Roßauer Kaserne
Roßauer Kaserne (ursprünglich Kronprinz-Rudolph-Kaserne; 9, Schlickplatz 6, Maria-Theresien-Straße 21-23, Türkenstraße 22-22a, Roßauer Lände 1), ein ausgedehnter Ziegelrohbau von festungsartigem Charakter (verbaute Fläche 17.940 Quadratmeter auf einem Grundstück von 43.293 Quadratmetern, Länge 270 Meter, Breite 140 Meter, an der Außenfront rund 1.300 Fenster) im Windsorstil (veralteter Nachläufer des romantischen Historismus), als „Defensivkaserne" 1865-1869 nach Plänen des Obersten des Geniestabs Karl Pilhal und des Majors Karl Markl erbaut und am 17. August 1870 der Benützung übergeben.
Die Kaserne, die einen Teil des nach der niedergeschlagenen Revolution (1848) entworfenen Kasernenbaukonzepts bildete (zwischen Innenstadt und Vorstädten sollte ein Gürtel von [nicht zur Gänze realisierten] Militärstützpunkten entstehen, um künftig revolutionäre Bewegungen der Bevölkerung schon im Keim ersticken zu können; als Pendant war bereits 1852-1857 die Franz-Joseph-Kaserne am Stubenring errichtet worden), besitzt in der Mitte jeder Front je zwei zinnenbekrönte (achtgeschossige) Türme, an deren Schmalseiten sich halbkreisförmige Vorbauten für Geschützstände befinden sowie schwach vorstehende Eckrisalite (mit normannischen Zinnen); die Zinnen der Türme, von kleinen Türmchen eingefasst, springen vor und werden von einem konsolartigem Rundbogenfries getragen; unter dem Fenstersims des ersten Stocks zieht sich ein romanisches Zackenfries um das ganze Gebäude, das eine durchgehende Attika mit Brustwehr besitzt. Im Südtrakt war die Kapelle „Zur heiligen Elisabeth" untergebracht (geweiht am 16. August 1876). Die noch von Richard Groner kolportierte „Spezialität", man habe beim Bau der Kaserne auf die Aborte vergessen, ist falsch: die Mannschaftsaborte befanden sich allerdings ausschließlich (um zentrale Fallrohre gruppiert) in zwei Türmen in den Ecken der beiden äußeren Höfe. Vor der Kaserne befand sich der Tandelmarkt.
In der Ersten Republik waren in der Roßauer Kaserne 1927 ein Obdachlosenasyl und das Deutschmeistermuseum untergebracht; 1936 wurden die Stallungen in Garagen umgebaut.
Nach dem Zweiten Weltkrieg musste der stark beschädigte Nordtrakt (ehemals Infanterie-Offizierstrakt) wiederhergestellt werden; 1959 wurde (nachdem verschieden andere Umbauten vorgenommen worden waren) der gesamte Nordhof überdacht. In die Roßauer Kaserne zogen Dienststellen des Bundeministeriums des Inneren und der Bundespolizeidirektion Wien ein (unter anderem auch die Kraftfahrzeuganmeldestelle). Als der Bauzustand sich verschlechterte, wurde 1977 ein Abbruch erwogen, doch entschied man sich schließlich aus Denkmalschutzerwägungen für die Erhaltung des Bauwerks. Daraufhin wurde mit Umbau- und Nutzungsüberlegungen begonnen (zur Debatte standen beispielsweise Einrichtung eines dritten Opernhauses beziehungsweise Umwandlung in ein Universitätzentrum); nach Ausschreibung eines Wettbewerbs, dessen Ergebnisse im Jänner 1989 vorgestellt wurden, fiel die Entscheidung zugunsten einer gemischten Nutzung (Universität-Handel-Wohnen), Ende 1989 begann der Auszug der Polizeidienststellen, 1990 die Restaurierung der Fassaden am Schlickplatz).
Literatur
- Carl Much: Die Roßauer Kaserne. In: Das Heimatmuseum Alsergrund. Mitteilungsblatt des Museumsvereines Alsergrund. Heft 27–31. Wien: Museumsverein Alsergrund 1966/1967
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 2. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, Register
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 3. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, Register
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 4. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, Register
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 6. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, Register
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 9/2. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, Register
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 11. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, Register
- Felix Czeike: IX. Alsergrund. Wien [u.a.]: Jugend & Volk (Wiener Bezirkskulturführer, ²9), S. 44
- Renate Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19. Jahrhundert. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1970, S. 119, S. 123 f., S. 132, S. 160
- Renate Wagner-Rieger: Die Roßauer Kaserne in Wien und ihre Bedeutung. In: Österreichische Hochschulzeitung. Magazin für Wissenschaft und Wirtschaft. Heft 12. Wien: Verband der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs 1979
- Adolf Wolf: Alsergrund-Chronik. Von der Römerzeit bis zum Ende der Monarchie. Wien: Selbstverlag 1981, S. 165, S. 168, S. 182 f., S. 222 f.
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- Waissenberger, Nutzbauten, S. 14, S. 16, S. 103, S. 107
- Felix Czeike: IX. Alsergrund. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1979 (Wiener Bezirkskulturführer, 9), S. 41
- Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. 2 Bände. Wien: Gerlach & Wiedling 1905, 1905
- Emil Winkler: Technischer Führer durch Wien. Wien: Lehmann & Wentzel 1873 , S. 132 f.
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- Wien 1848-1888. Denkschrift zum 2. December 1888. Band 1. Wien: Konegen in Comm. 1888, S. 296
- Manfred Wehdorn: Die Neunutzung der Roßauer Kaserne in Wien als Universitätzentrum. In: Steine sprechen 83/1987, 11 ff.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 1: Geschichte, historische Hilfswissenschaften, Festungswerke und Kriegswesen, Rechtswesen, Kulturgeschichte, Sittengeschichte. Wien: Touristik-Verlag 1947, S. 129.
- Walter Baschtarz, Die „Kronprinz-Rudolph-Kaserne" oder „Rossauer Kaserne". Manuskript Topographische Sammlung Wiener Stadt- und Landesarchiv