Joseph Schreyvogel

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Daten zur Person
Personenname Schreyvogel, Joseph
Abweichende Namensform West, Thomas; West, Karl August
Titel
Geschlecht männlich
PageID 13547
GND 119368579
Wikidata Q94645
Geburtsdatum 27. März 1768
Geburtsort Wien
Sterbedatum 28. Juli 1832
Sterbeort Wien
Beruf Schriftsteller, Dramatiker
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus
Objektbezug Theater, Burgtheater (Institution), Hoftheater
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
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Letzte Änderung am 19.09.2023 durch WIEN1.lanm08pil
Begräbnisdatum 25. Juni 1912
Friedhof Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 32 A, Nummer 45
Ehrengrab Ehrengrab
  • 8., Strozzigasse 8 (Wohnadresse)
  • 7., Neustiftgasse 9 (Geburtsadresse)
  • 1., Salzgries 186 (Sterbeadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Hofsekretär (1802, bis: 1804)
  • Burgtheatersekretär (1814, bis: 1832)

Joseph Schreyvogel (Pseudonym Thomas West, Karl August West), * 27. März 1768 Wien, † 28. Juli 1832 Wien (laut Sterbebuch der Pfarre Schotten Salzgries 186, entspricht nach dem 1858-1860 erfolgten Abbruch der Häuserzeile heute dem Bereich vor dem Gebäude Concordiaplatz 4-5, die falsche Zuschreibung zur heutigen Adresse Salzgries 16 geht auf den 1862 publizierten Orientierungsplan von Michael Winkler zurück; bestattet ursprünglich Währinger Allgemeiner Friedhof, heute Zentralfriedhof), Schriftsteller, Publizist, Dramaturg.

Biografie

Joseph Schreyvogel war der jüngste dreier Söhne von Gottfried Schreyvogel, einem wohlhabenden Tischlermeister und Holzhändler, und dessen Frau Maria Anna, geborene Beyr. Er erhielt seine Schulbildung am Piaristengymnasium und studierte an der Universität Wien, wo er zumindest das dreijährige Grundlagenstudium abschloss und vermutlich auch juristische Vorlesungen besuchte. Aus einer schweren Lebenskrise im Jahr 1788 heraus beschäftigte sich Schreyvogel intensiv mit den Schriften Immanuel Kants und gehörte damit zu den ersten ernstzunehmenden Kant-Rezipienten Österreichs. Er veröffentlichte philosophisch-politische Aufsätze, zuerst in Leopold Alois Hoffmanns "Wiener Zeitschrift", dann in Johann Baptist Alxingers "Österreichischer Monatsschrift", für die er auch redaktionell tätig war. Als ihm von prominenter Seite (Felix Franz Hofstädter [1741-1814]]) vorgeworfen wurde, mit den Jakobinern zu sympathisieren und "umstürzlerische Pläne" nach französischem Vorbild zu hegen, ging Schreyvogel 1794 nach Jena und Weimar, wo er sich wiederum dem Werk Kants sowie dem Studium der deutschen Klassik widmete. In Christoph Martin Wielands "Teutschem Merkur" konnte er die Prosa "Der Teutsche Lovelace", in Friedrich Schillers "Thalia" das Lustspiel "Die Wittwe" veröffentlichen.

Im Herbst 1796 kehrte Schreyvogel nach Wien zurück. Er erarbeitete in Folge einen Entwurf zur Reformierung der traditionsreichen "Wiener Zeitung", der vom kaiserlichen Hof allerdings abgelehnt wurde. Ein großer publizistischer Erfolg wurde hingegen die von Schreyvogel gegründete und herausgegebene Zeitschrift "Das Sonntagsblatt", für die er unter dem Pseudonym Thomas West viele Beiträge selbst verfasste. Die drei Jahrgänge der Zeitschrift (1807 bis 1809), in der Kämpfe zwischen Aufklärung, Klassik und Romantik mit klarer anti-romantischer Tendenz ausgetragen wurden, bilden bis heute eine wertvolle Quelle zur Wiener Geistesgeschichte.

Schreyvogel, der nach dem Tod seines Vaters ein beträchtliches Vermögen geerbt hatte, betätigte sich auch als Geschäftsmann, indem er sich ab 1802 als Gesellschafter am Kunst- und Industrie-Comptoir beteiligte, das im Jahr davor als Konkurrenzunternehmen zur Kunsthandlung Artaria gegründet worden war. Durch die Liquidierung des Geschäfts 1813 verlor Schreyvogel sein gesamtes Vermögen. Er erlitt einen Nervenzusammenbruch, der es notwendig machte, ihn kurzfristig unter die Kuratel eines Anwalts zu stellen.

