Fritz Wittels

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Fritz Wittels, um 1910
Daten zur Person
Personenname Wittels, Fritz
Abweichende Namensform Wittels, Siegfried; Avicenna
Titel Univ.-Prof., Dr. med.
Geschlecht männlich
PageID 11431
GND 119429764
Wikidata Q3087958
Geburtsdatum 14. November 1880
Geburtsort Wien
Sterbedatum 16. Oktober 1950
Sterbeort New York
Beruf Psychoanalytiker, Schriftsteller
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Karl Kraus (Portal), Kreis um Sigmund Freud
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Recherche
Letzte Änderung am 23.02.2024 durch DYN.astrid hauer
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname Fritz Wittels.jpg
Bildunterschrift Fritz Wittels, um 1910
  • 18., Sternwartestraße 74
  • 1., Hohenstaufengasse 9/8
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Fritz Wittels , * 14. November 1880 Wien, † 16. Oktober 1950 New York, Psychoanalytiker, Schriftsteller.

Biografie

Herkunft

Fritz Wittels wurde als Siegfried Wittels 1880 in Wien geboren. Er war der Sohn von Charlotte Fuchs (1852–1887) und Rubin Feiwesch Wittels (1849–1908), die ursprünglich aus Jaktorów (heutiges Polen) kamen, wo sie bereits im Herbst 1868 rituell getraut worden waren - im Februar 1873 wurde ihre Ehe im Stadttempel konvalidiert. Nach dem Tod seiner Frau 1887 heiratete Rubin Feiwesch Wittels Malka Freireich-Sadger, eine Schwester des Psychoanalytikers Isidor Sadger, und hatte mir ihr zwei weitere Kinder.

Wittels besuchte das Maximiliansgymnasium und begann schon als Schüler zu schreiben –- 1897 publizierte er das Märchendrama "Die Nixen". Er begann dann allerdings ein Studium der Medizin, promovierte 1904 und und arbeitete als Hospitant, Aspirant und schließlich Sekundararzt bei Julius Wagner-Jauregg im Allgemeinen Krankenhaus. Weiterhin hatte er literarische Ambitionen und beschäftigte sich mit kontroversiellen Themen – 1904 erschien seine Streitschrift "Der Taufjude".

Zwischen Kraus und Freud

Im Dezember 1906 suchte er Kontakt zu Karl Kraus, der Wittels' Texte ab Februar 1907 in seiner "Fackel" abzudrucken begann. Unter dem Pseudonym Avicenna veröffentlichte Wittels dort unter anderem einen Appell für die Entkriminalisierung der Abtreibung unter dem Titel "Das größte Verbrechen des Strafgesetzes. (Das Verbot der Fruchtabtreibung)". Dieser Text erregte die Aufmerksamkeit von Sigmund Freud, der Wittels am 27. März 1927 als Mitglied in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung aufnahm. Etwa zwei Jahre lang war Wittels eine Art Bindeglied und Vermittler zwischen Freuds Mittwochsrunde und dem Kraus-Kreis – seine Vorträge in der Psychoanalytischen Vereinigung wurden zu Aufsätzen in der Fackel und umgekehrt. Einflussreiche Themen für beide Runden setzte Wittels in dieser Zeit etwa mit den durchaus misogynen Themen "Weibliche Ärzte" und "Das Kindweib" (beide Mai 1907).

Im Herbst 1908 kam es zum Bruch zwischen Wittels und Kraus. Anlass waren womöglich eine Reihe von Artikeln, die Wittels für das von Kraus verpönte "Berliner Tageblatt" schrieb, aber auch intime Beziehungen, die beide Männer mit der extrem jungen Schauspielerin Irma Karczewska verbanden. Nicht zuletzt warf Kraus Wittels vor, seine Artikel aus der "Fackel" in einer Aufsatzsammlung wiederzuverwerten, die er Freud als Lehrer widmete. Kraus fühlte sich hintergangen und plagiiert und rechnete im November 1908 in der "Fackel" unter dem Titel "Persönliches" schonungslos mit einem "wegen seiner Treue gerühmten Mitarbeiter" in 83 Aphorismen ab, während Freud die "doppelte Elternschaft" des Wittels-Buches "Die sexuelle Not" anerkannte. Einen knapp einen Monat später folgenden Vortrag von Wittels über Kraus in der Psychoanalytischen Vereinigung, der den Titel "Die Fackel-Neurose" trug, lehnte Freud allerdings als "inhuman" und methodisch inakzeptabel ab.

