Josef Weinheber

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Daten zur Person
Personenname Weinheber, Josef
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 6228
GND 118766287
Wikidata Q78776
Geburtsdatum 9. März 1892
Geburtsort Wien
Sterbedatum 8. April 1945
Sterbeort Kirchstetten, Niederösterreich
Beruf Dichter, Lyriker
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug NS-Zeit
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 11.08.2023 durch WIEN1.lanm09p15
  • 16., Hasnerstraße 134 (Wohnadresse)
  • 3., Rudolf-von-Alt-Platz 5 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Preis der Stadt Wien für Literatur (Verleihung: 1925)
  • Mozartpreis der Goethe-Stiftung (Verleihung: 1936)
  • Grillparzerpreis (Verleihung: 1941)
  • Ehrenring der Stadt Wien (Verleihung: 1942)

Josef Weinheber, * 9. März 1892 Wien , † (Selbstmord) 8. April 1945 Kirchstetten, Schriftsteller, Lyriker.

Biographie

Weinheber kam als Sohn eines Fleischhauers und einer Weißnäherin in der Niederösterreichische Landesgebäranstalt im 9. Wiener Gemeindebezirk zur Welt. Seine ersten Kindheitsjahre verbrachte er in Purkersdorf. Nach der Trennung der Eltern kam er als Sechsjähriger in das Hyrtl’sche Waisenhaus in Mödling. Mit 12 Jahren wurde er Vollwaise, er besuchte die Maturaschule Freies Lyzeum, schloss sie aber nicht ab. Er verdingte sich als Gelegenheitsarbeiter, arbeitete als Brauknecht, Fleischhauergehilfe, Kutscher und Hauslehrer. Von 1911 bis 1932 war er Postbediensteter (zuerst beim Westbahnhof, dann in der Post- und Telegraphendirektion in der Hetzgasse, zwischenzeitlich in der Hellgasse, schließlich wieder in der Hellgasse). Anschließend lebte er als freier Schriftsteller. In erster Ehe war er mit Emma Fröhlich verheiratet (1919), in zweiter Ehe mit Hedwig Krebs (1927). 1945 nahm er sich im eigenen Haus in Kirchstetten das Leben. Die Grabstätte befindet sich im Haus des Gartens, die Grabstätte seiner Frau im Friedhof Hinterholz bei Kirchstetten. In Wien wohnte er 1910 bis 1927 in der 16., Hasnerstraße 134 (Gedenktafel), von 1927 bis 1945 am 3., Rudolf-von-Alt-Platz 5 (Gedenktafel). In Ottakring ist der Josef-Weinheber-Hof nach ihm benannt (Gedenktafel mit Portrait-Relief, enthüllt am 7. September 1972).

Seine Lyrik und Sprachauffassung zeigten starke Einflüsse von Rainer Maria Rilke, Anton Wildgans, Richard Dehmel oder Walt Whitman. Das Werk von Karl Kraus gab Weinheber Anregungen in der Sprachauffassung, durch die Lektüre der Fackel fand Weinheber zur Perfektion seiner Sprachkunst. Bereits die ersten Publikationen ließen seine spätere Meisterschaft in der Formung der Sprache, im Klang und im Reim erkennen. Er nahm einen steilen künstlerischen Aufstieg und entwickelte sich zu einem gefeierten Dichter. Bei seiner Lyrik, in der er nach klassisch-antiker Gestaltung strebte, verwendete er diffizile Vers- und Strophenformen; ein bleibendes Denkmal setzte er seiner Heimatstadt in seinen Dialektgedichten; hier ersetzte er das Heroisch-Pathetische durch seine Liebe zu Wien. In seinem teilweise ironisierenden Dialektband "Wien wörtlich" (1935) nahm er die Wiener Gemütlichkeit und das Spießertum aufs Korn. Weinheber, der auch malte, trat gleichzeitig als Essayist und Erzähler hervor. Er war Mitarbeiter der Muskete). Seine Werke "Der einsame Mensch" (1920), "Von beiden Ufern" (1923), "Adel und Untergang" (1934) und "Späte Krone" (1936) festigten seinen Ruf. Der Roman "Das Waisenhaus" (1924), zuerst als Fortsetzungsroman in der Arbeiterzeitung erschienen, behandelt seine Kindheit in Mödling; dafür bekam er den Preis der Stadt Wien (1925).

