Irene Hellmann

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Daten zur Person

Irene Hellmann, * 3. November 1882 Göding, Mähren (Hodonín, Tschechien) † 6. März 1944 Auschwitz, Kunstmäzenin.

Biografie

Irene Hellmann stammte aus der mährischen Industriellenfamilie Redlich, die in der Zucker- und Textilproduktion reüssierte und sich im 19. Jahrhundert ins Wiener Großbürgertum hocharbeitete. 1901 heiratete sie Paul Hellmann, ebenfalls aus einer wohlhabenden Familie, die sich in der Textilindustrie zu Großindustriellen hochgearbeitet hatten; darüber hinaus war Hellmann ein ausgezeichneter Geiger, der drei Stradivaris besaß, sowie Amateurfotograf. Das Paar bekam in den folgenden Jahren drei Kinder: Bernhard Hellmann (1903–1943), einer der besten Freunde des Verhaltensforschers Konrad Lorenz, der sich auch selbst durch seine Tierbeobachtungen in der frühen Ethologie hervortat; Ernst Hellmann (1905–1980) und Ilse Hellmann Noach, die im Londoner Exil eine bekannte Kinderpsychologin wurde.

Die Hellmanns waren idealtypische Vertreter des kunst-, literatur- und musikbegeisterten Großbürgertums in Wien um 1900 und trugen materiell wie ideell maßgeblich dazu bei, dass Kunst und Kultur der Stadt um die Jahrhundertwende eine ihrer innovativsten Perioden hatte. Der Salon des großzügigen Ehepaars in einer repräsentativen Wohnung hinter der Votivkirche - in der Günthergasse 1 - wurde von Koloman Moser gestaltet und war bis in der 1920er Jahre einer der zentralen Knotenpunkte der Wiener Moderne. Das Rosé-Quartett trat hier oft auf und Gustav Mahler soll hier sein letztes großes Werk "Das Lied von der Erde" – wohl in Klavierauszügen – uraufgeführt haben. Mahler wie auch Richard Strauss und Egon Wellesz waren sowohl in der Wiener Wohnung wie auch in der Sommervilla in Altaussee oder auf dem Anwesen der Redlichs in Göding gern gesehene Gäste. Die Hellmanns boten nicht nur Unterhaltung, Vernetzung und Förderung, sondern auch Rückzugsräume zum arbeiten. Zum Dank eignete etwa Richard Strauss sein bekanntes Lied "Schlechtes Wetter" (Opus 69, No. 5) Irene Hellmann zu.

Eine besondere Freundschaft verband das Paar mit Hugo von Hofmannsthal, wie 67 Briefe des bekannten Dichters belegen. Durch ihn spielten die Hellmanns auch eine zentrale Rolle in der Frühgeschichte der Salzburger Festspiele. Von Beginn an hielt Hofmannsthal sie über die Festspiel-Pläne am Laufenden und bat sie, Kontakte zu wichtigen Unterstützern und Finanziers herzustellen. Sie fungierten nicht nur als Berater und Förderer, sondern Paul Hellmann wurde 1920 auch ins Direktorium der Salzburger Festspielhausgemeinde gewählt, in dem er bis 1924 blieb.

Nach 1938 wurden die Hellmanns als jüdische Familie verfolgt. Irene Hellmann floh, nachdem ihr Mann Paul im Dezember 1938 in Wien verstorben war, 1939 zu ihrem Sohn Bernhard nach Rotterdam. Nach der nationalsozialistischen Besetzung der Niederlande im Mai 1940 waren Mutter und Sohn im Land gefangen und versuchten versteckt zu überleben. Beide wurden verraten und in Vernichtungslager deportiert. Irene Hellmann wurde am Tag ihrer Ankunft in Auschwitz, am 6. Mai 1944, ermordet.

Literatur

  • Klaus Taschwer: Wie wichtige jüdische Förderer der Salzburger Festspiele einfach vergessen wurden, in: Der Standard, 13. Juli 2021
  • Marcus G. Patka / Sabine Fellner im Auftrag des Jüdischen Museums Wien [Hg.]: Jedermanns Juden. 100 Jahre Salzburger Festspiele. Wien / Salzburg: Residenz Verlag 2021
  • Martin Th. Pollner: Die Familien Redlich und Hellmann in Aussee. Teil 1. In: Alpenpost. Zeitung des Steirischen Salzkammergutes. Band 7, 3. April 2014, S. 23
  • Paul Hellmann: Irene, mijn grootmoeder. De neergang van een Weens-Joodse familie. Amsterdam: Uitgeverij Augustus 2015
  • Werner Volke [Hg.]: Briefe an Paul und Irene Hellmann. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Band 11, 1967, S. 170–224

Weblinks