Hans Przibram
Hans Przibram, * 7. Juli 1874 Lainz, † 20. Mai 1944 Konzentrationslager Theresienstadt, Zoologe, Universitätsprofessor für experimentelle Zoologie.
Biografie
Hans Przibram wurde am 7. Juli 1874 in Lainz bei Wien als Sohn des Textilindustriellen und Abgeordneten zum Böhmischen Landtag Gustav Przibram (1844–1904) und Charlotte Baronesse Schey von Koromla geboren. Nach Absolvierung des Akademischen Gymnasiums studierte er von 1894 bis 1899 an der Universität Wien Zoologie und absolvierte einige Semester in Leipzig. 1899 wurde er zum Dr. phil. promoviert. 1900–1902 studierte er physiologische Chemie in Straßburg. 1904 habilitierte er sich für Zoologie mit besonderer Berücksichtigung der experimentellen Morphologie, 1913 wurde er in Wien (unbesoldet) außerordentlicher Professor für experimentelle Zoologie. Zudem war Przibram künstlerisch sehr begabt - auf Einladung Adolf Loos' beteiligte er sich um die Jahrhundertwende mit einigen Arbeiten an Winterausstellungen der Secession und auch in der Zeitschrift Ver Sacrum wurden seine Zeichnungen veröffentlicht. Przibram war ab 1908 in erster Ehe mit Anna Gräfin Komorowska verheiratet, mit der er die drei gemeinsamen Töchter Margarita (* 1909), Vera (* 1910) und Doris (* 1914) hatte. Nach dem Tod seiner Ehefrau 1933 ging Przibram 1935 mit der Witwe Elisabeth Fröhlich, geborene Ruhmann, eine Ehe ein.
1903 gründete Hans Przibram gemeinsam mit dem Botaniker Leopold von Portheim und dem Pflanzenphysiologen Wilhelm Figdor die Biologische Versuchsanstalt (BVA) im Wiener Prater, in einem bis dahin als Aquarium und Vivarium genutzten Gebäude. Das Haus war anlässlich der Wiener Weltausstellung 1873 errichtet worden und stand aufgrund finanzieller Probleme zum Verkauf. Bemerkenswert an dieser Versuchsanstalt war der Zugang, biologische Fragen auch aus der Sicht anderer Disziplinen von Chemie über Physiologie bis Physik zu bearbeiten, und das lange bevor "Interdisziplinarität" ein gängiger Ansatz in der Wissenschaft wurde. Die Versuchsanstalt war sowohl vom Personal als auch von den Gerätschaften her ausgezeichnet ausgestattet und beschäftige auch Frauen wie etwa Leonore Brecher und Auguste Jellinek als Forscherinnen. Przibram selbst spezialisierte sich auf Entwicklungsphysiologie (Regeneration und Transplantation, quantitative Wachstumsstudien unter Temperatureinflüssen, Chemismus tierischer Farbstoffe).
Ab 1904 unternahm Przibram gemeinsam mit Leopold von Portheim und Paul Kammerer ausgedehnte Reisen nach Afrika und Amerika. Von diesen Reisen brachten sie weitere Objekte für ihre Sammlung mit.
Am 1. Jänner 1914 schenkten Przibram und Portheim die Biologische Versuchsanstalt samt großzügigem Betriebskapital an die k.k. Akademie der Wissenschaften in Wien. Sie blieben jedoch Leiter der einzelnen Abteilungen. Während des Ersten Weltkrieges wurde ein Teil der Anstalt in ein Lazarett umgewandelt. Erst 1932 nahm man die alten Schauaquarien wieder in Betrieb. Es war aufgrund der Wirtschaftskrise und des stärker werdenden Antisemitismus immer schwieriger geworden, die Versuchsanstalt profitabel zu führen.
Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Dritte Reich wurde Hans Leo Przibram aus "rassischen" Gründen entlassen und durfte die von ihm gegründete Anstalt nicht mehr betreten. Auch seine Bibliothek musste im Gebäude verbleiben. Federführend bei dieser Aktion war der damalige Leiter der Akademie, der Botaniker Fritz Knoll. Dieser war seit 1937 Mitglied der NSDAP.
Nachdem Hans Przibram seine beiden Häuser an der Ringstraße weit unter dem Wert verkaufen musste, gelang es ihm und seiner Frau im Dezember 1939 nach Amsterdam zu emigrieren. Nach der Okkupation der Niederlande wurde das Ehepaar am 21./22. April 1943 ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Sein Bruder Karl Przibram, der 1939 nach Brüssel emigriert war und dort im Untergrund überleben konnte, erhielt aus Amsterdam eine noch am 21. April 1943 datierte Karte seines Bruders, wo er ihm von der Deportation berichtete. Am 20. Mai 1944 starb Hans Przibram im KZ Theresienstadt an Entkräftung in Folge eines Hungerödems. Seine Frau Elisabeth nahm sich tags darauf durch Gift das Leben. Am Familiengrab (Gruppe 8, Reihe 62, Nr. 30) am Wiener Zentralfriedhof wurde eine Gedenktafel angebracht.
Das Gebäude und die gesamte Einrichtung der Versuchsanstalt wurden beim Kampf um Wien im April 1945 zerstört, alle Tiere getötet. 1947 gab die Akademie der Wissenschaften das Institut endgültig auf.
Quellen
- Wienbibliothek im Rathaus, Tagblattarchiv: Przibram, Hans [Sign.: TP 040276]
Literatur
- Klaus Taschwer / Johannes Feichtinger / Stefan Sienell / Heidemarie Uhl [Hg.]: Experimentalbiologie im Wiener Prater. Zur Geschichte der Biologischen Versuchsanstalt 1902–1945
- Klaus Taschwer: Ein tragischer Held der österreichischen Wissenschaft. In: Der Standard, 05.02.2014 [Stand: 20.07.2023]
- Wolfgang L. Reiter: Zerstört und vergessen: Die Biologische Versuchsanstalt und ihre Wissenschaftler/innen. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 10 (1999) 4, S. 585–614 [Stand: 20.07.2023]
- Robert Winter: Das Akademische Gymnasium in Wien. Vergangenheit und Gegenwart. Wien [u.a.]: Böhlau 1996, S. 203
- Friedrich Stadler [Hg.]: Vertriebene Vernunft. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft. Wien: Jugend & Volk 1988
- Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes: Doris Baumann: Es waren einfach alle Freunde weg [Stand: 20.07.2023]
- Österreichisches Biographisches Lexikon: Hans Leo Przibram [Stand: 20.07.2023]
- Deutsche Biographie: Hans Leo Przibram [Stand: 20.07.2023]
- Gedenkbuch der Universität Wien: Hans Przibram [Stand: 20.07.2023]
- 650 plus – Geschichte der Universität Wien: Hans Leo Przibram [Stand: 20.07.2023]
- Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Opferdatenbank, Abfrage: Hans Przibram [Stand: 20.07.2023]
- Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina: Mitgliedereintrag [Stand: 20.07.2023]
- Vienna Tourist Guide: Gustav Przibram [Stand: 20.07.2023]
Hans Przibram im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.