Rikola-Verlag

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Daten zur Organisation
Art der Organisation Verlag
Datum von 1920
Datum bis
Benannt nach
Prominente Personen Richard Kola
PageID 71732
GND
WikidataID
Objektbezug Verlagsgeschichte
Quelle
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  • 9., Berggasse 16

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48° 13' 5.56" N, 16° 21' 45.33" E  zur Karte im Wien Kulturgut

IN ARBEIT!! Die Gründung eines eigenen Verlags gehörte zu den Lieblingsideen des Bankiers und Schriftstellers Richard Kola, zu dessen Unternehmen auch Druckereien und Papierfabriken wie die "Elbemühl" Papierfabriks- und Verlagsgesellschaft, die Gesellschaft für graphische Industrie oder die Waldheim-Eberle AG gehörten. 1920 waren die Vorbereitungen zur Gründung der Rikola (aus: Ri-chard Kola) Verlags-Aktiengesellschaft weit gediehen. Angesichts der starken Teuerung auch im Buchhandel und der Abhängigkeit vom deutschen Büchermarkt plante der Unternehmer die Schaffung eines großen heimischen Verlages, um "in Massenauflagen gute und billige Bücher für das Volk herzustellen". Mit diesem wollte er billige Neuausgaben der Klassiker in Massenauflagen drucken, zeitgenössische Literatur fördern und mit Hilfe wissenschaftlich-politischer Publikationen aufklärend zu wirken.

Am 2. Dezember 1920 fand die konstituierende Generalversammlung der Gesellschaft statt, die als Betriebsgegenstand sämtliche Gebiete der Literatur, Kunst und Wissenschaft einschließlich des Verlags von Zeitschriften, geographischen Karten und Ansichtskarten, des Verlags und Vertriebs dramatischer Bühnenwerke, der Erzeugung von Papier, der Beteiligung an anderen Unternehmungen gleicher oder verwandter Art vorsah und noch im gleichen Monat im Wiener Handelsregister eingetragen wurde.

Der 25köpfige Verwaltungsrat setzte sich aus Bankiers, Generaldirektoren, Präsidenten, Großindustriellen und Generalkonsuln zusammen, zu denen sich noch der Schriftsteller Anton Wildgans gesellte. An der Spitze stand Kola selbst als Präsident. Als Generaldirektor fungierte Alexander Skuhra, als literarischer Direktor Richard Wengraf, als künstlerischer Direktor Otto Nirenstein und als wissenschaftlicher Direktor Leo Friedländer. Als Firmensitz diente zunächst Wien-Neubau, Kaiserstraße 45, ab Sommer 1921 das ehemalige Hotel Hungaria in Wien-Landstraße, Radetzkyplatz 5, in dem während des Ersten Weltkriegs das Kriegspressequartier untergebracht gewesen war.

Zu den ersten Verlagsveröffentlichungen im Jahr 1921 zählten der Roman "Fredegund" von Emil Lucka, Felix Brauns "Die Taten des Herakles", Paul Bussons "Die Wiedergeburt des Melchior Dronte" oder Wladimir Hartliebs Gedichtband "Der mächtige Ruf". In Summe erschienen im ersten Jahr 106 Verlagspublikationen. In Zeiten der Inflation stieg der Wert der Aktien des Unternehmens rasant an . Rikola wurde nicht nur dem Buchhhandler sowie interessierten Leserinnen und Lesern ein Begriff, sondern auch Anlegern auf der Börse. Kola baute sein Unternehmensimperium indessen weiter aus und erwarb zwei Verlage.

Ilf-Verlag für Verlag für Dichtung, Kunst und Wissenschaft

Dieser im November 1919 ins Leben gerufenTheaterverlag wollte sich auf den Vertrieb dramatischer Bühnenwerke spezialisieren. Der Sitz des Unternehmens befand sich in Wien-Josefstadt, Josefstädterstraße 9. Am 12. Dezember 1919 erfolgte die Eintragung der protokollierten Firma im Handelsregister Wien unter Reg. C, Band 35, pag. 65. Zu den Gesellschaftern zählten Felix Kostia-Costa, Ernst Rosenbaum, Maximilian Lebman, die Gesellschaft für graphische Industrie, die die Auslieferung und Administration besorgte, sowie Eugen Reich, Fabrikant in Wien. Zu Geschäftsführern wurden Kostia-Costa, Rosenbaum und Emmerich Hofmannsthal, Sekretär der Gesellschaft für graphische Industrie, bestellt.

Anfang 1921 gingen sämtliche Geschäftsanteile des Ilf-Verlages an den Rikola Verlag über. A.G. übergegangen sind, sodaß nur mehr diese als einziger Gesellschafter im Anteilbuche erscheint“. [13]13 Am 18. Jänner 1921 wurden nämlich in den Geschäftsräumen der Firma Kola & Co., Wien IX., Frankgasse 1 eine a.o. Generalversammlung der Gesellschafter des Ilf-Verlags abgehalten, bei der Abtretungsverträge unterschrieben wurden. Alle Mitarbeiter des Ilf-Verlags wurden in die Dienste der Rikola A.G. übernommen. Kurz darauf wurde der mitübernommene Geschäftsführer Dr. Ernst Roenau von der Leitung des Rikola Verlags veranlaßt, aus dem Unternehmen auszuscheiden.

Obwohl der Ilf-Verlag also gänzlich in der Rikola A.G. aufging, existierte er noch eine Weile zumindest auf dem Papier. Erst anläßlich einer a.o. Gesellschafterversammlung am 23. Juli 1928 kam es zum Beschluß, die Firma aufzulösen und zu liquidieren. Zum Liquidator wurde Dr. Gottfried Linsmayer bestellt, ein Mann, der bis und nach 1938 in dieser Funktion im österreichischen Verlagswesen noch viel zu tun hatte. Die allerletzte Generalversammlung des Ilf-Verlags in Liquidation fand am 1. März 1929 statt, also beinahe 10 Jahre nach der Gründung in den Räumen der Zentralgesellschaft für buchgewerbliche und graphische Betriebe A.G., die gegen Mitte der 20er Jahre zu einer Art Fangnetz für in Schwierigkeiten geratene Verlage diente. Am 19. April 1929 wurde schließlich der Ilf-Verlag aus dem Handelsregister gelöscht. Die Produktion

Die Produktion des bloß ein Jahr lang existierenden Verlags ist erwartungsgemäß relativ bescheiden gewesen. Es konnten insgesamt 14 Werke und 3 Ankündigungen nachgewiesen werden. Im Impressum stand in der üblichen großspurigen Manier „Leipzig-Wien-Zürich“, obwohl außerhalb Wiens bestenfalls Auslieferungsstellen bestanden. Gedruckt wurden sie alle natürlich bei der Gesellschaft für graphische Industrie, wobei insbesondere die künstlerische Ausstattung, für die in erster Linie Bernd Steiner zuständig war, hervorzuheben ist. Gediegene Buchillustration, schöngewählte Vorsatzpapiere und ansprechende Einbände zeichnen die Ilf-Verlags-Produktion aus. Neben Steiner war auch der „Wiener Werkstätte“-Mitarbeiter und Maler Karl Schwetz (4.7.1888, Wien-21.3.1965, ebda.) an Einband und Lithographie beteiligt. Erich Schmal-Walter (28.11.1886, Wien-31.12.1964, ebda.) entwarf Buchausstattung und Umschlag und führte Original-Steinzeichnungen aus.

Ilfverlag_HoellriegelZu den Verlagsautoren zählten Oswald Brüll, Egmont Colerus (2 Romanveröffentlichungen, 2 weitere Werke angekündigt), Oskar Maurus Fontana, Alfred Grünewald (ein 2. Werk angekündigt), Eugen Hoeflich, Arnold Höllriegel, Max Kalbeck, Michael Klapp, Ernst Kratzmann, Richard Peter, Roda Roda, Oskar Rosenfeld und Kory Towska (d.i. Kory Elisabeth Rosenbaum).

Von manchen Titeln wurden auch Vorzugsexemplare auf Papier nach Japanart usw. abgezogen (Eugen Hoeflich, Der rote Mond. Gedichte. 1919).

Die Auflagen schwankten zwischen 1.250 und 2.000 Exemplaren für Lyrikbände, wie z.B. für das letzte nachgewiesene, 1920 erschienene Werk Karfunkel. Neue Balladen und Schwänke von Alfred Grünewald, und 5.000 – wie etwa für die beiden Romane von Egmont Colerus. Die Bücher des Ilf-Verlags wurden so ziemlich ohne Ausnahme vom Rikola Verlag erworben und weiter verkauft und vertrieben.

Das erste Rikola-Verlagsangebot im ersten Geschäftsjahr konnte durch den Erwerb eines zweiten Verlags erweitert werden, nämlich durch die Angliederung des „Verlags Neuer Graphik“. Verlag Neuer Graphik

Verlag Neuer GrafikObwohl die Firma als Verlag eine junge Neugründung darstellte, geht ihre Geschichte auf das Frühjahr 1908 zurück, als die Inhaberin und Geschäftsführerin Frl. Thekla Würthle beim Handelsgericht Salzburg die Firma „Würthle & Sohn Nachf.“ mit Hauptniederlassung in Salzburg, Zweigniederlassung in Wien (Mariahilferstraße 88a) eintragen ließ. Gleichzeitig wurde die Firma in Wien unter Reg. C 16, 229 eingetragen. 1914 taucht der bereits erwähnte Inhaber des Verlags „Der Merker“, Dr. Gottfried Kunwald, als Kollektivprokurist auf. Gegenstand des Unternehmens zu diesem Zeitpunkt war: „Die Ergänzung, der Vertrieb und Verlag von Objekten des Kunsthandels und Werken der Fotographie, des Lichtdruckes und allen künstlerischen und mechanischen Reproduktionsarten.“

Ende 1915 wurde die Hauptniederlassung in Salzburg aufgelassen, und die Gesellschaft „Würthle & Sohn Nachf.“ Ges.m.b.H. mit Handelsgeschäft in der Weihburggasse 31 mit Vertrag vom 29. Jänner 1916 an den k.k. Oberleutnant d.R. und akademischen Maler Rudolf (Ulf) Seidl verkauft. Am 23. Februar 1917 wurde die Firma „Würthle & Sohn Nachf.“ unter Reg. A 34, 88 ins Wiener Handelsregister eingetragen. Betriebsgegenstand war nun: der Kunsthandel. Am 6. Juni 1919 wurde Frl. Lea Bondi als Prokuristin eingetragen.

Am 10. Juni 1920 richtete der Inhaber Ulf Seidl (28.5.1881, Sbg.-3.3.1960, ebda.) ein Schreiben an das Wiener Handelsgericht mit dem Antrag auf einen neuen Wortlaut und den Zusatz „Verlag Neuer Graphik“ sowie auf Erteilung der Einzelprokura an den 26jährigen Otto Nirenstein. [14] Zur Entstehung dieses Verlags folgendes aus dem Antrag Seidls:

Da ich seit einiger Zeit moderne graphische Kunstsachen verlege, welcher Geschäftszweig zwar einen Teil des von mir als Betriebsgegenstand angemeldeten Kunsthandels bildet, trotzdem aber infolge seines Umfanges einer besonderen Hervorhebung bedürftig erscheint, melde ich zum Wortlaut meiner Firma den Zusatz „Verlag Neuer Graphik“ an. Nach bewilligter Eintragung dieses Zusatzes würde daher meine Firma lauten:

Würthle & Sohn Nachfolger, Verlag Neuer Graphik. (…)[15]

Am 22. Juni 1920 wurde Nirenstein, am 31. August 1920 der geänderte Firmawortlaut ins Handelsregister eingetragen.