Weinheber, auf Grund seiner Deklassierungsgefühle ein antipolitischer Einzelkämpfer, geriet in den beginnenden 1930er Jahren in den Bann des Nationalsozialismus. Er stand mit den Schriftstellerkollegen Mirko Jelusich und Robert Hohlbaum, beide Schlüsselfiguren der NS-Kulturpolitik in Österreich, in freundschaftlicher Verbindung. 1931-1933 war er NSDAP-Mitglied und gläubiger Hitler-Anhänger. Unter den Nationalsozialisten stieg er zum Paradedichter auf und wurde staatlich stark gefördert und mit Auszeichnungen überhäuft (z. B. 1936 Mozartpreis, 1941 Grillparzerpreis). Er wurde zudem in die "Gottbegnadeten“-Liste der wichtigsten Schriftsteller des NS-Staates aufgenommen. Wie seine Privataufzeichnungen und nicht veröffentlichen Schriften zeigten, ging er Ende der 1930er Jahre zunehmend auf Distanz zum NS-Regime und fand sich in einer politisch schizophrenen Haltung gefangen. Im Nachlass gibt es sehr selbstkritische Gedichte zu seiner Rolle im NS-System. Mit dem Selbstmord zog er seine persönliche Konsequenz.

Nach 1945 gab es eine heftige Diskussion über Josef Weinhebers Haltung und Stellung in der Literaturgeschichte, zum Teil auch quer durch die ideologischen Lager. Es gab scharfe Kritik von den Opfern des NS-Systems, unter seinen Befürwortern fanden sich allerdings auch Emigranten wie Theodor Kramer, Franz Theodor Csokor oder Felix Braun, die, ohne das politische Versagen in Abrede stellen zu wollen, zwischen Werk und Person unterscheiden wollten. Einer der linken, gekränkten Verehrer Weinhebers, Otto Basil, berichtete, Josef Weinheber sei in den 1920er Jahren ein lauer Sozialdemokrat gewesen, sein "krankhafter Geltungstrieb" und sein "Antisemitismus" haben ihn anfällig für den Nationalsozialismus gemacht. Basil: "Politik interessierte ihn nicht - sie war ihm zu schmutzig."

Im allgemeinen haben liberale und linke Kritiker in den 1950er Jahren mit der Person Weinheber auch seine Dichtung abgeschrieben und den Autor samt seinem Werk dem rechten Lager überlassen. Die Rechte hat ihn damals für sich adaptiert. Albert Berger, Literaturwissenschaftler und kritischer Weinheber-Biograph: "Die Leistungen und die Zwiespältigkeiten und Widersprüche machen Weinheber zu einem bemerkenswerten Dichter der deutschen und österreichischen Literaturgeschichte. Die Schlagworte 'konservativ' oder 'nationalsozialistisch' haben Urteils-, aber keine Erkenntniskraft. Das Nebeneinander und die Kombination von höchstem Sprachbewusstsein und politischem Versagen, Ästhetik und Ideologie in seinem Werk geben ein beredtes Zeugnis von den Problemen der Humanität - nicht nur der in der ersten Jahrhunderthälfte - als eine herausgefilterte 'Reinheit' seiner Kunst, die nur einen Schatten übrig lässt von dem, was der Dichter seinen Zeitgenossen und der Nachwelt gesagt hat."

Sein populärstes Werk bis heute ist "Wien wörtlich"(1935), geschrieben in einer Zeit, als Weinheber von Hitler begeistert war. Das Werk selbst, das er selbst im Vergleich zu seinen heroisch-klassizistischen Gedichten als peripher ansah, enthält keine NS-Ideologie, sondern Sehnsucht nach Wien, vor allem nach dem Vorstadt-Wien (natürlich auch Alt-Ottakring, Liebhartstal), weit entfernt von Hollywood-Bildern, austrofaschistischer Provinzidylle und Kaiserstadt-Nostalgie. Bis heute fasziniert ästhetisch die Fähigkeit Weinhebers, sich die verschiedenen Stadtmundarten anzueignen und aus unterschiedlichen Figuren, Szenen und Gegenständen das "Wienerische" sichtbar zu machen. Diese Qualitäten kamen etwa auch bei Weinheber-Lesungen Oskar Werners, Michael Heltaus und Karl Heinz Hackls zum Vorschein und waren Fundament für ihren Publikumserfolg. "War net Wien, wann net dort,/ wo kann Greftt is, ans wurd'"

Im Auftrag der Stadt Wien hat eine HistorikerInnen-Kommission die historische Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind, von 2011 bis 2013 untersucht sowie eine zeithistorische Kontextualisierung vorgenommen. Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse zur historischen Einordnung von Josef Weinheber wurde der Straßenname als Fall mit Diskussionsbedarf eingeordnet.


Josef-Weinheber-Platz, Weinheberdenkmal, Josef-Weinheber-Hof, Weinheber-Brücke über die Autobahn A1 (Niederösterreich) in der Gegend seines Anwesens. Er war Ehrenmitglied der Akademie der bildenden Künste Wien, diese Ehrenmitgliedschaft wurde ihm 2023 aufgrund seiner bedenklichen Rolle im Nationalsozialismus vom Senat der Akademie aberkannt.

Literatur

  • Website der Akademie der bildenden Künste Wien: Historische Ehrungen kritisch hinterfragt, 05.2023 [Stand: 09.05.2023]
  • Albert Berger: Josef Weinheber (1892–1945). Leben und Werk - Leben im Werk. Salzburg: Otto Müller 1999
  • Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963
  • Neue österreichische Biographie. 1815 – 1918. Band 15. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1963
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon [der Ersten und Zweiten Republik]. Wien: Ueberreuter 1992
  • Peter Ernst: Wiener Literaturgedenkstätten. Hg. von Felix Czeike. Wien: J & V-Edition Wien-Verlag 1990
  • Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [ u.a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
  • Walter Pollak [Hg.]: Tausend Jahre Österreich. Eine biographische Chronik. Band 3. Wien/München: Jugend & Volk 1974, S. 346 ff.
  • Edmund Finke: Josef Weinheber. Der Mensch und das Werk. Salzburg [u.a.]: Pilgram 1950
  • Josef Nadler: Josef Weinheber. Geschichte seines Lebens und seiner Dichtung. Salzburg: O. Müller 1952
  • Harry Bergholz: Josef Weinheber. Bibliographie. Bad Bocklet [u.a.]: Krieg 1953 (Bibliotheca bibliographica, 14)
  • Fritz Feldner: Josef Weinheber. Eine Dokumentation in Bild und Wort. Salzburg [u.a.]: Bergland-Buch 1965
  • Adalbert Schmidt: Dichtung und Dichter Österreichs im 19. und 20. Jahrhundert. Band 2. Salzburg: Bergland-Buch 1964, S. 431
  • Die Presse, 07.03.1992, 08.04.1995
  • Standard, 09.03.1992
  • Salzburger Nachrichten, 09.03.1992
  • Wiener Zeitung, 05.04.1994
  • Josef Weinheber / Josef Nadler [Hg.]: Sämtliche Werke. Salzburg: Müller 1953 ff.
  • Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 10 und 153 f.
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 183–186
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Forschungsprojektendbericht "Straßennamen Wiens seit 1860 als 'Politische Erinnerungsorte'". Wien 2013