Wittels arbeitete sich weiterhin an Karl Kraus ab – 1910 erschien der Schlüsselroman "Ezechiel, der Zugereiste", in dem Kraus als Benjamin Ekelhaft angegriffen wurde. Kraus bat Freud die Publikation des Romans zu unterbinden, was diesem nicht gelang – doch auch Freud brach nun mit Wittels, der im Herbst 1910 aus der Psychoanalytischen Vereinigung ausgeschlossen wurde. Erst im Februar 1911 konnte Kraus in einem Ehrenbeleidigungsverfahren ein Verbot des Romans zumindest in Deutschland erwirken. Kraus griff in den folgenden Jahren immer wieder die Psychoanalyse und die "Psychoanalen" an, wobei er sich nie gegen Freud selbst wandte, sondern immer auf seine Schüler und Schülerinnen abzielte.

Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit

1908 eröffnete Wittels als Allgemeinmediziner eine Privatpraxis Am Graben 13, im ersten Bezirk, die er bis 1913 betrieb. Dann nahm er eine Stelle als Stationsarzt im Cottagesanatorium, dessen Direktor Rudolf Urbantschitsch ebenfalls Mitglied der Psychoanalytischen Vereinigung war. Weiterhin war er als Schriftsteller tätig und schrieb auch immer wieder für Zeitungen. Im Ersten Weltkrieg wurde er als Militärarzt in der Türkei, in Syrien und Palästina eingezogen.

Um 1911 heiratete Wittels Yerta Pick, geboren am 9. März 1885 als Tochter des Prager Psychiaters Arnold Pick. Am 1. Februar 1913 verstarb die junge Frau, die 1912 aus der israelitischen Kultusgemeinde ausgetreten war, an Leukämie. Etwa sieben Jahre später, am 23. Jänner 1920 heiratete Wittels erneut, zivilrechtlich Lilly Krishaber, die 1922 einen Sohn – Hans Rudolf (John R. Wittels) – auf die Welt brachte.

Nach seiner Rückkehr nach Wien begegnete er dem Psychoanalytiker Wilhelm Stekel wieder, bei dem er eine Lehranalyse machte. 1924 veröffentlichte er eine Biografie Freuds, die gleichzeitig eine populärwissenschaftliche Einführung in die Psychoanalyse sein sollte. Freud kritisierte das Buch und schickte Wittels eine lange Liste von Errata, nahm Wittels jedoch nach seinem Bruch mit Stekel 1927 wieder in die Psychoanalytische Vereinigung auf. Wittels engagierte sich in Folge mit Vorträgen, Büchern und Artikeln besonders in der Öffentlichkeitsarbeit der International Psychoanalytical Association (IPA).

USA

Bereits 1928 hielt Wittels Vorlesungen über Psychoanalyse an der New School for Social Research in New York und baute in der Folge seine Kontakte in die USA aus. 1931 erschien seine überarbeitete Freud-Biographie "Freud and His Time" in englischer Sprache und als eine allgemeine Einführung in die Psychoanalyse und ihre Anwendungsmöglichkeiten – 1933 unterzog er das Buch einer weiteren großen Revision. Im März 1932 übersiedelte er – vorerst alleine – nach New York und wurde dort Mitglied der New York Psychoanalytic Society, aber auch der American Psychoanalytic Association und der American Psychiatric Association. Seine Frau und sein Sohn folgten ihm Mitte der 1930er Jahre.

Bis 1938 unterrichtete Wittels an der New School for Social Research, war Fellow der New York Academy of Medicine und außerdem am New York Psychoanalytic Institute, am Bellevue Hospital der New York University sowie als assoziierter Psychoanalytiker an der Columbia University tätig. 1940 erhielt er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. In den USA heiratete er zudem nach der Scheidung von Lilly Wittels zum dritten Mal, eine Krankenschwester namens Poldi Goetz. Am 16. Oktober 1950 starb er in New York. Sein letztes Buch, "The Sex Habits of American Women", erschien 1951 posthum.

Werke

  • Der Taufjude. Wien 1904
  • Die sexuelle Not. Wien 1909
  • Alte Liebeshändel. Wien 1909
  • Ezechiel der Zugereiste. Berlin 1910
  • Tragische Motive: Das Unbewußte von Held und Heldin. Berlin 1911
  • Alles um Liebe: eine Urweltdichtung. Berlin 1912
  • Der Juwelier von Bagdad. Berlin 1914
  • Die Vernichtung der Not. Wien 1922
  • Zacharias Pamperl oder der verschobene Halbmond. Wien 1923
  • Sigmund Freud: Der Mann, die Lehre, die Schule. Wien 1924
  • Sigmund Freud: His Personality, His Teaching and His School. London 1924
  • Wunderbare Heilungen. Leipzig und Wien 1925
  • Die Technik der Psychoanalyse. München 1926
  • Die Befreiung des Kindes. Stuttgart 1927
  • Die Psychoanalyse: Neue Wege der Seelenkunde. Wien 1927
  • Die Welt ohne Zuchthaus. Bern 1928
  • Critique of Love. New York 1929
  • Freud and His Time: The Influence of the Master Psychologist on the Emotional Problems in Our Lives. New York 1931
  • The Sex Habits of American Women. New York 1951

Quellen

Literatur

  • Katharina Prager / Simon Ganahl [Hg.]: Karl Kraus-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Berlin: J.B. Metzler 2022
  • Jens Malte Fischer: Karl Kraus. Der Widersprecher. Wien: Zsolnay 2020
  • Katharina Prager [Hg.]: Geist versus Zeitgeist. Karl Kraus in der Ersten Republik. Wien: Metroverlag / Wienbibliothek im Rathaus 2018
  • Edward Timms: Dynamik der Kreise, Resonanz der Räume. Die schöpferischen Impulse der Wiener Moderne. Weitra: Bibliothek der Provinz 2013
  • Beate Petra Kory: Im Spannungsfeld zwischen Literatur und Psychoanalyse. Die Auseinandersetzung von Karl Kraus, Fritz Wittels und Stefan Zweig mit dem "großen Zauberer" Sigmund Freud. Stuttgart: ibidem 2007
  • Edward Timms: Karl Kraus. Apokalyptic Satirist. The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. London: Yale University Press 2005
  • Leo A. Lensing: "Freud and the Child Woman" or "The Kraus Affair"? A Textual „Reconstruction“ of Fritz Wittels’s Psychoanalytic Autobiography. German Quarterly 69, 1996, S. 322–332
  • Edward Timms (Hg.): Freud und das Kindweib: Die Memoiren von Fritz Wittels. Aus d. Engl. übers. von Marie-Therese Pitner. Wien [u. a.]: Böhlau 1996 (Literatur in der Geschichte 37)
  • Edward Timms: Karl Kraus. Satiriker der Apokalypse. Wien: Deuticke 1995
  • Elke Mühlleitner: Biographisches Lexikon der Psychoanalyse. Die Mitglieder der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft und der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung 1902-1938. Tübingen: Ed. Diskord 1992
  • Edward Timms: The "Child-Woman": Kraus, Freud, Wittels, and Irma Karczewska. In: Timms, Edward/Robertson, Ritchie (Hg.): Vienna 1900. From Altenberg to Wittgenstein. Edinburgh 1990, S. 87–107
  • Leo A. Lensing: "Geistige Väter" & "Das Kindweib". Sigmund Freud, Karl Kraus & Irma Karczewska in der Autobiographie von Fritz Wittels. Forum 430/431, 1989, S. 62–71


Fritz Wittels im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks