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− | Baldur von Schirach, * 9. Mai 1907 Berlin, † 8. August 1974 Kröv an der Mosel, Rheinland-Pfalz, nationalsozialistischer Politiker, Gattin | + | Baldur von Schirach, * 9. Mai 1907 Berlin, † 8. August 1974 Kröv an der Mosel, Rheinland-Pfalz, nationalsozialistischer Politiker. |
− | Schirach, Univ.-Prof. in Helmstedt | + | |
− | + | ==Biografie== | |
− | "Reichsstatthalterei" war im vorherigen Bundeskanzleramt (1, Ballhausplatz 2) untergebracht, Schirachs Privatwohnung befand sich (ab 15. Oktober 1940) 19 | + | Baldur war der Sohn des königlich-preußischen Offiziers Carl von Schirach, der von 1908 bis 1918 als Intendant des Hoftheaters in Weimar tätig war, und dessen Gattin Emma Middleton Lynah Tillou, einer US-Staatsbürgerin. Er kam als Sproß einer seit dem 15. Jahrhundert nachweisbaren und ursprünglich dem Bauernstand angehörigen Familie zur Welt. Am 17. Mai 1776 wurde Gottlieb Benedict Schirach, Univ.-Prof. in Helmstedt, in den Adelsstand erhoben. |
− | seine Amtsräume in die Keller der Hofburg | + | |
+ | Baldur von Schirach trat am 29. August 1925 der [[NSDAP]] bei, studierte ab 1927 Germanistik in München (nicht abgeschlossen) und wurde Mitglied des NS-Studentenbunds, dessen Ausbau er betrieb. Am 30. Oktober 1931 ernannte ihn [[Adolf Hitler|Hitler]] zum Reichsjugendführer und im Mai 1932 zusätzlich zum Reichsleiter. Ihm unterstanden die [[Hitlerjugend]] (HJ), der [[Bund deutscher Mädel|Bund Deutscher Mädel]] (BDM), der NS-Studentenbund, der NS-Schülerbund und das [[Deutsches Jungvolk|Deutsche Jungvolk]]. Am 17. Juni 1933 wurde Schirach "Jugendführer des Deutschen Reiches" und verantwortete bis 1. Dezember 1936 die Eingliederung aller übrigen deutschen Jugendverbände. | ||
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+ | Auf eigenes Ansuchen wurde Baldur von Schirach am 5. April 1940 von Hitler des Amtes enthoben, sein Nachfolger als Reichsjugendführer war Arthur Axmann. Von Schirach leistete Kriegsdienst in der deutschen Wehrmacht und nahm, zuletzt als Leutnant, am Feldzug in Frankreich teil. | ||
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+ | Ende Juni 1940 wurde von Schirach als Nachfolger von [[Josef Bürckel]] [[Reichsstatthalter]] und [[Gauleitung|Gauleiter]] von Wien und als solcher Vertreter der [[Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] Staats- und Parteigewalt. Die Angelegenheiten der Stadtverwaltung nahm ein von ihm ernannter [[Bürgermeister]] wahr. Die "Reichsstatthalterei" war im vorherigen [[Bundeskanzleramt]] ([[1]]., [[Ballhausplatz 2]]) untergebracht, Schirachs Privatwohnung befand sich (ab 15. Oktober 1940) im [[19]]. [[Bezirk]] ([[Hohe Warte]] 52−54). | ||
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+ | Baldur von Schirach war mitverantwortlich für die 1942 einsetzende [[Deportation|Judendeportation]]. Seine Förderung des Wiener Kulturlebens stand teilweise im Gegensatz zu den Ansichten von Goebbels; unter anderem nahm er Ehrungen von [[Bruno Brehm]], [[Gerhart Hauptmann]], [[Max Mell]], [[Richard Strauss]], [[Josef Weinheber]] und anderen vor. Am 24. Juni 1943 kam es zu einem Zerwürfnis mit Hitler, dem von Schirach zu weich und "verwienert" erschien. | ||
