Detlev von Liliencron

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Detlev von Liliencron, um 1890
Daten zur Person
Personenname Liliencron, Detlev von
Abweichende Namensform Liliencron, Friedrich Adolf Axel Freiherr von Liliencron
Titel Freiherr
Geschlecht männlich
PageID 367669
GND 118572954
Wikidata Q21119
Geburtsdatum 3. Juni 1844
Geburtsort Kiel 4030481-4
Sterbedatum 22. Juli 1909
Sterbeort
Beruf Dichter (Lyriker)
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Karl Kraus (Portal)
Quelle
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Recherche
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Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname Detlev Liliencron.jpg
Bildunterschrift Detlev von Liliencron, um 1890

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Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Programm eines Wiener Liliencron-Abends, organisiert vom Wiener Ansorge-Verein, 1904
Vorlesungsprogramm von Karl Kraus mit Gedichten von Detlev von Liliencron, 1914

Detlev von Liliencron, * 3. Juni 1844 Kiel, † 22. Juli 1909 Alt-Rahlstedt, Militär, Dichter.

Biografie

Detlev von Liliencron wurde 1844 als Friedrich Adolf Axel Freiherr von Liliencron in Kiel geboren. Den Namen Detlev gab er sich später selbst nach einem Vorfahren. Sein Vater Louis Freiherr von Liliencron (1802–1892) war dänischer Zollbeamter, seine Mutter - Adeline von Harten (1808–1872) - eine deutsch-amerikanische Offizierstochter. Die Familie lebte in bescheidenen Verhältnissen, da der Großvater Andreas von Liliencron (1774–1823), Oberkriegskommissar der dänischen Krone, das Familienerbe infolge einer nicht standesgemäßen Ehe mit einer Leibeigenen verloren hatte.

Während seiner Kindheit und Jugend wurde Detlev von Liliencron von Hauslehrern ausgebildet und erhielt Unterricht an einer Privatschule. Ab 1854 besuchte er die Kieler Gelehrtenschule, ein humanistisches Gymnasium. Da er eine Karriere beim preußischen Militär anstrebte, wechselte er 1861 auf ein Realgymnasium nach Erfurt, verließ die Schule aber 1862 ein Jahr vor dem Abitur ohne Abschluss. 1863 wurde er in die Berliner Kadettenanstalt aufgenommen und anschließend zum Westfälischen Füsilier-Regiment Nr. 37 in Mainz versetzt. Seinen Wunsch, Kavallerieoffizier zu werden, hatte er nicht verwirklichen können, da ihm dafür die finanziellen Mittel fehlten. 1865 zum Infanterieoffizier befördert, nahm er mit seinem Regiment am Preußisch-Österreichischen Krieg (1866) und am Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) teil. In letzterem wurde er mehrfach ausgezeichnet, büßte aber seine anfängliche Kriegsbegeisterung ein. Wegen Spielschulden musste er schließlich in der Folge den Militärdienst zunächst 1871 und dann endgültig 1875 quittieren.

Der erzwungene Abschied vom Militär stellte eine Zäsur dar. Liliencron emigrierte noch im gleichen Jahr in die USA. Dort bestritt er seinen Lebensunterhalt als Sprach- und Klavierlehrer, kehrte aber schon 1876 wieder nach Deutschland zurück, wo er in den preußischen Verwaltungsdienst eintrat. 1878 heiratete er Helene von Bodenhausen, die Ehe dauerte allerdings nur kurz, da ihn seine Frau bereits ein Jahr später verließ. Die Scheidung erfolgte erst 1885. Nach Tätigkeiten in den Kreisen Eckernförde und Plön erhielt Liliencron 1882 auf Pellworm eine Stelle als Hardesvogt – eine Aufgabe, die mit der Vertretung eines Landrats verglichen werden kann. Der Aufenthalt regte ihn literarisch an, neben Kriegsnovellen entstand die zu seinen bekanntesten Werken zählende Sturmflut-Ballade Trutz, Blanke Hans. Bereits zu seiner Militärzeit hatte Liliencron angefangen Gedichte zu schreiben, 1881 war sein erster Lyrikband Adjutantenritte erschienen, der ihn in den Kreisen der Naturalisten bekannt machte.

Im Jahr 1883 wurde Liliencron Kirchspielvogt in Kellinghusen, musste aber bereits zwei Jahre später chronisch verschuldet wegen der Pfändung seiner Dienstbezüge aus dem Staatsdienst ausscheiden. Fortan lebte Liliencron als freier Schriftsteller an wechselnden Orten. 1887 heiratete er die Gastwirtstochter Augusta Brandt. Im gleichen Jahr veröffentliche er das Theaterstück "Arbeit adelt" und 1888 erschien die Prosasammlung "Unter flatternden Fahnen". Gleichwohl blieb die finanzielle Situation prekär. Liliencron, der mittlerweile literarische Kontakte geknüpft hatte – unter anderem zu den Mitgliedern des Friedrichshagener Dichterkreises –, blieb auf die Unterstützung von Freunden und Gönnern angewiesen. So verbrachte er mit finanzieller Unterstützung der Schillerstiftung 1890/91 einige Zeit in München, wo er u.a. bei Otto Julius Bierbaum wohnte und einige seiner Gedichte in der Zeitschrift Die Gesellschaft erschienen. Hier vollendete er auch den Zyklus Der Haidegänger.

