Hugo Bettauer

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Hugo Bettauer, um 1925
Daten zur Person
Personenname Bettauer, Hugo
Abweichende Namensform Bettauer, Hugo Maximilian; Betthauer, Hugo
Titel
Geschlecht männlich
PageID 10398
GND 11851038X
Wikidata Q85728
Geburtsdatum 18. August 1872
Geburtsort Baden bei Wien, Niederösterreich
Sterbedatum 26. März 1925
Sterbeort Wien
Beruf Journalist, Schriftsteller
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Zwischenkriegszeit, Attentat auf Hugo Bettauer, Karl Kraus (Portal)
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
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Recherche
Letzte Änderung am 28.03.2024 durch WIEN1.lanm09pra
Begräbnisdatum
Friedhof Feuerhalle Simmering
Grabstelle
Bildname Hugo Bettauer 1925.jpg
Bildunterschrift Hugo Bettauer, um 1925
  • 18., Wallrißstraße 72 (Letzte Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Hugo Bettauer, * 18. August 1872 Baden bei Wien, † 26. März 1925 Wien, Journalist, Schriftsteller.

Biografie

Hugo Betthauer war der Sohn des Börsenarrangeurs Arnold Bettauer und seiner Gattin Anna, geborene Wecker. Zusammen mit Karl Kraus besuchter er das Franz-Joseph-Gymnasiums (1., Stubenbastei) - seine Erinnerungen an den jungen Kraus sind wichtige Quellen, da Erzählungen zu Kindheit und Jugend von Kraus nur sehr spärlich vorliegen. Nach dem Besuch des Gymnasiums trat Bettauer am 20. Juli 1890 vom jüdischen zum evangelischen Glauben über. Im Zuge der Konversion beantragte er die Änderung der Schreibweise seines Namens von Hugo Betthauer in Maximilian Hugo Bettauer. Im selben Jahr ging er als Einjährig-Freiwilliger zu den Kaiserjägern nach Tirol, desertierte jedoch nach fünf Monaten und floh nach Zürich. Nach dem Tod seiner Mutter wanderte Bettauer mit seiner ersten Gattin Olga Steiner in die USA aus, wo er durch eine Fehlinvestition das väterliche Erbe verlor, jedoch in New York die amerikanische Staatsbürgerschaft erlangte. Dieser Ehe entstammte der Berliner Versicherungsvertreter Gustav Hellmuth (Helmut) Bettauer (*1899), der 1944 im Konzentrationslager Auschwitz verstarb.

1899 kehrte Hugo Bettauer aus den Vereinigten Staaten nach Europa zurück und ließ sich in Berlin nieder, wo er die Redaktion des Lokalteils der "Berliner Morgenpost" übernahm. Durch seinen investigativen Journalismus geriet er mit der Polizei und den Behörden in Konflikt. Nach einer gerichtlichen Verurteilung und einer Freiheitsstrafe wurde Bettauer 1901 aus Preußen ausgewiesen. Danach führte ihn seine berufliche Tätigkeit nach München und Hamburg, bevor er 1904 ein weiteres Mal in die USA auswanderte. Mit seiner zweiten Gattin Helene Müller, die er während der Überfahrt heiratete, hatte er wieder einen Sohn, den amerikanischen Juristen Reginald Parker (1904–1967).

In den USA gelang ihm 1907 – mit Fortsetzungsromanen für das zum Hearst-Konzern gehörende "New Yorker Morgen-Journal" – der journalistische Durchbruch. 1908 kehrte Bettauer nach Österreich und 1910 nach Wien zurück. Hier arbeitete er 1914 bis 1918 als Redakteur der "Neuen Freien Presse". Im Jahr 1917 soll er sich mit Stefan Zweig des Öfteren im Café Beethoven getroffen haben (1., Universitätsstraße 11).

Nach dem Ersten Weltkrieg erschienen seine bedeutendsten Romane: "Die Stadt ohne Juden. Ein Roman von übermorgen" (1922), "Der Kampf um Wien" (1923), "Die freudlose Gasse" (1924) und "Das entfesselte Wien" (1924). Als Boulevardjournalist wandte er sich einem Tabu seiner Zeit zu, der nicht (ausschließlich) in ehelichen Beziehungen gelebten Sexualität. 1924 gab er gemeinsam mit Rudolf Olsen "Er und Sie. Wochenschrift für Lebenskultur und Erotik" heraus, die er jedoch infolge mehrerer Beschlagnahmungen mit Nummer 5 einstellte (im sogenannten Pornographie-Prozess wurde er allerdings im September 1924 freigesprochen) und durch "Bettauers Wochenschrift. Probleme des Lebens" (Aufklärung und Ratschläge für zwischenmenschliche Beziehungen) ersetzte, die ebenfalls großen Erfolg hatte. Zeitweise trat Bettauer auch als Conferencier im "Simpl" auf.