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+ | Am 30. März 1945 verkündete Baldur von Schirach in Wien den Ausnahmezustand und verlegte seine Amtsräume in die Keller der [[Hofburg]]. Die Verteidigung der Stadt übernahm SS-General [[Josef Dietrich|Sepp Dietrich]]. Schirach verließ am 9. April 1945 Wien, hielt sich zunächst in Flandorf (Gemeinde Hagenbrunn, Bezirk Korneuburg) auf, floh dann jedoch über Altmelon (Bezirk Zwettl), wo er sich bis Ende April aufhielt, und Oberösterreich nach Tirol. Dort tauchte er unter dem falschen Namen Richard Falk in Schwaz unter. Am 5. Juni 1945 stellte er sich den Amerikanern und wurde im Zuge des am 20. November 1945 beginnenden Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses am 1. Oktober 1946 zu 20 Jahren Haft verurteilt, die er in Spandau verbrachte (Entlassung 1. Oktober 1966). | ||
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+ | Baldur von Schirach war mit Henriette Hoffmann, der Tochter des Hitler-Fotografen Heinrich Hoffmann (31. März 1932) verheiratet, die Scheidung erfolgte im Juli 1950. | ||
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+ | Der im [[16]]. Bezirk liegende und Ende der 1980er Jahre unzugänglich gemachte [[Schirachbunker]] war ein Gaugefechtsstand, der inoffiziell nach Baldur von Schirach benannt wurde. | ||
== Literatur == | == Literatur == | ||
+ | * [https://diepresse.com/home/politik/anschluss/369638/Baldur-von-Schirach-in-Wien ''Baldur von Schirach in Wien'. Die Original-Artikel der "Neuen Freien Presse" vom Montag, 14. März 1938. In: www.diepresse.com, 13.03.2008] [Stand: 28.08.2018] | ||
* Michael Wortmann: Baldur von Schirach, Hitlers Jugendführer. Köln: Böhlau 1982 | * Michael Wortmann: Baldur von Schirach, Hitlers Jugendführer. Köln: Böhlau 1982 | ||
− | + | * Henriette von Schirach: Der Preis der Herrlichkeit. Erlebte Zeitgeschichte. München [u. a.]: Herbig 1976 | |
− | * Henriette von Schirach: Der Preis der Herrlichkeit. Erlebte Zeitgeschichte. München [u.a.]: Herbig 1976 | ||
* Peter Schubert: Schauplatz Österreich. Topographisches Lexikon zur Zeitgeschichte in 3 Bänden. Band 1: Wien. Wien: Hollinek 1976, S. 27, S. 66, S. 97, S. 100, S. 205 | * Peter Schubert: Schauplatz Österreich. Topographisches Lexikon zur Zeitgeschichte in 3 Bänden. Band 1: Wien. Wien: Hollinek 1976, S. 27, S. 66, S. 97, S. 100, S. 205 | ||
* Peter Schubert: Schauplatz Österreich. Topographisches Lexikon zur Zeitgeschichte in 3 Bänden. Band 2: Bundesländerorte A-K. Wien: Hollinek 1976, S. 9, S. 93 | * Peter Schubert: Schauplatz Österreich. Topographisches Lexikon zur Zeitgeschichte in 3 Bänden. Band 2: Bundesländerorte A-K. Wien: Hollinek 1976, S. 9, S. 93 | ||
* Manfried Rauchensteiner: Krieg in Österreich 1945. Wien: Österreichischer Bundesverl. f. Unterricht, Wissenschaft u. Kunst 1970, S. 133 | * Manfried Rauchensteiner: Krieg in Österreich 1945. Wien: Österreichischer Bundesverl. f. Unterricht, Wissenschaft u. Kunst 1970, S. 133 | ||
+ | * Baldur von Schirach: Ich glaubte an Hitler. [Dokumentation: Jochen von Lang]. Hamburg: Mosaik-Verl. 1967 | ||
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+ | == Weblinks == | ||
+ | *[https://de.wikipedia.org/wiki/Baldur_von_Schirach Wikipedia: Baldur von Schirach] | ||
+ | *[https://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/baldur-von-schirach/ Martina Reinhard: Baldur von Schirach (1907−1974). In: Zukunft braucht Erinnerung] |
Aktuelle Version vom 18. Oktober 2023, 13:27 Uhr
Baldur von Schirach, * 9. Mai 1907 Berlin, † 8. August 1974 Kröv an der Mosel, Rheinland-Pfalz, nationalsozialistischer Politiker.
Biografie
Baldur war der Sohn des königlich-preußischen Offiziers Carl von Schirach, der von 1908 bis 1918 als Intendant des Hoftheaters in Weimar tätig war, und dessen Gattin Emma Middleton Lynah Tillou, einer US-Staatsbürgerin. Er kam als Sproß einer seit dem 15. Jahrhundert nachweisbaren und ursprünglich dem Bauernstand angehörigen Familie zur Welt. Am 17. Mai 1776 wurde Gottlieb Benedict Schirach, Univ.-Prof. in Helmstedt, in den Adelsstand erhoben.