Würthle & SohnDie Verbindung zwischen dem Rikola Verlag, der den „Verlag Neuer Graphik“ als seinen „Kunstverlag“ ausgab, und der Firma Würthle & Sohn Nachf., die bereits im April 1920 in der Buchhändler-Correspondenz Werke aus dem Verlag Neuer Graphik (als ,Abteilung“) anzeigte[16], scheint eine lockere und keine formaljuristische gewesen zu sein. [17] Die Verbindung bestand in der Person des Otto Nirenstein, der bis 1922 – so lange dauerte die Zusammenarbeit – Leiter der Kunstabteilung von Rikola und gleichzeitig Prokurist von Würthle & Sohn Nachf. war. Mehr als zwei Jahre dauerte also die Zusammenarbeit nicht. [18] Im Mai 1922 wurde der Verlag Neuer Graphik auch aus der Firma Würthle & Sohn Nachf. ausgegliedert. [19] Rikola ließ den Kunstverlag als schlechtes Geschäft liegen, und Nirenstein machte sich bald selbständig. Dieses Auseinandergehen dürfte mit verlagsinternen Streitigkeiten zusammenhängen, nachdem der Rikola Verlag, der mit großzügigen Plänen und allem Eifer ins Leben trat, bald erlahmte. Die künstlerischen Berater, die der Verlag anfangs an sich gezogen hatte, wurden erst kaltgestellt und dann abgebaut. So wahrscheinlich auch Nirenstein.

Aber das baldige Ende darf das durchaus anspruchsvolle Programm nicht vergessen lassen. Die allererste Eigenveröffentlichung der Rikola Verlag A.G. Kunstverlag/Verlag Neuer Graphik, deren Büro und Geschäftslokale bei Würthle & Sohn Nachf. in Wien I., Weihburggasse 9 untergebracht waren, stellte sich als riesige Niete heraus. Es handelte sich um die ab Herbst 1921 erscheinenden Handzeichnungen und Aquarelle aus der Österreichischen Staatsgalerie, herausgegeben von Franz Haberditzl und Bruno Grimschitz. Die Publikation sollte in einer einmaligen Auflage von 350 Ex. in Lieferungen erscheinen. Die Wiedergabe der Blätter erfolgte in Faksimile-Farbenlichtdruck durch die Kunstanstalt Max Jaffé in Wien. Doch: „Das kolossale Reproduktionswerk der österreichischen Staatsgalerie erfuhr infolge seiner unmöglichen Aufmachung allgemeine Ablehnung und mußte des Weiteren bei dem horrenden Herstellungspreise von 300 Millionen als schwere Passivpost gebucht werden.“ [20] Dieser Durchfaller hätte Signalwirkung haben sollen, aber das war nicht der Fall. Er war symptomatisch für die notwendige Erkenntnis, daß man nicht bloß mit unerschöpflichen Geldressourcen und an der Börse einen Verlag machen konnte. Der nach außen hin entwickelte Nimbus entsprach keineswegs dem Leben des Verlags im Inneren. Aber wir eilen den Ereignissen voraus. Fest steht jedenfalls, daß es dem Verlag eben an einer leitenden Verlegerpersönlichkeit fehlte.

Zu den ehrgeizigen Produktionsplänen des Verlags Neuer Graphik der Rikola Verlag A.G. gehörte eine Publikationsreihe, die in gedrängter Form einen Überblick über Leben und Schaffen der österreichischen Künstler und eine aufschlußreiche Auswahl ihrer Werke in Reproduktionen geben sollte. Den farbigen Umschlag für diese Serie von Monographien entwarf der junge Wiener Maler Julius Zimpel. Hergestellt wurden drei Ausgaben mit jeweils verschieden teurer Papiersorte und Handzeichnungen Zimpels zu Preisen zwischen M 8.50 und M 500 (Subskriptionspreis!). Eröffnet wurde diese Serie durch Max Eislers Monographie über Anton Hanak. Von den geplanten Bänden sind bloß einige wenige erschienen. [21]

Für ein noch elitäreres Kaufpublikum trat der Verlag Neuer Graphik mit einer weiteren Reihe auf den Markt. „Vom Bestreben geleitet, wertvolle und interessante Schöpfungen der deutschen und fremdländischen Literatur in mustergültigen bibliophilen Ausgaben herauszubringen“, [22] ließ der Verlag Neuer Graphik die ersten Bände der Zimpelbücher erscheinen. Zum Subskriptionspreis von 800 Mark bzw. 300 Mark mit einer beschränkten Auflage von 25 Exemplaren wurden die Zimpelbücher, die in der Sezessionsdruckerei von Arthur Berger hergestellt wurden, als „erlesene Kunstwerke“ angepriesen. [23] Musarion Verlag

Der dritte Erwerb des Rikola Verlags erfolgte im März 1921. Der Musarion-Verlag in München wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, an der Rikola ursprünglich 97% des Aktienkapitals von 1 Million Mark besaß. Nach einer Kapitalserhöhung im Jahre 1922 auf 4 1/2 Millionen Mark (1923: auf 20 Millionen Mark!) behielt Rikola nur 52 1/2%. Den Rest erwarb eine Schweizer Gruppe. Mit dem Erwerb von Musarion verfolgte Richard Kola auch einen weiteren Zweck, wie er in seinen Erinnerungen schildert:

Vor kurzem hat der Verlag die Mehrheit der Aktien des angesehenen Münchner Musarionverlages erworben und durch die Errichtung einer Generalvertretung für das reichs-deutsche Gebiet mit dem Sitz in München festen Fuß in Deutschland gefaßt. Ich wurde Präsident des Musarionverlages und kam dadurch auch in Deutschland in Berührung mit den hervorragendsten Schriftstellern. (Rückblick, S. 296)

Damit war auch sein Bedürfnis nach Verlagsübernahmen gestillt. Produktion und Produktionsverhältnisse

Richard Kola war im Jahre 1920 angetreten, um eine Tat von hoher Bedeutung zu setzen, und ließ sich auch dementsprechend feiern. Er hatte anläßlich der konstituierenden Generalversammlung am 2. Dezember hervorgehoben, „daß es sich bei der nunmehr vollzogenen Gründung in erster Linie darum gehandelt habe, dem geistigen Leben Österreichs neue Impulse zu verleihen und die Herstellung und den Vertrieb von im Inlande erzeugten Büchern und anderen Verlagswerken nicht nur der Intelligenz, sondern auch dem heimischen Gewerbe in weitem Umfange Gelegenheit zur Betätigung zu geben. Da der Verlag beabsichtigt, alle Gebiete der Literatur, Wissenschaft und Kunst in seine Aktion einzubeziehen, werden verschiedene Abteilungen errichtet, die ressortmäßig die Zwecke des neuen Verlages zu fördern bestimmt sein werden. (…) Eine Gewähr für die Prosperität des Verlages biete seine nahe Beziehung zu befreundeten Konzernen der Papier- und Druckindustrien. Es ist beabsichtigt, Volksbibliotheken und ähnlichen Institutionen weitestgehende Berücksichtigung zuteil werden zu lassen.“ [24]

Es kam alles anders, wie das Beispiel „Kunstverlag“ auch zeigt. Denn es war wohl nur den reichlich vorhandenen Geldmitteln zu verdanken, daß der Rikola Verlag – so groß angelegt, wie er war – überhaupt das erste Geschäftsjahr überlebte. Die Produktionsverhältnisse für alle Verlage in Österreich zu dieser Zeit waren denkbar ungünstig, und dieser Zustand wirkte sich wohl negativer auf den Großverlag als auf den kleinen Verlag aus.

Bis zur ersten Generalversammlung der Rikola Verlag A.G. im Oktober 1921 waren die Kosten des Papiers um 1340%, für Satz und Druck um 2320%, für Buchbinderarbeiten um 6896% gestiegen. Bei den Gehältern war im Jahre 1921 nur eine Steigerung um 300% zu verzeichnen. [25] Der Personalstand an „Beamten und Dienern“, der bei der Gründung 20 betrug, blähte sich bis Ende 1921 auf 97 auf. (Bis Juni 1923 verminderte sich dieser Stand auf 60 und seit 1. Jänner 1926 arbeiteten nach der Sanierung nur mehr 6 Angestellte im Verlag.) Bald absorbierten die Personallasten nicht bloß den ganzen Gewinn des Rikola Verlags, sondern darüber hinaus auch die Reserven und standen in einem eklatanten Mißverhältnis zum Umsatz des Unternehmens. In den Worten eines etwas boshaften zeitgenössischen Kommentators:

Ein eigenes dreistöckiges Bureauhaus und ein Heer von Beamten mußten für den notwendigen Nimbus sorgen. Es gab Beamte, die ein Jahr lang Gehälter bezogen, ohne in ihrem Schlaraffenleben durch irgendeine Tätigkeit gestört zu werden. [26]

Wie sah aber die Produktion der ersten Jahre im Spiegel der großen Richard Kola-Worte aus?

Wie erwähnt betrug die Produktion im ersten Jahr nach Angabe des Verlags 106 Titel, wobei anzumerken ist, daß diese Zahl die von anderen Verlagen übernommenen Verlagsrechte miteinschloß. Demgegenüber ist festzuhalten, daß eine Verlagsanzeige Mitte Jänner 1922 insgesamt 53 Titel, darunter die gesamte frühere Produktion des Ilf-Verlags, anführt. Im Jahre 1922 erfolgte eine kräftige Produktionssteigerung, und zwar auf 120 Werke, [27] und danach ging es nur mehr bergab. Aus Gründen, die wir gleich erläutern werden, fiel die Produktionszahl auf ca. 52 Werke im Jahre 1923, weiter zurück auf ca. 36 im Jahre 1924 und schließlich auf 11 Titel im Jahre 1925. [28]

Man ist vielleicht den 1920 gesteckten Zielen in einem Bereich am nächsten gekommen, und zwar im Bereich moderner (österreichischer) Literatur. 1921 zählten zu den Rikola-Verlagsautoren vorwiegend jüngere Österreicher: [29] Béla Balázs, Rud. Hans Bartsch, Felix Braun, Egmont Colerus, Paul Busson, Leo Fischmann, Egon Friedell, Adolf Gelber, Wladimir Hartlieb, Arnold Höllriegel, Robert Hohlbaum, Emil Lucka, Julius Ludassy, Gustav Meyrink, Leo Perutz, Erwin Rieger, Thaddäus Rittner, Roda Roda, Ernst Scholl, Otto Soyka, Paul Wertheimer u.a. Hierunter befindet sich eine Reihe von Autoren, die früher oder auch in späteren Jahren dem den österreichischen belletristischen Markt geradezu dominierenden Staackmann-Verlag verpflichtet waren. Im zweiten Jahr kamen hinzu: Franz Karl Ginzkey, Alma Johanna Koenig, Ernst Kratzmann, (Thomas Mann), Hugo Salus, Hugo Winter u.a. 1923 veröffentlichte Rikola Belletristik von Hans Jüllig, Philipp Langmann, Oskar Laske, Franz Spunda, Karl Hans Strobl, Georg Terramare und Edmund Wengraf. 1924 erschienen Erzählungen des Wahlösterreichers Jakob Wassermann.

Der Rikola Verlag produzierte auch eine Reihe von Bücherserien, die allerdings – nach dem Umfang zu schließen – nicht angekommen sein dürften. So engagierte man Gustav Meyrink 1921 als Herausgeber der Romane und Bücher der Magie. Aber erschienen sind zwischen 1921 und 1924 bloß 5 Werke (1921:1, 1922:2; 1923:1; 1924:1). Genausowenig Erfolg hatte die Serie Romantik der Weltliteratur, für die Franz Karl Ginzkey als Herausgeber zeichnete. Mit Werken von Bettina v. Arnim, René de Chateaubriand, Prosper Merimée, E.T.A. Hoffmann u.a. erschienen zwischen 1921 und 1925 insgesamt nur 7 Bände (1921:3;1922:2;1923: 1;1924:1;1925: 1). Andere, reichsdeutsche Verlage zu dieser Zeit, die ähnliche Reihen herausgaben, brachten es hingegen auf bis zu 100 Titel! Der 1923 verstorbene Adam Müller-Guttenbrunn war Herausgeber einer weiteren Reihe, Die gute alte Zeit, in der 1922 bis 1924 vier Bände erschienen. Auch diese zählten zu den nicht wenigen Rikola-Ladenhütern. Anzeige für den Frauenzimmer-Almanach

Anzeige für den Frauenzimmer-Almanach

Wie fast jeder andere belletristische Verlag gab auch Rikola einen Verlagsalmanach heraus. Er hieß: Frauenzimmer-Almanach und erschien insgesamt dreimal: auf das Jahr 1922, 1923 und 1924. Herausgeber war der wissenschaftliche Direktor und Schriftsteller Leo Friedländer. Die Zeichnungen bzw. den Buchschmuck für die Jahre 1923 und 1924 lieferte Prof. Victor Schufinsky (28.7.1876-7.10.1947). Jahrgang 1922 enthielt 19 Beiträge von verlagsnahen Autoren, wie u.a.: Hermann Hesse, F.K. Ginzkey, Thaddäus Rittner, Max Mell, Felix Braun, K.H. Strobl, Paul Busson und Emil Lucka. Etwas umfangreicher war der Frauenzimmer-Almanach auf das Jahr 1923 mit 24 Beiträgern und 12 Bildern nach Originalkupferstichen von Daniel Chodowiecki (1726-1801). Zu den Mitarbeitern zählten u.a. F.K. Ginzkey, Klabund, Heinrich Mann, Arthur Schnitzler, K.H. Strobl, Arnold Zweig, Stefan Zweig, Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal, Felix Braun, Max Mell, Paul Busson, Albert Trentini, Alma Johanna Koenig. Der dritte und letzte Jahrgang des hübsch ausgestatteten, von der Gesellschaft für graphische Industrie hergestellten, kleinformatigen (ca. 9 x 13 cm.) Rikola-Almanachs vereinte Beiträge von Paul Busson, Stefan Zweig, K.H. Strobl, Ernst Zahn, F.K. Ginzkey, Klara Viebig, Hermann Hesse, Richard Wengraf, Klabund, Friedrich Hebbel, Anton Wildgans, Ludwig Finckh, Alma Johanna Koenig und Felix Braun.

Nach 1918 wollten mehrere neugegründete österreichische Verlage das Erfolgsrezept des Reclam-Verlags ausprobieren und „billige“ Bücher für den österreichischen belletristischen Markt herstellen. So auch Rikola. Wie erinnerlich, sprach Richard Kola von billigen Neuausgaben der Klassiker in Massenauflagen. Nur: es geschah mehrere Jahre lang nichts. „Die geplante Ausgabe der Klassiker, die unter Mitwirkung berühmter Namen zustande kommen sollte, wurde wieder fallen gelassen und der wertvolle, mit hohen Kosten hergestellte Satz zerstört.“ [30] Dafür begann man bereits 1921 den neuen Verlagszweig Jugendschriften/Kinderbücher anzukündigen. Es kam zur Gründung mehrerer solcher Reihen- und Serienwerke, für die zumeist Walter Kauders verantwortlich war. Jugendschriften

Begonnen hat diese Sparte mit dem Blauen Kinderkalender. Ein Jahrbuch für die Jugend, herausgegeben von Walter Kauders. Es erschienen allerdings nur drei Jahrgänge (1922, 1923, 1924). Für den Jahrgang 1923 lieferte z.B. Axl v. Leskoschek (3.9.1889, Graz-12.2.1976, Wien) die Zeichnungen. Im Jahre 1921 gab Kauders die Reihe I der 12 Bändchen umfassenden Serie Die 1000 bunten Büchlein heraus. Max Mell wurde vom Rikola Verlag für die Herausgabe einer weiteren Serie – Das Wunderbrünndl – gewonnen. Zwischen 1922 und 1924 erschienen insgesamt 9 Bändchen (z.B. Das Buch von Doktor Johann Faust und Franz Stelzhamers Der Waldwurm). 1923 wurde die Reihe Das Füllhornbüchlein, herausgegeben von der Kinderautorin Frida Schanz, ins Leben gerufen. Nach dem Erscheinen von 6 Bändchen wurde die Reihe wieder eingestellt.

Franz Karl Ginzkey: Hatschi Bratchi’s Luftballon

   Franz Karl Ginzkey: Hatschi Bratchi’s Luftballon 

Anzeige für den Blauen Bücherkalender

   Anzeige für den Blauen Bücherkalender 

Anzeige für Die Tausend bunten Büchlein

   Anzeige für Die Tausend bunten Büchlein 

Band aus der Reihe Die Tausend bunten Büchlein

   Band aus der Reihe Die Tausend bunten Büchlein 


Ein ausländischer graphischer Konzern interessierte sich 1922/23 für die Jugendschriften des Rikola Verlags, doch führten diesbezügliche Fusionsverhandlungen zu keinem Abschluß. Allerdings wurde Ende 1923 berichtet, daß die Verhandlungen wegen Fusion mit einem ausländischen Verlag auf anderer Basis fortgeführt worden waren und daß diese „demnächst“ zur Gründung eines eigenen Verlagsunternehmens für die Jugendschriften mit ausländischer Beteiligung führen würden.

Alles in allem war der Kola-Ausflug in das Gebiet der Kinderbücher von Mißerfolg gekrönt. Zwei Gründe dürften dafür maßgeblich gewesen sein: die Konkurrenz und die angeblich nicht attraktive Aufmachung. Der Mißerfolg für Rikola dürfte mit der Produktion selbst eng verknüpft gewesen sein. Ein zeitgenössischer Beobachter bemerkte dazu: „Die Kinderbücher des Rikola-Verlages erregten in Fachkreisen nur Kopfschütteln und Mitleid mit den unglücklichen Beratern des Verlages.“ [31]

Zu allem Überfluß wollte sich der Rikola Verlag als wissenschaftlicher und Kommissions-Verlag profilieren, obwohl ohnehin genug österreichische Verlage in dieser Sparte etabliert waren. Man traf z.B. ein Abkommen mit dem bekannten wissenschaftlichen Verlag Springer in Berlin, um noch medizinische Werke zu verlegen. (Beispiel: Lexikon der Ernährungskunde 1923-25) Oder man verlegte die Zeitschrift Das österreichische Rote Kreuz (1. Jg. 1924), gab die Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Wien (1921) und die Publikation Die Tätigkeit des Völkerbundes 1921 bis 1925 in Kommission heraus. Zu diesem Verlagskunterbunt kamen wissenschaftliche Werke wie Lehrbuch der Buchhaltung für höhere Handelsschulen (1922) und finanzrechtliche Publikationen wie Der Kollektivvertrag nach österreichischem und deutschem Rechte unter Berücksichtigung des Schweizer Obligationsrechts (1923).

Der Mangel an konsequenter Pflege, an klaren Programmrichtlinien, an langfristiger Planung machte sich bald bemerkbar. Auch die Herausgabe einer weiteren Serie, „einer besonders interessanten Novität (…), die einen Massenabsatz verspricht“: Aus dem Archiv des Grauen Hauses. Eine Sammlung interessanter Wiener Kriminalfälle, die Anfang Februar 1924 angekündigt wurde, zeugt von dieser verfehlten Verlagspolitik.

Es war nicht verwunderlich, daß sich der Niedergang des Rikola Verlags abzeichnete, als der neugegründete Paul Zsolnay Verlag auf den Markt trat und einige ehemalige Rikola-Autoren (Colerus, Perutz etc.) abwarb. Ob zufällig oder geplant, wurde Zsolnay vom Standpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung in Österreich aus gesehen Ende November 1923, also zu einem idealen und günstigen Zeitpunkt, gegründet. Illustration und Buchausstattung

Wohl durch den Umstand begünstigt, daß der Rikola Verlag in seiner Hausdruckerei – der Gesellschaft für graphische Industrie – eine Druckerei von gutem Ruf hatte, versuchte man mit einer entsprechenden Buchausstattung (künstlerisch gestaltete Einbände, Holzschnitte, Scherenschnitte, Textillustrationen usw.) durch freischaffende Künstler die Produktion abzusetzen.

Von den von Julius Zimpel illustrierten Werken in Rikolas Kunstverlag, dem Verlag Neuer Graphik, abgesehen, waren u.a. folgende Zeichner und Illustratoren zwischen 1921 und 1925 für Rikola tätig: Erwin v. Barka, Joseph Binder, Wolfgang Born, Amadeus Dier, Rudolf Geyer, Rudolf Großmann, Emil Hübl, Fritz Jäger, Ludwig Kozma, Oskar Laske, Axl v. Leskoschek, Eugen Mirsky, Jan Oeltjen, Karl Rössing, Josef Roller, Karl Schwetz, Victor Schufinsky, Erwin Tintner, Jury Wowk, Theo Zasche.

Es soll hier über die „Qualität“ der Buchillustration und Ausstattung der Rikola-Verlagswerke kein Urteil abgegeben werden. Daß aber das Aussehen der Bücher im allgemeinen zumindest umstritten war, zeigt das Urteil eines Zeitgenossen, der von „ihrer unschönen Ausstattung“ schrieb. [32] Werbung

Der Buchschmuck war bloß eine Variante der Werbung. Der Rikola Verlag kaufte sehr viel Inseratenraum in der Buchhändler-Correspondenz bzw. im Anzeiger, griff aber auch zu eher ausgefallenen Werbemitteln. Da wurde z.B. im April 1924 eine „Rikola-Woche“ ausgerufen, um im Rahmen eines Schaufenster-Wettbewerbs ein halbes Dutzend Buchhandlungen in Wien mit Preisen von bis zu einer Million Kronen in bar zu prämieren. [33] Dieses Preisausschreiben unter Buchhändlern wurde aber von einem anderen Rikola-Werbegag weit übertroffen. Stichwort: „Rikola-Shimmy“. Ähnlich wie etwa die Zeitschrift Hugo Bettauers, Bettauers Wochenschrift, veranstaltete der Rikola Verlag 1924 mit Millionenaufwand eine „Rikola-Redoute“, um nebenbei für seine Bücher zu werben. Aus diesem Anlaß war der „Rikola Shimmy“ aus der Taufe gehoben (Worte von Ada, Musik von A.M. Werau, Opus 633):

Bei seiner Erstaufführung am 11. Februar 1924 auf der Rikola-Redoute, der er gewidmet war, hat sich dieser neueste Shimmy des durch seine vielen Schlager bekannten Komponisten ebenfalls als ein erstklassiger „Schlager“ erwiesen. Auf vielseitigen Wunsch gaben wir ihn daraufhin in Druck und bieten ihn hiermit dem verehrlichen Musikalienhandel an! (Anzeiger, Nr. 8, 22.2.1924, S. 97.)

