Lektürekabinette

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Daten zur Organisation
Art der Organisation
Datum von 1772
Datum bis 1798
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 62026
GND
WikidataID
Objektbezug Frühe Neuzeit, Langes 19. Jahrhundert
Quelle
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Letzte Änderung am 6.02.2023 durch WIEN1.lanm08trj

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  • Lesekabinette

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Lektürekabinette. Im 18. Jahrhundert von Frankreich ausgehende Einrichtungen (cabinets de lecture), in denen gegen Bezahlung Bücher, Zeitschriften und Zeitungen konsultiert werden konnten und die darüber hinaus der geselligen Zusammenkunft dienten.

Angeblich soll bereits um 1740 ein gewisser Burger beim Bauernmarkt "Unter den Ketten" eine Leihbibliothek errichtet haben, diese konnte bislang aber nicht belegt werden. Somit war das von Jakob Franz Bianchi Anfang 1772 in Zusammenhang mit dem Comptoir der Künste, Wissenschaften und Commerzien im Baron Prandauischen Haus am Kohlmarkt Nr. 1178 eröffnete "Lekturkabinet(t)" die erste bekannte Einrichtung dieser Art in Wien. Die Einschreibgebühr betrug 12 Gulden jährlich, das Angebot bestand vorwiegend in ökonomischer, naturwissenschaftlicher und geographischer Literatur, ergänzt um belletristische Werke und einige Zeitschriften.

Nach dem Rückzug Bianchis übersiedelte das Kabinett 1775 in den Trattnerhof, befand sich während dessen Umbau kurzfristig im Settischen Haus am Stock-im-Eisen-Platz und ab 1776 wieder im Trattnerhof. Neuer Leiter war Karl von Zahlheim, Eigentümer war ab 1777 Johann Thomas von Trattner, als Direktor firmierte spätestens ab 1780 der herzoglich Weimarische Rat Johann Friedrich Schmidt, 1787 wurde in dieser Funktion Charles Grandmesnil (Grandmenil) genannt. Die letzte Erwähnung ist für 1789 belegt.

Die gedruckten Kataloge verzeichneten nun vorwiegend belletristische und philosophische Werke, eine Ausleihe nach Hause war möglich. In den Räumlichkeiten wurden auch Getränke und Erfrischungen serviert, es konnte Schach gespielt werden. Die auch als "Kasino" bezeichnete Einrichtung wurde unter anderem von Adligen und Gelehrten frequentiert, die Gebühren betrugen 1780 2 Gulden im Monat beziehungsweise 7 Kreuzer am Tag.

Weitere bekannte Lektürkabinette beziehungsweise Leihbibliotheken waren im 18. Jahrhundert das Finsterbusische Lesekabinett (Erwähnung 1783), die 1789 gegründeten von Johann Michael Zehetmayer und Blasius Kiermayr in der Goldschmiedgasse Nr. 540 und von Johann Georg Binz auf dem Stephansfriedhof im Zwettelhof, 1797 bestanden daneben zwei weitere von einem gewissen Haas und von Johann Baptist Wallishausser geführte Leihbibliotheken. In diesen Jahren soll auch eine Reihe von "Winkelleihbibliotheken" durch Buchbinder, Friseure und sonstige Geschäftsleute betrieben worden sein.

Lektürekabinette unterstanden seit 1783 einer strengen Zensur, 1798 wurden sie als "schädlich" verboten. Im Jahr darauf wurden auch Leihbibliotheken verboten und erst ab 1811 wieder erlaubt (Leihbibliothek).

Literatur

  • Peter R. Frank / Johannes Frimmel [Hg.]: Buchwesen in Wien 1750–1850. Kommentiertes Verzeichnis der Buchdrucker, Buchhändler und Verleger. Wiesbaden: Harrassowitz 2008 (Buchforschung. Beiträge zum Buchwesen in Österreich, 4), Lemmata "Binz, Johann Georg", S. 28-30, "Burger", S. 37, "Comptoir der Künste, Wissenschaften und Commerzien", S. 44, "Grandmesnil, Charles", S. 88 f.), "Wallishausser, Johann Baptist I", S. 299 f., "Zahlheim, Karl von", S. 315, "Zehetmayer & Kiermayer", S. 316
  • Alberto Martino: Die deutsche Leihbibliothek. Geschichte einer literarischen Institution (1756-1914). Wiesbaden: Harrassowitz 1990 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, 29)
  • Alberto Martino: "Lekturkabinette" und Leihbibliotheken in Wien (1772-1848). In: Die österreichische Literatur. Ihr Profil an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert (1750-1830). Hg. von Herbert Zeman. Graz: ADEVA 1979 (Jahrbuch für österreichische Kulturgeschichte, VII-IX), S. 119-142
  • Alois Jesinger: Wiener Lekturkabinette. Wien: Berthold & Stempel 1928