Wiener Werkel

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Daten zur Organisation
Art der Organisation Theater
Datum von 1938
Datum bis 1944
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 10543
GND
WikidataID
Objektbezug NS-Zeit, Theater
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 29.11.2021 durch WIEN1.lanm08pil
  • 1., Liliengasse 3

Frühere Adressierung
  • Moulin Rouge (1920, bis: 1938)
  • Wiener Werkel (1939, bis: 1944)
  • Literatur im Moulin Rouge (1945, bis: 1946)
  • Studio des Theaters in der Josefstadt (1946, bis: 1950)
  • Wiener Werkel (2) (1950, bis: 1953)
  • Kleine Komödie (1953, bis: 1956)
  • Intimes Theater (1956, bis: 1960)
  • Theater im Zentrum (1960)

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48° 12' 25.16" N, 16° 22' 22.94" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Das Wiener Werkel war eine Kleinkunstbühne in der 1., Liliengasse 3.

Im Frühjahr 1938 schlossen die Nationalsozialisten zahlreiche Kabaretts oder "arisierten" diese, wie etwa das Simpl. Geöffnet waren neben dem Simpl unter anderem die "Lachtheater" (so die offizielle Bezeichnung) "Kabarett Dobner" (zuvor Literatur am Naschmarkt), "Schiefe Laterne" (1., Walfischgasse 11) und "Höhle" (1., Habsburgergasse 4).

Im Zuge der Liquidierung des "Bunds junger Autoren Österreichs" (der Rechtsträger der "Literatur am Naschmarkt" war) gründete der Schauspieler Adolf Müller-Reitzner, der Parteianwärter war, in 1., Liliengasse 3 (dem ehemaligen Sitz des Moulin Rouge) das Wiener Werkel.

Ende des Jahres 1938 beantragte Müller-Reitzner (4., Heumühlgasse 3), die Konzession "auf Zulassung für Cabarettveranstaltungen im ehemal. Moulin Rouge". Der Antrag wurde vom Wiener Magistrat, "Landesleiter der Reichstheaterkammer, Herr Valberg“, positiv begutachtet, sodass Reitzner die Zulassung erhielt.

Hausautoren waren Rudolf Weys und Franz Paul; daneben, aus politischen Gründen unter Pseudonymen, Kurt Nachmann und Fritz Eckhardt. Aufgetreten sind unter anderen Hugo Gottschlich, Wilhelm Hufnagl, Josef Meinrad, Erich Nikowitz, Rudolf Steinboeck und Oskar Wegrostek, Rosl Dorena, Walter von Warndal, Traute Witt, Karl Kalwoda, Amandus M. Hauke, Theo Prokop, Helly Fuhs, Rolf Olsen und Adolf Müller-Reitzer selbst.

Rudolf Weys erinnerte sich später: "Zu meinem Erstaunen musste ich bemerken, dass die Hälfte aller Mitglieder unseres doch so stark linksgerichteten und proösterreichischen Kabaretts bereits mit dem Parteiabzeichen im Knopfloch auftrat. Es war für mich eine herbe Enttäuschung, denn ich hatte zwar gewusst, daß viele mit Rechts und wohl auch mit Hitler kokettierten, aber dass wir schon einen größeren Kreis Illegaler unter uns gehabt hatten, das erfuhr ich erst am 12. März 1938."[1]

Die Konzession für Reitzners "Kleinkunstbühne Wiener Werkel" wurde 1940 und erneut 1941 vonseiten der öffentlichen Verwaltung verlängert. Im Zuge der allgemeinen Theatersperre wurde auch diese Wiener Spielstätte am 9. September 1944 geschlossen. "Die Räumlichkeiten dienten bis Kriegsende als Lager für Militärgut bzw. als Luftschutzkeller."[2]

Markus Felkel schreibt in seiner Diplomarbeit über die Bedeutung des Wiener Werkels: "Der Mythos vom Widerstandskabarett hat sich bis heute (2015) gehalten – trotzdem die Rolle einiger Werkel-Mitglieder, wie Robert Horky, mittlerweile kritisch bewertet wurde." Die Programme waren, so Felkel, "in keinster Weise systemkritisch" oder rüttelten "an den Grundfesten der NS-Ideologie".[3] Dennoch wurde die künstlerische Leitung 1941 von "Propagandaminister Joseph Goebbels anlässlich einer Wien-Visite" persönlich gemaßregelt, wobei die harte Kritik eher die "Sticheleien" gegen Deutschland betrafen als explizite Regimekritik.

Nach Kriegsende eröffnete das einstige Wiener Werkel 1945 als "Theater im Moulin Rouge" wieder - der Name "Wiener Werkel" wurde aufgrund der NS-Vergangenheit des Kabaretts von der damaligen Wiener Stadtregierung verboten und so erneut auf den ehemaligen Namen des Ortes (Moulin Rouge) in Kombination mit dem einstigen Kabarett "Literatur am Naschmarkt" verwiesen. Da Müller-Reitzner bereits 1943 überraschend gestorben war, hatte von da an seine Frau Christl Räntz den Betrieb geführt. Ihr wurde vom damaligen Stadtrat Dr. Viktor Matejka nun erneut die Pacht für den Betrieb übertragen; als Konzessionär jedoch Weys ernannt. "Nach nur einer Saison mit zwei Erwachsenenproduktionen und einer Kinderrevue schloss die Literatur im Moulin Rouge am 20. Jänner 1946 ihre Pforten. Christl Räntz überschrieb den Pachtvertrag auf das Theater in der Josefstadt unter der Direktion Rudolf Steinböck."[4] (Die Literatur im Moulin Rouge eröffnete noch einmal 1950 für kurze Zeit als Wander- und Reisebühne.)

Im frei gewordenen Raum in der Liliengasse 3 eröffnete 1946 das Theater in der Josefstadt seine neue Studiobühne, die vor allem der Nachwuchsförderung gewidmet sein sollte.

Heute befindet sich an dieser Adresse das Theater im Zentrum des Theaters der Jugend.

Literatur

  • Markus Felkel: Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien. Dipl.-Arbeit Univ. Wien 2015
  • Manfred Lang: Kleinkunst im Widerstand. Das "Wiener Werkel". Das Kabarett im Dritten Reich. Diss. Univ. Wien. Wien 1967
  • Daniela Loibl: Kabarett seiner Zeit. (Liter)arische Kleinkunst im "Wiener Werkel" von 1939 bis 1944. Dipl.-Arb. Univ. Wien 2003
  • Hans Veigl: Lachen im Keller. Wien 1986, S. 206 ff.
  • Hans Veigl [Hg.]: Bombenstimmung. Das Wiener Werkel. Kabarett im Dritten Reich. Wien 1994, besonders S. 9 ff.
  • Rudolf Weys: Cabaret und Kabarett in Wien. Wien, München: Jugend und Volk 1970
  • Anita Wolfartsberger: Das "Mittelstück" im "Wiener Werkel". Kleinkunst im Dritten Reich zwischen Anpassung und Widerstand. Dipl.-Arb. Univ. Wien 2004

Einzelnachweise

  1. Manfred Lang: Kleinkunst im Widerstand. Das "Wiener Werkel". Das Kabarett im Dritten Reich. Diss. Univ. Wien. Wien 1967, S. 5.
  2. Markus Felkel: Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien. Dipl.-Arbeit Univ. Wien 2015, S. 38.
  3. Markus Felkel: Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien. Dipl.-Arbeit Univ. Wien 2015, S. 38.
  4. Markus Felkel: Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien. Dipl.-Arbeit Univ. Wien 2015, S. 42.