Baldur von Schirach trat am 29. August 1925 der NSDAP bei, studierte ab 1927 Germanistik in München (nicht abgeschlossen) und wurde Mitglied des NS-Studentenbunds, dessen Ausbau er betrieb. Am 30. Oktober 1931 ernannte ihn Hitler zum Reichsjugendführer und im Mai 1932 zusätzlich zum Reichsleiter. Ihm unterstanden die Hitlerjugend (HJ), der Bund Deutscher Mädel (BDM), der NS-Studentenbund, der NS-Schülerbund und das Deutsche Jungvolk. Am 17. Juni 1933 wurde Schirach "Jugendführer des Deutschen Reiches" und verantwortete bis 1. Dezember 1936 die Eingliederung aller übrigen deutschen Jugendverbände.
Auf eigenes Ansuchen wurde Baldur von Schirach am 5. April 1940 von Hitler des Amtes enthoben, sein Nachfolger als Reichsjugendführer war Arthur Axmann. Von Schirach leistete Kriegsdienst in der deutschen Wehrmacht und nahm, zuletzt als Leutnant, am Feldzug in Frankreich teil.
Ende Juni 1940 wurde von Schirach als Nachfolger von Josef Bürckel Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien und als solcher Vertreter der nationalsozialistischen Staats- und Parteigewalt. Die Angelegenheiten der Stadtverwaltung nahm ein von ihm ernannter Bürgermeister wahr. Die "Reichsstatthalterei" war im vorherigen Bundeskanzleramt (1., Ballhausplatz 2) untergebracht, Schirachs Privatwohnung befand sich (ab 15. Oktober 1940) im 19. Bezirk (Hohe Warte 52−54).
Baldur von Schirach war mitverantwortlich für die 1942 einsetzende Judendeportation. Seine Förderung des Wiener Kulturlebens stand teilweise im Gegensatz zu den Ansichten von Goebbels; unter anderem nahm er Ehrungen von Bruno Brehm, Gerhart Hauptmann, Max Mell, Richard Strauss, Josef Weinheber und anderen vor. Am 24. Juni 1943 kam es zu einem Zerwürfnis mit Hitler, dem von Schirach zu weich und "verwienert" erschien.
Am 30. März 1945 verkündete Baldur von Schirach in Wien den Ausnahmezustand und verlegte seine Amtsräume in die Keller der Hofburg. Die Verteidigung der Stadt übernahm SS-General Sepp Dietrich. Schirach verließ am 9. April 1945 Wien, hielt sich zunächst in Flandorf (Gemeinde Hagenbrunn, Bezirk Korneuburg) auf, floh dann jedoch über Altmelon (Bezirk Zwettl), wo er sich bis Ende April aufhielt, und Oberösterreich nach Tirol. Dort tauchte er unter dem falschen Namen Richard Falk in Schwaz unter. Am 5. Juni 1945 stellte er sich den Amerikanern und wurde im Zuge des am 20. November 1945 beginnenden Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses am 1. Oktober 1946 zu 20 Jahren Haft verurteilt, die er in Spandau verbrachte (Entlassung 1. Oktober 1966).
Baldur von Schirach war mit Henriette Hoffmann, der Tochter des Hitler-Fotografen Heinrich Hoffmann (31. März 1932) verheiratet, die Scheidung erfolgte im Juli 1950.
Der im 16. Bezirk liegende und Ende der 1980er Jahre unzugänglich gemachte Schirachbunker war ein Gaugefechtsstand, der inoffiziell nach Baldur von Schirach benannt wurde.
Literatur
- Baldur von Schirach in Wien'. Die Original-Artikel der "Neuen Freien Presse" vom Montag, 14. März 1938. In: www.diepresse.com, 13.03.2008 [Stand: 28.08.2018]
- Michael Wortmann: Baldur von Schirach, Hitlers Jugendführer. Köln: Böhlau 1982
- Henriette von Schirach: Der Preis der Herrlichkeit. Erlebte Zeitgeschichte. München [u. a.]: Herbig 1976
- Peter Schubert: Schauplatz Österreich. Topographisches Lexikon zur Zeitgeschichte in 3 Bänden. Band 1: Wien. Wien: Hollinek 1976, S. 27, S. 66, S. 97, S. 100, S. 205
- Peter Schubert: Schauplatz Österreich. Topographisches Lexikon zur Zeitgeschichte in 3 Bänden. Band 2: Bundesländerorte A-K. Wien: Hollinek 1976, S. 9, S. 93
- Manfried Rauchensteiner: Krieg in Österreich 1945. Wien: Österreichischer Bundesverl. f. Unterricht, Wissenschaft u. Kunst 1970, S. 133
- Baldur von Schirach: Ich glaubte an Hitler. [Dokumentation: Jochen von Lang]. Hamburg: Mosaik-Verl. 1967