Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Politische Machtübernahme„Politische Machtübernahme“ befindet sich nicht in der Liste (Anschlag, Besetzung, Brand, Bürgerinitiative, Demonstration, Krieg, Schlacht, Epidemie, Epoche, Expedition, ...) zulässiger Werte für das Attribut „Art des Ereignisses“.
Datum von 1938
Datum bis 1938
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 47627
GND
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Objektbezug Anschlussbewegung
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Letzte Änderung am 17.02.2017 durch DYN.wolfgang j kraus
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Vorgeschichte

Im Zerfall Österreich-Ungarns wollten die Deutschen der Monarchie mit großer Mehrheit den Anschluss Deutschösterreichs an das demokratische Deutschland. Der einstimmige Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung vom 12. November 1918 über die Republik als Staatsform enthielt diesen Anschluss als Staatsziel. Protagonisten dafür waren Karl Renner und Otto Bauer. Da die Kriegssieger dies nicht zuließen, mussten die Anschlussbestrebungen 1919 aufgegeben werden; der Staatsname war von Deutschösterreich auf Republik Österreich zu ändern. In Würdigung der damals nicht realisierbaren Wünsche wurde in Wien 1926 der Eberthof nach Friedrich Ebert benannt. Die Sozialdemokratische Partei Deutschösterreichs strich den Anschlusswunsch erst 1933 aus ihrem Programm, als im Deutschen Reich Adolf Hitler an die Macht kam.

In Hinblick auf den Unterschied zwischen diesen demokratischen Anschlussbestrebungen und dem 1938 vom nationalsozialistischen Regime erzwungenen "Anschluss" wird dieser Vorgang etwa seit dem Jahr 2000 in Österreich mit Anführungszeichen geschrieben.

Februar 1938

Das „Berchtesgadener Abkommen“ vom 12. Februar 1938 zwischen Adolf Hitler und dem diktatorisch regierenden Bundeskanzler Kurt Schuschnigg machte Österreich zu einem außenpolitischen, militärischen, wirtschaftlichen und pressepolitischen Satelliten Deutschlands. Arthur Seyß-Inquart, ein Nationalsozialist, übernahm das Ressort Inneres und Sicherheit. Die Nationalsozialisten traten ab Ende Februar 1938 in Kundgebungen in der Steiermark, in Kärnten und in Oberösterreich immer offener in Erscheinung.

Schuschnigg kündigte nun für den 13. März eine „Volksbefragung“ über die Unabhängigkeit Österreichs an, von der er sich mehr Spielraum für seine Politik erwartete. Hitler wollte den Ausgang dieser Befragung nicht abwarten; er drängte Schuschnigg dazu, sie abzusagen und zurückzutreten.

11. März 1938

Schuschnigg demissionierte am 11. März 1938. Bundespräsident Wilhelm Miklas ernannte nun, da sich kein konservativer Österreicher dazu bereitfand, eine Regierung unter Seyss-Inquart, während die österreichischen Nationalsozialisten damit begannen, Juden und ihre Gegner zu drangsalieren.

Am 11. März 1938 um 18.15 Uhr wurde der Rücktritt von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg bekannt, der kurz vor 20 Uhr im Rundfunk seine denkwürdige Abschiedsrede hält, wonach die Regierung der „Gewalt weiche“. Er beschloss die Rede mit dem „Herzenswunsch“ „Gott schütze Österreich“. Auf den Straßen der Innenstadt formierten sich parallel auf Befehl Görings die Anhänger des Nationalsozialismus; sie trugen Armschleifen, dekorierten private PKWs mit Wimpeln, riefen den Namen des Führers. Der englische Journalist George E. R. Gedye beschrieb die Stimmung auf Wiens Straßen als „Hexensabbat“. Besonders vor dem Bundeskanzleramt stauten sich die Menschenmassen: Etwa 6.000 Personen konnte die offiziell immer noch verbotene SA mobilisieren, um den Druck auf Bundespräsident Wilhelm Miklas zu erhöhen. SS-Führer Dr. Ernst Kaltenbrunner steuerte weitere 700 SS-Männer bei. Das Innere des Bundeskanzleramtes wurde noch durch Polizei – darunter auch viele Nationalsozialisten – geschützt, doch gegen 22 Uhr setzte der designierte Bundeskanzler Seyss-Inquart den Einlass eines Trupps der 89. SS Standarte Kaltenbrunners durch, womit das Bundeskanzleramt fiel. Schuschnigg verließ spät nachts das Ministerratszimmer und schritt durch ein Spalier, gebildet von Nationalsozialisten in Zivil; dekoriert mit Hakenkreuzbinden, grüßten sie ihn mit erhobenem Arm. Dieser Transfer von der ständestaatlichen Diktatur zur nationalsozialistischen ging ohne Parlament und ohne kritische Medien vor sich.

12. März 1938

Am Morgen des 12. März 1938 marschierte die deutsche Wehrmacht ein. Gleichzeitig starteten Himmlers Polizei und SS zur Ausschaltung politischer Gegnerinnen und Gegner und zur Terrorisierung der jüdischen Bevölkerung eine brutale Verhaftungswelle. Die Österreich-patriotische Stimmung kippte rasch, nun wurden „die Österreicher mit dem Ende der Souveränität ihres Staates zu Opfern und noch mehr zu Mitwirkenden einer wahrhaft ‚totalitären’ Diktatur“ (Quellenangabe fehlt; S. 59). Angesichts der in der Bevölkerung weit verbreiteten Hoffnung, durch den „Anschluss“ den Folgen der immer noch spürbaren Wirtschaftskrise zu entkommen, wurde über Verfolgungen von politischen, religiösen und nationalen Minderheiten sowie politische Einschränkungen hinweggesehen.

Am 12. März gegen fünf Uhr früh landeten von Berlin kommend am Flugplatz Aspern zwei Flugzeuge mit Heinrich Himmler und fünfzig seiner engsten Mitarbeiter, darunter Reinhard Heydrich. Sie sollten die erste Verhaftungswelle leiten und die österreichische Polizei ‚säubern’, damit sie zu einem NS-Machtinstrument würde. Verhaftungen und Terror setzen sofort ein: Jüdinnen und Juden aller sozialen Schichten, Mitglieder der gestürzten Regierung, Mitglieder der Linksopposition, Beamte (z.B. des Bundespressedienstes), Funktionäre der „Vaterländischen Front“, Legitimisten und ehemals christlichsoziale Politiker wurden zu Tausenden inhaftiert. Viele versuchten, sich ins Ausland zu retten, andere wählten den Freitod. Ziel war die Beseitigung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Führungsschichten, unter anderem durch einen radikalen Kahlschlag in den Redaktionen der Presse.

13. März 1938

Bundespräsident Miklas gelobte einen Großteil der neuen Regierungsmitglieder auf die österreichische Verfassung an, „auf die kaum noch jemand achtete“ (Botz, S. 92), am 13. März trat er zurück, wodurch Bundeskanzler Seyss-Inquart, der allerdings nur mehr ein Vollstrecker war, für wenige Stunden auch die Funktion des österreichischen Staatsoberhauptes übernahm. Die Macht lag bei Adolf Hitler. Er erließ am 13. März das „Wiedervereinigungsgesetz“, das noch am gleichen Tag in Kraft trat: Österreich war nun Teil des Deutschen Reiches, die bisherige österreichische Bundesregierung eine Landesregierung, das österreichische Bundesheer wurde in die deutsche Wehrmacht eingegliedert.

15. März 1938

Adolf Hitler wurde am 15. März 1938 auf dem Heldenplatz von seinen Anhängern und vielen Opportunisten mit frenetischem Jubel begrüßt. Mit diesem Tag übergab Wilhelm Wolf die Agenden des österreichischen Außenamts an Joachim von Rippentropp, andere Ministerien folgten alsbald, – die Regierung wurde liquidiert. Durch die „Führererlässe“ vom 15. und 17. März 1938 traten etwa das „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ und das „Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat“ in Kraft. Sowohl in der Verwaltung als auch in der Privatwirtschaft brach eine hektische Postenjagd – begleitet von Denunziationen aus –, da Jüdinnen und Juden sofort fristlos entlassen wurden.

10. April 1938

Als Propagandainstrument des NS-Regimes wurde eine „freie und geheime Volksabstimmung“ vorbereitet. Sie fand am 10. April 1938 statt; politische Gegner und Juden waren nicht stimmberechtigt. Der größte Teil der Stimmberechtigten gab seine Stimme ab, ohne eine Wahlzelle zu betreten; man hatte schnell verstanden, dass Opposition gegen das NS-Regime lebensgefährlich werden konnte.

Opfer des Terrors

Der Terror des NS-Systems richtete sich gegen Jüdinnen und Juden, Regime-Gegnerinnen und -Gegner, Roma und Sinti, sogenannte „Asoziale" und Homosexuelle. 66.000 jüdische Österreicherinnen und Österreicher wurden Opfer des Holocausts.

siehe: Anschlussbewegung

Quellen

Literatur

Gerhard Botz: Nationalsozialismus in Wien. Machtübernahme, Herrschaftssicherung, Radikalisierung 1938/39. Wien: Mandelbaum 2008.

Links

Einzelnachweise