Lili Grün

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Daten zur Person
Personenname Grün, Lili
Abweichende Namensform Grün, Lilly; Grün, Elisabeth
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 32855
GND 126449090
Wikidata Q1824953
Geburtsdatum 3. Februar 1904
Geburtsort Wien 4066009-6
Sterbedatum 1. Juni 1942
Sterbeort Konzentrationslager Maly Trostinec 4655366-6
Beruf Schriftstellerin, Schauspielerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle
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Recherche
Letzte Änderung am 22.11.2023 durch WIEN1.lanm09krs
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
  • 15., Arnsteingasse 33 (Wohnadresse)
  • 9., Wagnergasse (9) 5 (Wohnadresse)
  • 9., Marktgasse 45 (Wohnadresse)
  • 1., Neutorgasse 9 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • ist Lebensgefährtin oder Lebensgefährte von Ernst Spitz

Lili Grün, * 3. Februar 1904 Wien, † 1. Juni 1942 Vernichtungslager Maly Trostinec, Schauspielerin, Schriftstellerin.

Biografie

Elisabeth "Lili" Grün war das jüngste von vier Kindern des aus dem ungarischen Élesd (heute Aleşd, Rumänien) stammenden Kaufmanns Hermann (Ármin) Grün und dessen aus Wien gebürtigen Ehefrau Regine Grün, geborene Goldstein. Die Familie lebte ab 1909 in der Arnsteingasse 33, wo auch das Geschäft des Vaters untergebracht war. 1915 verstarb die Mutter, im Jahr darauf wurde der Vater in den Ersten Weltkrieg eingezogen. Er überlebte den Dienst an der Front, doch verstarb er 1922 an einem Nierenleiden, das er sich während des Krieges zugezogen hatte. Ihre ältere Schwester Margarethe "Grete" Grün († 5. 9.1927) war die Sekretärin Hugo Bettauers und war während des Attentats auf Bettauer anwesend. Später heiratete sie dessen Sohn Hellmuth Bettauer.

Nach Abschluss der Volks- und Bürgerschule 1918 absolvierte Lili Grün eine kaufmännische Ausbildung zur Kontoristin. Von Kindheit an dem Theater zugetan, nahm sie privaten Schauspielunterricht und war etwa in den Jahren 1920 bis 1924 am Deutschen Volkstheater in kleinen Rollen zu sehen. Auch spielte sie an der Bühne der Sozialistischen Arbeiterjugend. Ende der 1920er Jahre ging Lili Grün nach Berlin. Sie fand Anschluss an die dortige Kabarettszene und war Gründungsmitglied des politisch-literarischen Kabarett-Kollektivs "Die Brücke". Auch verfasste sie erste Gedichte und Kurzgeschichten die unter anderem im Berliner Blatt "Tempo", im "Berliner Tageblatt" und im "Prager Tagblatt" erschienen. Da sie von ihrer künstlerischen und schriftstellerischen Tätigkeit nicht leben konnte, arbeitete sie tagsüber als Küchenhilfe und Verkäuferin in einer Konditorei.

Bereits an Tuberkulose erkrankt, kehrte Lili Grün vermutlich noch 1931 nach Wien zurück und begann an ihrem Roman "Herz über Bord" zu arbeiten. Ihr Debutroman erschien 1933 im Zsolnay-Verlag; er wurde von der Presse überwiegend positiv aufgenommen und auch ins Ungarische und Italienische übersetzt. Im Oktober 1933 verließ sie mit ihrem Lebensgefährten, dem Wiener Journalisten und Schriftsteller Ernst Spitz (1902–1940), das von den Vorzeichen des Austrofaschismus geprägte Wien und reiste mit ihm über Prag nach Paris. Gesundheitlich und ökonomisch schwer angeschlagen kam sie 1935 nach Wien zurück. Felix Costa, Cheflektor beim Zsolnay-Verlag, sammelte Spenden für die Schriftstellerin und finanzierte ihr damit Kuraufenthalte.

Grüns zweiter Roman "Loni in der Kleinstadt", den sie ihrem Lebensgefährten Ernst Spitz widmete, wurde 1933 in der Zeitung "Der Wiener Tag" vorabgedruckt und erschien 1935 als Buch in der Zürcher Reihe "Bibliothek zeitgenössischer Werke" des Zsolnay-Verlages. Diese Reihe ermöglichte es Paul Zsolnay, Autorinnen und Autoren, die in Deutschland nicht mehr vertrieben werden durften, eine Publikationsmöglichkeit zu bieten. Die Novelle "Anni hat Unrecht" wurde vom Zsolnay-Verlag nicht mehr gedruckt. Lili Grüns vermutlich letzter Roman "Junge Bürokraft übernimmt auch andere Arbeit" erschien von Dezember 1936 bis Jänner 1937 als Erstabdruck in "Der Wiener Tag". Kürzere Texte erschienen in den Jahren 1931 bis 1937 zudem in "Der Wiener Tag", "Wiener Mode", "Das interessante Blatt", "Die Muskete", "Die Stunde".

Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme verlor Lili Grün als jüdische Schriftstellerin sämtliche Publikationsmöglichkeiten. Eine Flucht ins Ausland ließen wohl weder Ökonomie noch Gesundheitszustand zu. Die Wohnung im Gemeindebau in der Marktgasse 45 wurde ihr gekündigt. In Folge wurde Grün mehrfach delogiert. Zuletzt war sie in einem Massenquartier in der Neutorgasse 9 untergebracht. Am 27. Mai 1942 wurde sie nach Maly Trostinec deportiert und dort am Tag ihrer Ankunft, am 1. Juni 1942, ermordet. Im selben Transport befand sich auch Alma Johanna Koenig.

Ab 2011 wurden Lili Grüns Werke im Berliner AvivA-Verlag – teils mit anderen Titeln – neu aufgelegt. 2016 erschien die Graphic Novel "Schwere Zeiten. Das Leben der Lili Grün" (bahoe books). Seit 2007 erinnert ein "Stein der Erinnerung " in der Heinestraße 4 im 2. Bezirk an Lili Grün und 2008 wurde der Lili-Grün-Platz nach der Schauspielerin und Schriftstellerin benannt.

Quellen

Werke

  • Lili Grün: Herz über Bord. Wien: Paul Zsolnay 1933 (Neuausgabe: Alles ist Jazz. Hg. und mit einem Nachwort von Anke Heimberg. Berlin: AvivA 2009)
  • Lili Grün: Loni in der Kleinstadt. Zürich: Bibliothek zeitgenössischer Werke 1935. Abdruck in: "Der Wiener Tag", 07.08.1935, S. 12 bis 13.09.1935, S. 12 (Neuausgabe: Zum Theater! Hg. und mit einem Nachwort von Anke Heimberg. Berlin: AvivA 2011)
  • Lili Grün: Anni hat Unrecht. Unveröffentlichte Novelle
  • Lili Grün: Junge Bürokraft übernimmt auch andere Arbeit. Abdruck in "Der Wiener Tag", 06.12.1936, S. 23 bis 14.01.1937, S. 12.
  • Lili Grün: Mädchenhimmel! Gedichte und Geschichten. Gesammelt, herausgegeben, kommentiert und mit einem Nachwort von Anke Heimberg. Berlin: AvivA 2014


Literatur

  • Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 1. Wien: Böhlau 2016, S. 1100 f.
  • Thomas Fatzinek: Schwere Zeiten. Das Leben der Lili Grün. Wien: bahoe books 2016
  • Corinna Prey: Leben und Werk der Lili Grün. Diplomarbeit Universität Wien. Wien: 2011. DOI 10.25365/thesis.16516 [Stand: 26.05.2023]
  • Murray G. Hall: Ernst Weiss und der Paul Zsolnay Verlag [Stand: 03.01.2017]
  • Peter Autengruber: Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. 9. Aufl. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 188
  • Anke Heimberg: Nachwort. In: Lili Grün: Alles ist Jazz. Berlin: AvivA 2009, S. 183–211
  • Eckart Früh [Hg]: Lili (Elisabeth) Grün. In. Spuren und Überbleibsel. Bio-bibliographische Blätter, Nummer 61 (2005)
  • Heiner Schmidt: Quellenlexikon zur deutschen Literaturgeschichte. Personal- und Einzelwerkbibliographien der internationalen Sekundärliteratur 1945 – 1990 zur deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Band 9. 3., überarb. Aufl. Duisburg: Verlag für Pädagogische Dokumentation 1996
  • Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [u.a.]: Böhlau 1992
  • Sigrid Schmid-Bortenschlager / Hanna Schnedl-Bubenicek: Österreichische Schriftstellerinnen 1880 – 1938. Eine Bio-Bibliographie. Stuttgart: H.-D. Heinz 1982 (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik, 119)
  • Hilde Spiel [Hg.]: Die zeitgenössische Literatur Österreichs. München: Kindler 1976 (Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart. Autoren, Werke, Themen, Tendenzen seit 1945, 3)
  • Personendatenbank des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, Abfrage: Elisabeth Grün [Stand: 26.05.2023]
  • FemBio. Frauen. Biographieforschung: Lili Grün [Stand: 26.05.2023]


Lili Grün im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.