Helene Richter

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Elise und Helene Richter
Daten zur Person
Personenname Richter, Helene
Abweichende Namensform
Titel Dr. h.c.
Geschlecht weiblich
PageID 34195
GND 116512113
Wikidata Q1602014
Geburtsdatum 4. August 1861
Geburtsort Wien
Sterbedatum 8. November 1942
Sterbeort Konzentrationslager Theresienstadt
Beruf Anglistin, Theaterwissenschaftlerin, Kritikerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus
Objektbezug
Quelle Gedenktage, Gedenktage-GW
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 3.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname EliseUndHeleneRichter.jpg
Bildunterschrift Elise und Helene Richter
  • 1., Fleischmarkt 17 (Wohnadresse)
  • 8., Florianigasse 1 (Wohnadresse)
  • 19., Weimarer Straße 83 (Wohnadresse)
  • 9., Seegasse 16 (Wohnadresse)
  • 19., Carl-Ludwig-Straße 69 (Wohnadresse)
  • 9., Mariannengasse (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Dr. h. c. Universität Heidelberg (Übernahme: 1931)
  • Dr. h. c. Universität Erlangen (Übernahme: 1931)
  • Bürgerin der Stadt Wien (Verleihung: 10. Juli 1931)

Helene Richter, * 4. August 1861 Wien, † 8. November 1942 Konzentrationslager Theresienstadt, Anglistin, Theaterwissenschaftlerin.

Biografie

Helene Richter wurde in eine großbürgerliche Familie hineingeboren. Ihr Vater Maximilian Richter (1824–1890) war Chef des Sanitätsdienstes der k.k. Südbahn Wien–Triest, die Mutter Emilie, geborene Lackenbacher (1832–1889), entstammte einer Budapester Patrizierfamilie. Zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Elise Richter erhielt Helene Richter Privatunterricht im elterlichen Haus. Darüber hinaus bildete sie sich durch autodidaktische Studien weiter und wurde schließlich Gasthörerin an der Universität Wien. Als junge Frau unternahm sie ausgedehnte Reisen durch Europa und Nordafrika.

Ab den 1890er Jahren setzte sich Helene Richter intensiv mit der englischen Literatur auseinander. 1892 publizierte sie in der "Vossischen Zeitung" eine Arbeit über Percy Bysshe Shelley, dessen Versdrama "Der entfesselte Prometheus", von Richter übersetzt und kommentiert, 1895 in Reclams Universal-Bibliothek erschien. 1897 folgte in der Zeitschrift "Deutsche Worte" eine umfangreiche Studie über Mary Wollstonecraft, die der Verlag Carl Konegen unter dem Titel "Mary Wollstonecraft, die Verfechterin der 'Rechte der Frau'" im selben Jahr in Buchform herausbrachte. 1898 legte Richter eine 640 Seiten starke Biografie über Percy Bysshe Shelley vor. Einen Namen machte sie sich schließlich mit einer zweibändigen, 1911 bei Niemeyer veröffentlichten "Geschichte der englischen Romantik"; darüber hinaus wirkte sie in der Shakespeare-Forschung und wurde insbesondere durch ihre Monografien bedeutender englischer Dichterinnen und Dichter bekannt. Wichtig in diesem Zusammenhang sind ihre Arbeiten zu William Blake (1906) und George Eliot (1907).

Aufmerksamkeit erregte Helene Richter auch auf dem Gebiet der Theaterwissenschaft. Es entstanden zahlreiche Theaterrezensionen für literarische Jahrbücher, die bei ihr zu einer tiefergehenden Beschäftigung mit der Geschichte des Burgtheaters führten. "Unser Burgtheater" erschien 1918 bei Amalthea, die Festschrift "Josef Lewinsky" 1926 im Deutschen Verlag für Jugend und Volk. Die Speidel'sche Verlagsbuchhandlung in Wien brachte 1931 ihre Biografie über Josef Kainz heraus. Lediglich als Typoskript erhalten ist das 1938 fertiggestellte dreibändige Werk "Die drei großen Tragödinnen des Burgtheaters im 19. Jahrhundert", das Sophie Schröder, Julie Rettich und Charlotte Wolter gewidmet ist.