So außergewöhnlich war die Redoute eines großen Verlags, daß er auch hier Kritik einstecken mußte:

Daß ein ernst zu nehmender Verlag zur Wiedergewinnung seiner erschütterten Reputation einen Eliteball unter Mitwirkung von Varietegrößen, Steptänzern und Rikola-Shimmis veranstaltet und auf diese Veranstaltung, der der seriöse Buchhandel mit Recht ferneblieb, noch an die hundert Millionen daraufzahlte, gehört ebenfalls zu den in der Geschichte des deutschen Verlagswesens einzig dastehenden Unbegreiflichkeiten dieses Verlages. [34]

Es scheint also einiges darauf hinzudeuten, daß der Rikola Verlag in seinen etwas unorthodoxen Methoden das, was man heute „Waschmittelwerbung“ nennt, betrieb. Nicht nur scheint sie parodiereif zu sein, sie dürfte es auch tatsächlich gewesen sein. Zum Fasching 1922 gaben die „bösen Buben“ Egon Friedell und Alfred Polgar die erste von insgesamt fünf Persiflagezeitungen (1922-26) heraus, namlich die Böse Buben-Presse vom 1. Februar 1922. Zumal die Werbung eines Verlags hier Gegenstand einer Satire ist, kann die „Wirklichkeit“ nicht weit entfernt gewesen sein. Diese Köstlichkeit wollen wir hier zitieren:

Die Zukunft des Rikola Verlags sah bereits nach Erstellung der Bilanzen für die Jahre 1923 und 1924 sehr ungünstig aus.

Über den Geschäftsgang der Gesellschaft äußerten sich die ersten beiden Jahresberichte sehr befriedigt, und zwar trotz Steigerung aller Produktions- und Generalunkosten und Geldentwertung. Die Dividende für das zweite Geschäftsjahr wurde mit 50% festgesetzt. Doch wurde die Entwicklung des Verlags in Fachkreisen weitaus weniger positiv beurteilt als von den Herren in der Verwaltung. In einem Bericht, der sicherlich nicht von böser Absicht getragen ist, heißt es:

Der Verlag (…) erlahmte bald. Es wurden Bücher verlegt, deren literarischer Wert ebenso gering war wie der geschäftliche, wobei einerseits die persönlichen Beziehungen des Gründers sich ungünstig bemerkbar machten, andererseits auch mangelndes literarisches Verständnis der Leitung (…).[36]

Der Verlag wies die Behauptung von einem Erlahmen freilich entschieden zurück. [37] Doch blieb die Kursentwicklung der Aktien unbefriedigend, und neue Aktien im Rahmen der Kapitalerhöhung waren schwer anzubringen, u.a., weil das Gründerbankhaus auch keinen Kredit gewähren wollte. Es kam so weit, daß die Gesellschaft sich äußerst schwer bewegte. Nachdem die Marktlage sich wieder gebessert hatte und neue Aktien wieder placierbar waren, besserten sich die Verhältnisse im Verlag. „Auch wurde die Konjunktur für das österreichische Verlagsgeschäft um so günstiger, je schlechter es durch den Markverfall in Deutschland wurde.“ „Solange die Rikola-Bücher infolge der österreichischen Inflationspolitik im Preise tief unter der Weltparität standen, wurden sie (…), namentlich im Auslande, viel gekauft. Die Sachlage änderte sich, sobald die Preise anzogen und Deutschland in den Wettbewerb trat. In diesem Augenblicke war das Schicksal des Rikola-Verlages besiegelt.“ [38] Der Export nach Deutschland hörte fast gänzlich auf.

Im August 1925 hielt die Rikola A.G. ihre Generalversammlung ab, und bei diesem Anlaß hat ein Großteil des bisher im Besitz der Firma Kola & Co. befindlichen Majoritätspakets der Rikola Verlags-A.G. seinen Besitzer gewechselt. Die wichtigen Beschlüsse über die weitere Gestaltung der Gesellschaft hatten eine entscheidende Vorgeschichte. Die Verlustbilanz, die die Gesellschaft präsentierte, schloß mit einem Abgang von etwa 6.75 Milliarden Kronen, was für die informierten Kreise keineswegs eine Überraschung bedeutete. Die finanziellen Kalamitäten der Gesellschaft waren ein offenes Geheimnis. Als positiv zu werten war wenigstens die Tatsache, daß die beträchtlichen Reserven in der Höhe von etwa 10 Milliarden Kronen es ermöglichten, die Deckung des bilanzmäßigen Verlustes reibungslos durchzuführen. Die Rikola A.G. ging also an eine neue Gruppe über, und zwar an die „Zentralgesellschaft für buchgewerbliche und graphische Betriebe A.G.“ Diese war eine 1921 gegründete und von der der Großdeutschen Partei nahestehenden Österreichischen Industrie- und Handelsbank finanzierte Holdinggesellschaft, die im engsten Vertragsverhältnis zu einer ganzen Reihe führender Unternehmen buchgewerblicher und graphischer Natur stand. Im Mai 1924 war die Zentralbank der deutschen Sparkassen von der Regierung gezwungen worden, eine teilweise Fusion mit jener Pleitebank durchzuführen. Diese und zwei weitere Institute, die ebenfalls unter Zwang fusioniert wurden, trugen zum Zusammenbruch der Zentralbank dann am 30. Juni 1926 bei. Anläßlich der Übernahme durch die Zentralgesellschaft, die sich laut Revolverblatt Der Abend „es sich im großen und ganzen zur Aufgabe gemacht hat, das christlich-germanische Schönheitsideal in Wort und Bild zu pflegen“ [39], verblieb von den ursprünglich 25 Verwaltungsräten im Dezember 1920 – soweit sie nicht früher ausgeschieden waren – einzig und allein Richard Kola. Er aber mußte die Leitung des Geschäfts an Wilhelm Frick und Ernst Prinzhorn abgeben.

Vonnöten war eine umfassende Sanierung, denn eine der Hauptursachen des großen Bilanzverlustes lag in dem „schreienden Mißverhältnis zwischen dem Umsatz des Unternehmens und der Höhe der Spesen“. Das Personal wurde auf ein entsprechendes Minimum reduziert, und die Rikola A.G. wurde von allen produktionstechnischen und kommerziellen Sorgen befreit. Sie blieb also ein reiner Verlagsbetrieb, der für seine Gesamttätigkeit nur eine Handvoll Personal brauchte. Die Rikola A.G. wurde nämlich an zwei andere Verlagsbetriebe angeschlossen, die unter der Patronanz der Zentralbank der deutschen Sparkassen standen: an die Literaria A.G. (selber bereits ein dahinsiechendes Unternehmen) und die Hölder-Pichler-Tempsky A.G. So übernahm Hölder-Pichler-Tempsky die Papierbeschaffung, die Herstellung der Bücher, die Drucklegung jener Werke, die von der Rikola A.G. verlegt wurden, also die gesamte technische Seite. Das Kommerzielle der Tätigkeit, also vor allem den Verkauf, besorgte die Literaria A.G. [40]

Die ersten Erfolge der eingeleiteten Sanierungsaktion gestatteten nun die Annahme, daß die Bilanz für das nächste Jahr Schon mit einem Aktivum abschließen würde. Vorerst aber stürzten Rikola-Aktien auf der Börse, da offensichtlich ein gewisses Mißtrauen in Bezug auf die Reorganisationsarbeiten weiter bestand.

Während der Kurs der Rikola-Aktien Anfang 1926 durch Ankäufe eines Stützungskomitees wieder anstieg, zeichnete sich der Niedergang des Rikola Verlags durch den Verkauf des inzwischen überflüssig gewordenen großen Verlagshauses am Radetzkyplatz an reichsdeutsche Interessenten, nämlich die Deutsche Verkehrsgewerkschaft ab. Der Erlös soll etwa 2 Milliarden Kronen betragen haben. Der Verlag übersiedelte in das Gebäude des ehemaligen Handelsmuseums, Wien 9, Berggasse 16.

Im April 1926 tauchten in diversen Zeitungsmeldungen Gerüchte auf, wonach der Verlag beabsichtige, seinen Sitz überhaupt nach München zu verlegen. Das Gerücht wurde allenthalben heftig dementiert, und das, was vom Rikola Verlag übriggeblieben war, blieb in Wien.

Einen Todesstoß gab dem Rikola Verlag schließlich der Zusammenbruch der Zentralbank der deutschen Sparkassen Ende Juni 1926. [41] Eben durch die Pleite ihrer Hausbank war die Zentralgesellschaft genötigt, sich nach einer anderen Kreditverbindung umzusehen. Zuerst wurde mit dem Wiener Bank-Verein verhandelt, der jedoch zögerte, so daß das Geschäft schließlich mit der Credit-Anstalt gemacht wurde. Dieses Institut und eine Zürcher Bankfirma räumten der Zentralgesellschaft den benötigten Kredit ein. [42] Hinter den Kulissen wurde jedoch schon länger auf das endgültige Ende des Rikola Verlags hingearbeitet, und Ende Oktober/Anfang November 1926 war man schon so weit. Rikola hörte praktisch zu existieren auf, und gleichzeitig entstand die F.G. Speidel’sche Verlagsbuchhandlung, von der gleich anschließend die Rede sein wird, an derselben Adresse. Hinter dieser neuen Firma standen zwei ehemalige Rikola-Angestellte, beide Reichsdeutsche: Walther Scheuermann (5.10.1891, Leipzig-22.2.1975), zuletzt Prokurist bei Rikola und Felix Speidel (* 2.7.1875, Stuttgart), zuletzt Lektor im Rikola-Verlag und ein Neffe des berühmten Wiener Theaterreferenten und Schriftstellers Ludwig Speidel.

Vom rechtlichen Standpunkt waren die Dinge noch nicht so weit. Erst anläßlich einer Generalversammlung am 13. Juni 1929 wurde beschlossen, die Gesellschaft aufzulösen und in Liquidation zu treten. Als Liquidatoren fungierten Prof. Carl Kathrein und Dr. Gottfried Linsmayer. Am 30. Jänner 1931 wurde die Rikola-Verlags A.G. aus dem Handelsregister gelöscht.

Einen Nachruf eigener Art hatte aber die Zeitung Der Abend schon lange vorher veröffentlicht:

Interessant ist es, zu erfahren, daß der Ausflug in die Literatur Herrn Kola und alle jene, die an seine künstlerische Mission glaubten, die nette kleine Summe von 26 Milliarden Kronen gekostet hat. (Nr. 276, Mi., 2.12.1925, S. 3) [43]

ie Aufteilung

Nach Einstellung des Betriebs gingen, wie erwähnt, Verlagsteile an die Zentralgesellschaft für buchgewerbliche und graphische Betriebe A.G. Wien über. Die historischen Verlagsgruppen gingen an den Amalthea Verlag über, die medizinischen Verlagsgruppen an den Verlag J. Springer, Berlin/Wien und schließlich ein Teil der schönen Literatur und der kunsthistorischen Werke 1926 an die F.G. Speidel’sche Verlagsbuchhandlung.

Quellen

  • Wiener Stadt- und Landesarchiv: Handelsgericht Wien, Reg. B, Band 9, pag. 13

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