deren Basisfunktion in der Vermittlung von Arbeit, Waren, Immobilien und Kapital bestand. Am Ort des Büros eingebrachte Angebote oder Anfragen wurden – meist gegen Gebühr – in ein Register mit Angabe der Adresse der einbringenden Person schriftlich eingetragen, umgekehrt konnten Informationssuchende aus den Registern Auskunft erhalten. In vielen Fällen wurden Auszüge aus den Registern in gedruckter Form in so genannten Intelligenzblättern veröffentlicht, Adressbüros stehen somit am Beginn des Anzeigenwesens.

Von der frühesten dieser Einrichtungen, dem 1630 in Paris durch Théophraste Renaudot gegründeten "bureau d’adresse" ging eine große Vorbildwirkung aus, in der Folge wurden in weiteren Städten derlei Institutionen unter den Namen Adresshaus, Adresscomptoir, Frag- und Kundschaftsamt, Berichthaus, Intelligenzbüro, Intelligenzamt, Notizamt, bureau de rencontre, intelligence oder registry/register office gegründet.

Gründungsversuche im Wien des 17. Jahrhunderts

Versuche, solche Einrichtungen in Wien bereits im 17. Jahrhundert zu errichten, blieben erfolglos. So scheiterte 1636 der baskische Sprachlehrer Johannes Angelus de Sumaran mit seinem Projekt einer Fragstube ebenso wie Wilhelm von Schröder mit seinem 1686 in seiner "Fürstlichen Schatz- und Rent-Cammer" publizierten Vorschlag, die Erbländer der Habsburgermonarchie mit einem als Intelligenzwerk ("Intelligentz-Werck") bezeichneten Netz von Intelligenzhäusern zu überziehen. Auch Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz‘ ähnlich gelagerter Vorschlag der Errichtung so genannter Notizämter blieb unrealisiert.

Das Frag- und Kundschaftsamt

Erfolgreich war in Wien erst die 1707 in Verbindung mit dem Versatzamt (Dorotheum) geschehene Gründung des Fragamts. Ab 1721 publizierte dieses als Teil beziehungsweise – auch separat erhältlicher - Beilage des Wienerischen Diariums das Kundschaftsblatt, das bis 1813 Bestand hatte. Bis zur selben Zeit existierte auch das Fragamt, das in der Anzeigenexpedition der Wiener Zeitung aufging. Insgesamt scheint seine Tätigkeit auf die einer Verkaufsagentur und der Arbeitsvermittlung insbesondere von DienstbotInnen beschränkt gewesen zu sein, eine gewisse Bedeutung kam ihm bei der Immobilienvermittlung zu.

Während des Bestehens des Fragamts gab es in Wien kaum weitere Adressbüros, der Verleger Johann Thomas von Trattner sowie der Schreiber der französischen Zeitung Johann Theodor Gontier scheiterten 1762/1763 mit ihren Plänen, dem Fragamt Konkurrenz zu machen. Das 1770 von Jakob Franz Bianchi gegründete Comptoir der Künste, Wissenschaften und Commerzien bot Auskunftsdienste und Arbeitsvermittlung für Studenten an. Adressbüros vergleichbare Einrichtungen waren die im Februar 1783 am Hohen Markt (Conscriptionssnummer 489) von Wenzel Augustin Wersak eingerichtete "Schreib- und Kopeystube", die Schreibgeschäfte und Übersetzungen besorgte und das etwas später von Wersak gegründete "Dienstanzeigungskomtor", das DienstbotInnen vermittelte. Das ab 1801 von Joseph Schreyvogel und Jacob Holer am Kohlmarkt geführte "Kunst- und Industrie-Comptoir" wiederum bot Kommissionsgeschäfte an, während Hieronymus Loeschenkohl 1804 versprach, in seinem Verkaufsgewölbe am Kohlmarkt Fremden Auskunft zu Fabriken, Handwerkern und Produktinnovationen zu geben.

Nur Projekt blieb demgegenüber das 1802/1803 von einem Konstantin Kirides/Cyrides eingebrachte Ansinnen, ein Amt "allgemeiner Vermittlung" zu gründen, 1803 scheiterte Franz Carl Großhaupt mit seinem geplanten Auskunftsamt zur Wohnungsvermittlung.

Adressbüros im Wien des 19. Jahrhunderts

Nach dem Ende des Fragamt entstanden in Wien eine ganze Reihe von Adressbüros, die sich manchmal auf bestimmte Vermittlungsdienste spezialisierten. Am umfassendsten angelegt war das 1819 vom Herzog Coburgischen Regierungsrat Baron Karl von Steinau und Joseph Jüttner gegründete Anfrage- und Auskunftscomptoir, das ab 1822 von Jüttner gemeinsam mit Joseph Bischof geführt wurde und mindestens bis 1847 (unter der nunmehrigen Bezeichnung einer "ersten allgemeinen Geschäftskanzlei") bestand und unter anderem Fremdenverkehrsinformation avant la lettre betrieb. Für 1841 sind des Weiteren ein "Auskunfts-Protokoll für dienstlose Amtsindividuen" von Josef Frank und ein "Auskunfts-Bureau für musikalische Angelegenheiten jeder Art" von Franz Glöggl dokumentiert.

Im Gegensatz zu den Adressbüros des 18. Jahrhunderts gaben die Vermittlungsbüros beziehungsweise Geschäftskanzleien im 19. Jahrhundert keine Zeitungen oder Anzeigenblätter mehr heraus, sondern kooperierten mit bestehenden Blättern; so veröffentlichte das Anfrage- und Auskunftscomptoir seine Annoncen in der Wiener Zeitung. Gemeinsam war den Büros, dass sie zumeist nicht den besten Ruf gehabt zu haben scheinen, sie wurden skeptisch beäugt und ihnen konnte – wie aus Grillparzers erstmals 1848 veröffentlichter Novelle "Der arme Spielmann" hervorgeht – betrügerische Geschäftemacherei vorgeworfen werden.

Adressbüros als Teil einer vormodernen Informationslandschaft

Aus heutiger Perspektive liegt die Bedeutung der Adressbüros darin, dass sie gemeinsam mit "menschlichen Medien" wie Unterkäufern, Lohndienern, Agenten, (Gesinde-)ZubringerInnen, HausmeisterInnen und weiters den Zettelkästen der Gelehrten, Bibliothekskatalogen sowie der Benutzung von Wirts- und Kaffeehäusern zum Informationsaustausch als Teil einer vormodernen städtischen Informationslandschaft gesehen werden können, die dem Zeitalter der Presse und später der digitalen Medien vorausging.

Literatur