1931, anlässlich ihres 70. Geburtstags, erhielt Richter die Ehrendoktorate der Universitäten Heidelberg und Erlangen und wurde zum "Bürger ehrenhalber der Stadt Wien" ernannt.

Mit ihrer Schwester Elise, die als Romanistin Karriere machte, führte Helene Richter einen der letzten Wiener Salons. Das gemeinsame Heim war über Jahre hinweg Treffpunkt bedeutender Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kunst, darunter Hugo Thimig, Max Kalbeck, Ernst Scheiblreiter, Auguste Wilbrandt-Baudius und Marianne Hainisch. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden beide Schwestern Opfer der Rassengesetze. Sie wurden am 9. Oktober 1942 vom Wiener Aspangbahnhof mit über 1.300 anderen Verfolgten ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo Helene am 8. November 1942 und Elise am 21. Juni des darauffolgenden Jahres verstarb.

Im Jahr 2008 benannte man in Wien Floridsdorf die Helene-Richter-Gasse nach Anglistin und Theaterwissenschaftlerin. 2007 stiftete Franz Karl Stanzel den Helene-Richter-Preis für hervorragende literaturwissenschaftliche Arbeiten, mit dem die Erinnerung an die Privatgelehrte wachgehalten werden soll.

Die Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus besitzt einen umfangreichen Nachlass von Helene und Elise Richter, der rund 1.900 Inventarnummern umfasst.

Werke

  • Percy Bysshe Shelley: Der entfesselte Prometheus. Lyrisches Drama in 4 Aufzügen. Deutsch in den Versmaßen des Originals und mit Anmerkungen versehen von Helene Richter. Leipzig: Reclam [1895] (Universal-Bibliothek, 3321/3322)
  • Helene Richter: Mary Wollstonecraft. Die Verfechterin der "Rechte der Frau". Wien: Konegen 1897
  • Helene Richter: Percy Bysshe Shelley. Weimar: Felber 1898
  • Helene Richter: William Blake. Strassburg: Heitz 1906
  • Helene Richter: George Eliot. Fünf Aufsätze. Berlin: A. Duncker 1907
  • Helene Richter: Schauspieler-Charakteristiken. Hamburg / Leipzig: Voß 1914
  • Helene Richter: Unser Burgtheater. Wien: Amalthea 1918
  • Helene Richter: Shakespeare der Mensch. Leipzig 1923
  • Helene Richter: Josef Lewinsky. Fünfzig Jahre Wiener Kunst und Kultur. Zum 150-jährigen Jubiläum des Burgtheaters mit Unterstützung der Stadt Wien hrsg. Wien u. a.: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1926
  • Helene Richter: Lord Byron. Persönlichkeit und Werk. Halle (Saale): Niemeyer 1929
  • Helene Richter: Auguste Wilbrandt-Baudius: Der Weg einer großen Burgschauspielerin. Aus dem Nachlaß von Helene Richter hrsg. von Rainer Zitta. Wien: Notring der Wissenschaftlichen Verbände Österreichs 1963
  • Helene Richter: Die drei großen Tragödinnen des Burgtheaters im 19. Jahrhundert. [Sophie Schröder, Julie Rettich, Charlotte Wolter]. Unveröffentlichtes Manuskript. Wienbibliothek im Rathaus, Druckschriftensammlung, B-88184

Quellen

Literatur

  • Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 3. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2016, S. 2704 f.
  • Peter Autengruber: Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, Hintergrundinformation, frühere Bezeichnung(en). 9. Auflage. Wien: Pichler-Verlag 2014, S. 128
  • Christiane Hoffrath: Bücherspuren. Das Schicksal von Elise und Helene Richter und ihrer Bibliothek im "Dritten Reich". 2., durchges. und erg. Aufl. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2010 (Schriften der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, 19)
  • Franz Karl Stanzel: Erinnerungen an die Anglistin Helene Richter anlässlich der Wiederkehr ihres 150. Geburtstages 2011. In: Anglia 129 (2011) 3+4, S. 321–332
  • Elke Krasny: Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien. Wien: Metroverlag 2008, S. 76, 173 f.


Helene Richter im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.


Weblinks