Hugo Bettauers offener Umgang mit Erotik und Sexualität, wozu sein Eintreten für die Straffreiheit von homosexuellen Beziehungen ebenso zu zählen ist wie für die Abschaffung des Abtreibungsverbots, empörte und polarisierte auch die politische Öffentlichkeit. Bundeskanzler Seipel nutzte die Person Hugo Bettauer in einem öffentlichen Auftritt am 13. März 1924 für einen konservativ-reaktionären Rundumschlag gegen das Rote Wien unter Bürgermeister Karl Seitz, indem er diesen aufforderte, "sich offen zum Prinzip der Entsittlichung und Verseuchung des Volkes bekennen, [...] sich Seite an Seite mit den literarischen Schmutzfinken [zu] zeigen."[1]

Reklame für einen in "Bettauers Wochenschrift" publizierten Fortsetzungsroman, um 1924

Seipels Auftritt führte in der darauffolgenden Gemeinderatssitzung vom 21. März 1924 zu einer heftigen Debatte über die journalistische Arbeit Bettauers als Herausgeber von "Bettauers Wochenschrift", die sich zu einer Schlägerei zwischen christlichsozialen und sozialdemokratischen Parteigängern auswuchs. Angestachelt von der Aufforderung des Bundeskanzlers, gegen Schmutz und Schund zu kämpfen, hatte der christlichsoziale Gemeinderat Anton Orel durch seine antisemitische Äußerung, "dass von einem Juden Bettauer eine Zeitschrift herausgegeben worden sei, die voll jüdischer Schweinereien eine wahre Pestseuche für die Jugend bedeutet. Es dürfe nicht angehen, dass solche jüdischen Produkte das christliche Volk zugrunde richten [...]"[2] den Tumult ausgelöst.

Gegen Bettauer wurde in weiterer Folge eine nationalsozialistisch-antisemitisch motivierte Hetzkampagne begonnen. Dieser fiel er schließlich zum Opfer, als der beschäftigungslose Zahntechniker Otto Rothstock (1904–1990), ein fanatisierter Gegner seiner Schriften, am 10. März 1925 in seinen Redaktionsräumen in 8., Lange Gasse 7, ein Revolverattentat auf ihn verübte. Fälschlicherweise gibt das Totenbeschauprotokoll als Bettauers Alter 46 Jahre an.

Tatortskizze aus dem Strafprozessakt, 1925
Bettauers Redaktionszimmer in der Lange Gasse kurz nach dem Attentat. An der Wand hängt ein Plakat zu "Bettauers Wochenschrift"

Rothstock wurde daraufhin in eine Anstalt eingewiesen, 1927 entlassen und blieb von weiterer Strafverfolgung unbehelligt. Hugo Bettauer selbst verstarb an den Folgen des Attentats im Allgemeinen Krankenhaus.

2009 wurde der Hugo-Bettauer-Platz nach dem Schriftsteller und Journalisten benannt.

Totenmaske von Hugo Bettauer (1925)

Quellen

Literatur

  • Peter Ernst: Wiener Literaturgedenkstätten. Hg. von Felix Czeike. Wien: J & V-Edition Wien-Verlag 1990
  • Murray G. Hall: Hugo Bettauer. In: Das jüdische Echo 9 (1983)
  • Gerhard Botz: Gewalt in der Politik. Attentate, Zusammenstöße, Putschversuche, Unruhen in Österreich 1918 bis 1938. München: Fink ²1983, S. 133 ff.
  • Peter Herz: Leben und Tod von Hugo Bettauer. In: Illustrierte Neue Welt 3 (1982)
  • Murray G. Hall: Der Fall Bettauer. Wien: Löcker 1978
  • Josef Fraenkel: The Jews of Austria. London: Vallentine 1967
  • Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wiener Zeitung, 14.3.1924, S. 4
  2. Rathauskorrespondenz, 21.3.1924, Sitzungsprotokoll des Gemeinderates