1891 zog Liliencron wieder zurück nach Norddeutschland. In Hamburg kam er in Kontakt mit den Schriftstellern Otto Ernst und Gustav Falke. Auch lernte er Richard Dehmel kennen und im Herbst 1892 entstand einen Verbindung zu Karl Kraus. Kraus hatte ihm aus Bewunderung für sein Werk das Programm seiner Vorlesung Im Reiche der Kothpoeten zugesandt. Diese Veranstaltung hatte am 12. Oktober in Wien stattgefunden. Sie war von Kraus als satirische Verteidigung von Dichtern der deutschen Moderne wie u.a. Arno Holtz, Michael Georg Conrad und Liliencron gegenüber Herabsetzungsversuchen von Seiten der Wiener Literaturkritik konzipiert worden. Liliencron antwortete umgehend und es entwickelte sich bald eine persönliche Beziehung zu dem dreißig Jahre jüngeren angehenden Literaten, die bis an sein Lebensende fortbestehen sollte. 1893 lernte er die Bauerntochter Anna Micheel kennen - auch seine zweite Frau hatte ihn inzwischen verlassen. Im Jahr darauf wurde die gemeinsame Tochter Abel geboren. 1896 erschien das Hauptwerk Poggfred, ein Epos, das die wichtigsten Motive seiner Lyrik versammelte: Naturerleben, Träume, Krieg und Mythologie. Die finanzielle Lage besserte sich jedoch nicht. Daher versuchte Liliencron in dieser Zeit mit Vortragsreisen etwas Geld zu verdienen, später schloss er sich dem Kabarett Überbrettl an. 1899 erfolgte die dritte Eheschließung: Er heiratete Anna Micheel kurz vor der Geburt des gemeinsamen Sohnes Wulf.

Die Unterstützung von Freunden und der Förderin Elisabeth Förster-Nietzsche konnte Liliencron mit seiner Familie 1901 eine feste Wohnung in der Landgemeinde Alt-Rahlstedt beziehen. Zusätzlich gewährte Kaiser Wilhelm II. ein jährliches Ehrengehalt von 2.000 Mark. Literarisch war er weiterhin produktiv: 1904 erschien die zweite Fassung von Poggfred, der autobiografische Roman "Leben und Lüge" folgte 1908. Auch blieb Liliencron in seinen letzten Lebensjahren die öffentliche Anerkennung nicht versagt. Anlässlich seines 60. Geburtstags würdigten jeweils eine österreichische und eine deutsche Festschrift das Werk, zum 65. Geburtstag erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Kiel.

Detlev von Liliencron starb 1909 an einer Lungenentzündung in Alt-Rahlstedt, wo sich auch sein Grab befindet.

Bedeutung

Das Werk Detlev von Liliencrons ist komplex und er gilt bis heute als einer der bedeutendsten Lyriker seiner Zeit. Typisch für seine Gedichte ist eine ambivalente Spannung zwischen Naturalismus und Neuromantik. Dies erschwert eine eindeutige literaturgeschichtliche Zuordnung, zumal Liliencron sich selbst durchaus als Naturalist bezeichnete, sich aber gleichwohl von entsprechenden kategorisierenden Einordnungsversuchen distanzierte. Zwar fanden seine Prosatexte keine besondere literarische Anerkennung, doch Liliencrons Lyrik strahlte auch auf die Frühzeit des Expressionismus aus und beeinflusste das Werk von Schriftstellern wie Rainer Maria Rilke, Hugo von Hofmannsthal und Karl Kraus, der in Liliencrons kraftvollen, ursprünglichen Naturdarstellungen das Gegenbild zum Stil des Wiener Fin de Siècle sah.

Insbesondere für Kraus war Liliencron ein Fixpunkt der frühen Jahre. Der norddeutsche Dichter war, wie der briefliche Austausch zeigt, Mentor, Ratgeber, väterlicher Freund – und in seinem auf künstlerische Eigenständigkeit bedachten schriftstellerischen Selbstverständnis auch Rollenvorbild. Die zentrale ethische Forderung des späteren Autors der Fackel nach einer authentischen Sprache, einer Sprache, die vom Ursprung kommt, spiegelt sich in ihrem gedanklichen Kern bereits in dieser frühen Phase der literarisch-künstlerischen Entwicklung im Kontakt mit der Person Detlev von Liliencrons und in der Beschäftigung mit seinem Werk.

Die Wienbibliothek im Rathaus verwahrt in der "Sammlung Detlev von Liliencron" zahlreiche Korrespondenzen an Karl Kraus. Weitere Briefe und Postkarten, etwa an Franz Servaes oder Karl Emil Franzos, Werke sowie vereinzelt auch Dokumente finden sich ebenfalls in der Wienbibliothek im Rathaus.

Quellen


Literatur

  • Katharina Prager u. Simon Ganahl [Hg.]: Karl Kraus Handbuch. Leben-Werk-Wirkung. Berlin: J.B. Metzler 2022
  • Edward Timms: Karl Kraus. Satiriker der Apokalypse. Leben und Werk 1874 bis 1918. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1999
  • Rauscher-Tilghman / Heidi: Karl Kraus as a Naturalist: The Emergence of his Aesthetic Perspective. In: Modern Austrian Literature, Volume 28, No. 2, 1995, S. 1-17
  • Paul Schick: Karl Kraus, Hamburg: Rowohlt 1993
  • Wikipedia: Detlev von Liliencron [Stand: 25.10.2023]
  • Website über Detlev von Liliencron [Stand: 25.10.2023]
  • Storman Lexikon: Detlev von Liliencron [Stand: 25.10.2023]


Detlev von Liliencron im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.