Kurt Hiller

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Daten zur Person
Personenname Hiller, Kurt
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 369316
GND 118551132
Wikidata Q66458
Geburtsdatum 17. August 1885
Geburtsort Berlin 4005728-8
Sterbedatum 1. Oktober 1972
Sterbeort Hamburg 4023118-5
Beruf Schriftsteller, Journalist
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Karl Kraus (Portal)
Quelle
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Recherche
Letzte Änderung am 11.04.2024 durch WIEN1.lanm09kka
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle

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Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Kurt Hiller, * 17. August 1885 Berlin, † 1. Oktober 1972 Hamburg, deutscher Schriftsteller, Journalist.

Biografie

Herkunft und frühe Jahre

Kurt Hiller war der Sohn eines jüdischen Fabrikanten. 1903 machte er am Askanischen Gymnasium Berlin sein Abitur als Primus Omnium. An der Berliner Universität begann er Rechtswissenschaften und Philosophie zu studieren. Im November 1907 promovierte er als Externer an der Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg mit seiner Dissertation über "Das Recht über sich selbst". 1904 lernte er den Medizinstudenten Arthur Kronfeld kennen, der literarisch interessiert war und ihm Magnus Hirschfeld vorstellte. Diese Begegnung führte zu Hillers Mitgliedschaft bei der Homosexuellenorganisation "Wissenschaftlich-humanitären Komitee" (WhK) und seinem Engagement am Institut für Sexualwissenschaft. Kurt Hiller gehörte damit gemeinsam mit Magnus Hirschfeld zur ersten Schwulenbewegung, in der sich Hiller von Anfang des Jahrhunderts bis zu seinem Tod engagierte. Auch mit Eva Siewert war er bekannt, die ihn sogar gebeten hatte, das Vorwort für ihr Buch zur weiblichen Homosexualität zu schreiben, was jedoch nicht zustande kam, weil Hiller sich negativ darüber geäußert hatte. Der Kontakt und Briefwechsel kam im Zuge dessen auch zum Erkalten.

Expressionistische Avantgarde und Beziehung zu Karl Kraus

Als freier Schriftsteller konnte sich Hiller in Berlin als ein Pionier des literarischen Expressionismus etablieren. Gemeinsam mit Jakob van Hoddis gründete der die Vereinigung "Der Neue Club", die bald um weitere Mitglieder wie Georg Heym und Ernst Blass anwuchs. Unterstützt von anderen Schriftsteller*innen wie Else Lasker-Schüler veranstalteten sie "Neopathetische Cabarets". Hiller zog sich allerdings aus dem Club zurück und gründete mit Blass das literarische Cabaret GNU, in dessen Rahmen die ersten Frühexpressionisten verkehrten. Beim einem dieser "intimen Abende" trat Hiller am 9. Dezember 1910 neben Ernst Blass, Georg Heym, Jakob van Hoddis und Else Lasker-Schüler auf. Im Publikum befand sich Karl Kraus, der ihm im darauffolgenden Treffen im Café Westens seine Bewunderung für das von Hiller vorgetragene Prosastück "Der Eth" ausdrückte, mit der Frage, ob er es in der Fackel drucken dürfe. Hiller hatte allerdings bereits versprochen, dass Stück unter Herwarth Walden im Sturm veröffentlichen zu lassen. Kraus lud Hiller daraufhin ein, ihm das nächste Manuskript zu schicken, das er für angemessen hielt, in der Fackel abdrucken zu lassen. Im April 1911 veröffentlichte Kraus tatsächlich "Seine Stellung zur Metaphysik" in der Fackel. Hiller kommentierte das 1969 mit einem Satz, der eines seiner berühmtesten Zitate werden sollte: "In der Fackel gedruckt zu werden, war der höchste Orden." Die beiden Männer standen sich auch in ihrer Auffassung von einem Rechtssystem, das auf die individuellen Persönlichkeitsrechte Rücksicht nahm, nahe. Kraus durch seine Schrift "Sittlichkeit und Kriminalität" und Hiller mit seiner Dissertation.

In dieser Frühphase stand Kraus der expressionistischen Avantgarde noch nahe, druckte auch Texte anderer Expressionist*innen in der Fackel ab; etwa von Ernst Blass, Jakob van Hoddis, Else Lasker-Schüler, Erich Mühsam und anderen. Zum Zerwürfnis kam es aufgrund der Auseinandersetzung zwischen Kraus und Alfred Kerr, bei der Hiller Partei für Kerr ergriff. Hiller schrieb nicht nur für Franz Pfemferts "Aktion", an deren Gründung er 1911 mitgewirkt hatte, für "Der Sturm", sondern auch für die Kunst-und Literaturzeitschrift "PAN", deren Alleinherausgeber Kerr war.

Zum endgültigen Bruch kam es mit dem Erscheinen der 2-bändigen Werksammlung "Die Weisheit der Langeweile. Eine Zeit- und Streitschrift." von Hiller im Verlag Kurt Wolff, der gerade dabei war, eine Verlagsbeziehung mit Karl Kraus anzubahnen. Darin verschmähte Hiller Karl Kraus und stellte seine moralische Integrität infrage, was einer der Hauptgründe war, warum Kraus sich veranlasst sah, alle Verträge mit Kurt Wolff aufzukündigen. Zu einer Annäherung kam es erst wieder, als Hiller Kraus' Berliner Vorlesung am 22. November 1913 besuchte und ihm im Anschluss einen versöhnlichen Brief schrieb, in dem er seine neu gewonnene große Bewunderung für Kraus zum Ausdruck brachte und durch Kraus' Vorlesung bekehrt, das bisher über Kraus Geschriebene zurücknehmen wollte:

"Gestern habe ich sie zum ersten Mal lesen hören; ich weiss nun, dass Sie christushaft sind; dass Sie alle Sünden der Anderen auf sich nehmen müssen; dass Sie der Gequälteste und Gütigste sind. […] Ich aber werde (was Sie auch tun), seit der gestrigen Vorlesung, die Kraft haben, Sie nie mehr zu hassen; Sie nur noch zu lieben; so wie ein Mensch, der des Geistes ist, den lieben muss, den er als die stärkste sittliche Macht seines Zeitalters erkannt=erlebt hat."

Auch Hillers Rede im Juni 1926 auf dem 1. Paneuropa-Kongress in Wien, bei dem er Karl Kraus anerkennend erwähnte, trug dazu bei, dass es zu einer Wiederannäherung kam, die schließlich in gegenseitiger Wertschätzung bis zu Kraus Tod resultierte. Sechs Jahre nach Kraus' Tod bezeichnete Hiller ihn in einem Essay "als Denker, Kämpfer und Dichter in einem".

Politisches Engagement und Exil

Gemeinsam mit Armin T. Wegener gründete er den Bund der Kriegsdienstgegner (BdK) und 1920 trat er der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG) bei, zu deren linkem Flügel er gehörte. 1926 gründete er die Gruppe Revolutionärer Pazifisten, mit der er versuchte, seinen Einfluss innerhalb der DFG zu vergrößern, was ihm allerdings nicht gelang. Im Laufe der Jahre wurde Hiller mit zunehmendem Widerstand konfrontiert, den er mit seinen politischen Ansichten vor allem aufgrund seiner Pro-Faschistischen Einstellung Mussolini gegenüber generiert hatte. Auch infolge seines offenes Auftretens gegen die rechtliche Verfolgung von Homosexuellen polarisierte er. Sein Buch "§175: Die Schmach des Jahrhunderts!", das 1922 erschienen war, und in dem er sich gegen die Verurteilung homosexueller Männer nach dem damaligen Paragraphen 175 wandte und für seine Abschaffung, war nichtsdestotrotz innerhalb kürzester Zeit vergriffen.

1929 trat Hirschfeld von seinem Vorsitz des WhK zurück, Hiller wurde zum zweiten Vorsitzenden gewählt, was er bis zur Auflösung des Komitees blieb. Nachdem die Nationalsozialisten die Macht ergriffen hatten, wurde Hiller aufgrund seiner pazifistischen und sozialistischen Ansichten sowie seiner jüdischen Herkunft und Homosexualität insgesamt drei Mal verhaftet und in den Konzentrationslagern Columbia-Haus, Brandenburg und Oranienburg inhaftiert, wo er auch gefoltert wurde. 1934 konnte er nach seiner Entlassung nach Prag fliehen, wo er seinen Partner Walter D. Schultz traf und floh 1938 weiter nach London. Auch im Exil war Hiller weiterhin politisch tätig und gründete den Freiheitsbund Deutscher Sozialisten und die Gruppe Unabhängiger Deutscher Autoren. Auch als 1949 Hans Giese beabsichtigte, ein neues WhK zu gründen und dann die Gesellschaft für Reform des Sexualstrafrechts gründete, arbeitete Hiller einige Monate mit.

1955 kehrte Hiller nach Deutschland zurück und ließ sich in Hamburg nieder. Im selben Jahr erhielt er den Deutschen Kritikerpreis. 1962 unternahm er einen weiteren Versuch, das WhK neu zu gründen, der Versuch scheiterte allerdings. Nach seinem Tod wurde er auf dem Ohlsdorfer Friedhof bei seinem vor ihm verstorbenen engen Freund, Mitherausgeber und zeitweiligen Partners Walter Schultz in Hamburg beerdigt. Hiller veranlasste jedoch, dass sein Name nicht auf dem Grabstein vermerkt wurde.

Quellen

Literatur

  • Friedrich Pfäfflin (Hg.): Zwischen Jüngstem Tag und Weltgericht. Karl Kraus und Kurt Wolff. Briefwechsel 1912–1921. Göttingen: Wallstein 2007
  • Friedrich Pfäfflin (Hg.): Aus großer Nähe. Karl Kraus in Berichten von Weggefährten und Widersachern. Göttingen: Wallstein 2008
  • Edward Timms: Karl Kraus. Die Krise der Nachkriegszeit und der Aufstieg des Hakenkreuzes. Weitra: Bibliothek der Provinz 2016


Kurt Hiller im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks