Wiener Gürtel Autobahn (A 20): Unterschied zwischen den Versionen

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Die [[Gürtel|Gürtelstraße]], auf dem ehemaligen [[Linienwall]] angelegt, galt noch bis nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] als beliebte Wohngegend. Erst der stark zunehmende motorisierte [[Verkehr]] im Zeitalter der Massenmotorisierung bewirkte einen radikalen Wandel: die Wohnqualität sank dramatisch ab, kaufkräftige Bevölkerungsschichten zogen in andere Bezirke, während einkommensschwächere Schichten, vor allem Einwanderer, nachfolgten. An den westlichen Abschnitten des Gürtels siedelten sich vermehrt [[Frauenhaus (Prostitution)|Bordelle]] an.
  
Dieser Trend zur Fokussierung auf die Funktion als innerstädtische Hauptverkehrsachse war von der Stadtplanung auch bewusst gefördert worden und die Intensivierung des Verkehrsaufkommens wurde von der Stadtplanung zunächst als Fortschritt begriffen. Auch die Wiener [[Alwegbahn|Alwegbahnpläne]] (ab 1958) bezogen sich hauptsächlich auf den Bereich des Gürtels.  
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Dieser Trend zur Fokussierung des Gürtels auf die Funktion als innerstädtische Hauptverkehrsachse war im Rahmen der [[Stadtplanung]] auch bewusst gefördert worden. Die Intensivierung des Verkehrsaufkommens wurde von der Stadtplanung zunächst als Fortschritt begriffen. Auch die Wiener [[Alwegbahn|Alwegbahnpläne]] (ab 1958) bezogen sich hauptsächlich auf den Bereich des Gürtels. Hier gab es die Überlegung eine zweistöckige aufgestelzte Stadtautobahn mit integrierter Alwegbahn über den Gürtelbögen zu errichten. Im Lauf des Jahres 1962 kam es zum Abrücken von der Umsetzung der Alwegbahn <ref>Wien verzichtet auf Alwegexperiment. In: Die Presse 22.12.1962 S. 7</ref>.
  
Den Planungen des Verkehrsplaners und Professors an der Technischen Hochschule Wien Josef Dorfwirth zufolge sollte im Bereich des Gürtels eine Stadtautobahn in Hochlage errichtet werden. Das Bundesstraßengesetz 1968 sah bereits eine [[Autobahn]] entlang des Gürtels vor, und zwar als Teil der [[Nordostautobahn]] ([[Margaretengürtel]] – [[St. Marx]] – [[Erdberger Mais]] – [[Stadlau]] – [[Aderklaa]]) und der [[Nordautobahn]] ([[Margaretengürtel]] – [[Döblinger Gürtel]] – [[Donaukanal]] – [[Nordbrücke]] – [[Stammersdorf]] – Mistelbach – Staatsgrenze). In der Novelle 1971 wurde daraus eine eigene "A 20 Wiener Gürtel Autobahn". Am [[Gaudenzdorfer Gürtel]] war ein riesiger Kleeblatt-Knoten geplant. Den Anfang der Realisierung einer Gürtelautobahn stellte die 1962 bis 1964 erfolgte Errichtung der [[Gürtelbrücke]] dar.
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Den Planungen [[Josef Raimund Dorfwirth|Josef Dorfwirths]] (Verkehrsplaner und Professor an der [[Technische Universität|Technischen Universität]]), zufolge sollte im Bereich des Gürtels eine Stadtautobahn in Hochlage errichtet werden. Das Bundesstraßengesetz 1968 sah bereits eine [[Autobahn]] entlang des Gürtels vor. Diese sollte die Nordostautobahn ([[Margaretengürtel]] – [[St. Marx]] – [[Erdberger Mais]] – [[Stadlau]] – [[Aderklaa]], heute Teil der [[Südosttangente (A 23)|Südosttangente]]) mit der Nordautobahn ([[Margaretengürtel]] – [[Döblinger Gürtel]] – [[Donaukanal]] – [[Nordbrücke]] – [[Stammersdorf]] – Mistelbach – Staatsgrenze) verbinden. In der Novelle 1971 des Bundesstraßengesetzes wurde daraus eine eigene "A 20 Wiener Gürtel Autobahn". Am [[Gaudenzdorfer Gürtel]] war ein riesiger Kleeblatt-Knoten mit der [[Wientalautobahn]] geplant. Den Anfang der Realisierung einer Gürtelautobahn stellte die 1962 bis 1964 erfolgte Errichtung der [[Gürtelbrücke (19; 20)|Gürtelbrücke]] dar.
  
Gegen den Weiterbau dieser "A20" wurden in Medien und von Bürgerinitiativen immer schärfere Proteste erhoben (z.B. in der Tageszeitung "Kurier", 20. Mai 1972). Bürgermeister [[Felix Slavik]] proklamierte daraufhin im September 1972 eine scharfe Abkehr vom Konzept der Stadtautobahn, die die Stadt "zerteilen" würden (man sprach nur mehr von "Hochleistungsstraßen"). Heute erinnert der Landstraßer Ast der [[Südosttangente]] noch an diese Pläne.
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Gegen den Weiterbau dieser "A20" wurden in Medien und von Bürgerinitiativen immer schärfere Proteste erhoben. Bürgermeister [[Felix Slavik]] proklamierte daraufhin im September 1972 eine scharfe Abkehr vom Konzept der Stadtautobahn, die die Stadt "zerteilen" würden (man sprach nur mehr von "Hochleistungsstraßen"). Heute erinnert der Landstraßer Ast der [[Südosttangente]] noch an diese Pläne.  
Doch auch ohne den gesetzlichen Status als Autobahn und weitere Ausbaumaßnahmen blieb der Gürtel eine der meistbefahrenen Straßen Österreichs mit einer hohen Lärm- und Feinstaubbelastung für die Anrainer.
 
  
Seit den 80ern gibt es immer wieder Anläufe, den Gürtel zu untertunneln, wie auf [[Matzleinsdorfer Platz|Matzleinsdorfer]] und [[Südtiroler Platz]] auch umgesetzt. Noch 2015 präsentierte [[Manfred Juraczka]] die Gürtel-Untertunnelung als eine von "50 schwarzen Ideen für Wien".
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Auch ohne den gesetzlichen Status als Autobahn und weitere Ausbaumaßnahmen blieb der Gürtel eine der meistbefahrenen Straßen Österreichs mit einer hohen Lärm- und Feinstaubbelastung für die Anrainer. Seit den 80ern gibt es immer wieder Anläufe, den Gürtel zu untertunneln, wie am [[Matzleinsdorfer Platz|Matzleinsdorfer]] und [[Südtiroler Platz]] auch umgesetzt. Noch 2015 präsentierte der damalige [[ÖVP]]-Wien Obmann [[Manfred Juraczka]] die Gürtel-Untertunnelung als eine von "50 schwarzen Ideen für Wien".
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==Weblinks==
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*[https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/projekte/verkehrsplanung/strassen/bundesstrassen/bundesstrassen-1971.html Bundesstraßennetz in Wien gemäß Bundesstraßengesetz 1971]
  
 
==Literatur==
 
==Literatur==
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*ASFINAG, Das Autobahnnetz in Österreich. 30 Jahre Asfinag. Wien 2012, S. 110
  
*ASFINAG, Das Autobahnnetz in Österreich. 30 Jahre Asfinag. Wien 2012, S. 110
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==Einzelnachweise==
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<references />

Aktuelle Version vom 7. November 2023, 12:50 Uhr

Gürtelautobahn im Bundesstraßennetz für Wien 1971
Daten zum Objekt
Art des Objekts Verkehrsfläche
Datum von
Datum bis
Name seit
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Benannt nach Gürtel
Bezirk
Prominente Bewohner
Besondere Bauwerke
PageID 360662
GND
WikidataID
Objektbezug Stadtplanung, Autobahn, 1945 bis heute
Quelle
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 7.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Bildname Bundesstraßennetz in Wien 1971.jpeg
Bildunterschrift Gürtelautobahn im Bundesstraßennetz für Wien 1971

Die Gürtelstraße, auf dem ehemaligen Linienwall angelegt, galt noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg als beliebte Wohngegend. Erst der stark zunehmende motorisierte Verkehr im Zeitalter der Massenmotorisierung bewirkte einen radikalen Wandel: die Wohnqualität sank dramatisch ab, kaufkräftige Bevölkerungsschichten zogen in andere Bezirke, während einkommensschwächere Schichten, vor allem Einwanderer, nachfolgten. An den westlichen Abschnitten des Gürtels siedelten sich vermehrt Bordelle an.

Dieser Trend zur Fokussierung des Gürtels auf die Funktion als innerstädtische Hauptverkehrsachse war im Rahmen der Stadtplanung auch bewusst gefördert worden. Die Intensivierung des Verkehrsaufkommens wurde von der Stadtplanung zunächst als Fortschritt begriffen. Auch die Wiener Alwegbahnpläne (ab 1958) bezogen sich hauptsächlich auf den Bereich des Gürtels. Hier gab es die Überlegung eine zweistöckige aufgestelzte Stadtautobahn mit integrierter Alwegbahn über den Gürtelbögen zu errichten. Im Lauf des Jahres 1962 kam es zum Abrücken von der Umsetzung der Alwegbahn [1].

Den Planungen Josef Dorfwirths (Verkehrsplaner und Professor an der Technischen Universität), zufolge sollte im Bereich des Gürtels eine Stadtautobahn in Hochlage errichtet werden. Das Bundesstraßengesetz 1968 sah bereits eine Autobahn entlang des Gürtels vor. Diese sollte die Nordostautobahn (MargaretengürtelSt. MarxErdberger MaisStadlauAderklaa, heute Teil der Südosttangente) mit der Nordautobahn (MargaretengürtelDöblinger GürtelDonaukanalNordbrückeStammersdorf – Mistelbach – Staatsgrenze) verbinden. In der Novelle 1971 des Bundesstraßengesetzes wurde daraus eine eigene "A 20 Wiener Gürtel Autobahn". Am Gaudenzdorfer Gürtel war ein riesiger Kleeblatt-Knoten mit der Wientalautobahn geplant. Den Anfang der Realisierung einer Gürtelautobahn stellte die 1962 bis 1964 erfolgte Errichtung der Gürtelbrücke dar.

Gegen den Weiterbau dieser "A20" wurden in Medien und von Bürgerinitiativen immer schärfere Proteste erhoben. Bürgermeister Felix Slavik proklamierte daraufhin im September 1972 eine scharfe Abkehr vom Konzept der Stadtautobahn, die die Stadt "zerteilen" würden (man sprach nur mehr von "Hochleistungsstraßen"). Heute erinnert der Landstraßer Ast der Südosttangente noch an diese Pläne.

Auch ohne den gesetzlichen Status als Autobahn und weitere Ausbaumaßnahmen blieb der Gürtel eine der meistbefahrenen Straßen Österreichs mit einer hohen Lärm- und Feinstaubbelastung für die Anrainer. Seit den 80ern gibt es immer wieder Anläufe, den Gürtel zu untertunneln, wie am Matzleinsdorfer und Südtiroler Platz auch umgesetzt. Noch 2015 präsentierte der damalige ÖVP-Wien Obmann Manfred Juraczka die Gürtel-Untertunnelung als eine von "50 schwarzen Ideen für Wien".

Weblinks

Literatur

  • ASFINAG, Das Autobahnnetz in Österreich. 30 Jahre Asfinag. Wien 2012, S. 110

Einzelnachweise

  1. Wien verzichtet auf Alwegexperiment. In: Die Presse 22.12.1962 S. 7