Nach seiner Genesung wurde Schreyvogel, der bereits von 1802 bis 1804 die Stelle des Hoftheater-Sekretärs bekleidet hatte, im Jahr 1814 zum Dramaturgen und Präsidialsekretär der k. k. Hoftheater berufen. Unter der Direktion von Moritz Johann zu Nikolsburg Dietrichstein konnte Schreyvogel seine künstlerischen Vorstellungen ohne Einschränkung durchsetzen; er brachte die Werke der deutschen Klassiker auf die Burgtheaterbühne, außerdem die Werke Shakespeares sowie spanische Dramen und Mysterienspiele von Calderon und Lope de Vega, die er zum Teil selbst übersetzte. Über die Vermittlung Gottlieb Leons erkannte Schreyvogel die schriftstellerische und dramatische Begabung Franz Grillparzers, den er fortan förderte und dessen Werke er zur Aufführung brachte. Durch Schreyvogels Schauspielgestaltung und das Engagement berühmter Schauspieler sicherte er dem Burgtheater ein bis dahin unerreichtes künstlerisches Niveau. Neben seiner dramaturgischen Arbeit verfasste Schreyvogel weiterhin literarische Texte und lieferte mit seinen Erzählungen, die zumeist im von ihm selbst redigierten Taschenbuch "Aglaja" erschienen, einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der österreichischen Novellistik.

1832 starb Schreyvogel an der Cholera, kurz nach seiner Versetzung in den Ruhestand, der ein mehrjähriger Konflikt mit Johann Rudolf Czernin, Dietrichsteins Nachfolger als Hoftheater-Direktor, vorangegangen war. Für seinen Grabstein verfasste Grillparzer ehrende Worte.

Schreyvogel besaß von 1791 bis 1793 das Haus 8., Strozzigasse 8 (Erbe nach seinem Vater Gottfried, der das Haus von 1772 bis 1785, beziehungsweise seiner Mutter Maria Anna, die es 1785 bis 1791 besessen hatte). 1885 wurde die Schreyvogelgasse nach Joseph Schreyvogel benannt.

Quellen

Literatur

  • Herbert Zeman [Hg.]: Literaturgeschichte Österreichs von den Anfängen im Mittelalter bis zur Gegenwart. 2. überarbeitete und aktualisierte Auflage. Freiburg im Breisgau / Berlin / Wien: Rombach 2014, S. 481–484
  • Manfred Chobot: Joseph Schreyvogel. In: Beppo Beyerl / Manfred Chobot: Straßen des vergänglichen Ruhms. Dichter auf dem Wiener Stadtplan. Wien: Löcker 2014, S. 164-171
  • Elisabeth Buxbaum: Joseph Schreyvogel. Der Aufklärer im Beamtenrock. Wien: Holzhausen 1995 (Literarhistorische Studien, 10)
  • Gerhard Renner: Die Nachlässe in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek. Wien 1993
  • Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [u.a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
  • Peter Ernst: Wiener Literaturgedenkstätten. Hg. von Felix Czeike. Wien: J & V Edition Wien Verlag 1990
  • Franz Hadamowsky: Wien − Theatergeschichte. Von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1988, Register
  • Peter Csendes [Hg.]: Österreich 1790−1848. Kriege gegen Frankreich, Wiener Kongreß, Ära Metternich, Zeit des Biedermeier, Revolution von 1848. Das Tagebuch einer Epoche. Wien: Brandstätter 1987, S. 208 f.
  • Rainer Zitta. In: Walter Pollak [Hg.]: Tausend Jahre Österreich. Eine biographische Chronik. Band 2: Vom Biedermeier bis zur Gründung der modernen Parteien. Wien / München: Jugend & Volk 1973, S. 70 ff.
  • Adalbert Schmidt: Dichtung und Dichter Österreichs im 19. und 20. Jahrhundert. Band 2. Salzburg: Bergland-Buch 1964, S. 421
  • Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963
  • Hans Markl: Kennst du die berühmten letzten Ruhestätten auf den Wiener Friedhöfen? Band 1: Zentralfriedhof und Krematorium (Urnenhain). Wien: Pechan 1961, S. 98
  • Neue österreichische Biographie. 1815−1918. Band 8. Wien [u.a.]: Amalthea Verlag 1930
  • Franz Gräffer: Kleine Wiener Memoiren und Wiener Dosenstücke. In Auswahl hg. von Anton Schlossar unter Mitwirkung von Gustav Gugitz. München: G. Müller 1918−1922 (Denkwürdigkeiten aus Alt-Österreich, 13/14), S. 493
  • Hans Rotter: Die Josefstadt. Geschichte des 8. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Selbstverlag 1918, S. 434
  • Allgemeine Deutsche Biographie. Hg. von der Historischen Commission bei der königlichen Akademie der Wissenschaften. 56 Bände. Leipzig: Duncker & Humblot 1875−1912
  • Karl Glossy: Theatergeschichtliche Ausstellung der Stadt Wien 1892. Wien: Verlag der Bibliothek und des historischen Museums der Stadt Wien 1892, S. 234 f.
  • Friedrich Slezak: Caroline Beckers, geborene Wölff (1797−1866): Joseph Schreyvogels Tochter. In: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft Folge 3, Band 11, S. 161 ff.
  • Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich. Enthaltend die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate und in seinen Kronländern gelebt haben. 60 Bände. Wien: Verlag der typografisch-literarisch-artistischen Anstalt 1856−1891. Register 1923


Joseph Schreyvogel im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.