Daten zum Eintrag
Datum von 26. Februar 1861
Datum bis 12. November 1918
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 27.01.2017 durch DYN.wolfgang j kraus

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48° 12' 28.76" N, 16° 21' 33.00" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Reichsrat.

Nach dem Grundgesetz „über die Reichsvertretung" (Februarpatent vom 26. Februar 1861, Reichsgesetzblatt Nr. 20 / 1861) bestand der Reichsrat aus zwei Kammern, dem Herrenhaus und dem Haus der Abgeordneten. Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867, durch den ungarische Parlamentarier wegfielen, kam für Cisleithanien und Transleithanien je eine Delegation dazu; in Cisleithanien aus 40 Abgeordneten und 20 Herrenhausmitgliedern gebildet. Die Delegationen, die zugleich in der gleichen Stadt, aber getrennt voneinander tagten, hatten über gemeinsame Angelegenheiten Altösterreichs und Altungarns zu entscheiden (Außenpolitik, Heer, Kriegsmarine und Finanzierung dieser Agenden).

Zur Vorberatung im Plenum des jeweiligen Hauses des Reichsrates wurden von beiden Häusern Ausschüsse eingesetzt (das Abgeordnetenhaus von 1861 hatte 44 Ausschüsse, das Herrenhaus 18 Kommissionen, die Delegationen fallweise gewählte Ausschüsse). 1867 wurde das Plenum des Abgeordnetenhauses aus 203 Abgeordneten gebildet; später wurden mehr Abgeordnete gewählt, von 1907 an waren es 516. Die Ausschüsse tagten unter Beiziehung der zuständigen k. k. Ministerien, die durch die Minister selbst oder hochrangige Beamte vertreten waren.

Die Parlamentarier des Abgeordnetenhauses selbst organisierten sich in parlamentarischen Klubs, die im Lauf der Zeit an Zahl beträchtlich zunahmen und immer mehr Abgeordnete umfassten. Hatte es 1861 nur vier Parlamentsklubs (80 Unionisten, 70 Föderalisten, 30 Großösterreicher, 20 Deutsche Autonomisten) gegeben, so waren es 1911 bereits 36 Parlamentsklubs, in denen 514 der 516 Abgeordneten zusammengeschlossen waren (die kleineren Klubs waren überwiegend national ausgerichtet); die stärksten Klubs waren 1911 die Sozialdemokraten (82), die Christlichsozialen (76), die Czechischen Agrarier (38), die Deutsche Volkspartei (33), die Deutschagrarier (26), die Polnische Volkspartei (25), die Ruthenischen Nationaldemokraten (23), die Deutschradikalen (22), die Polnischen Konservativen (22) und die Deutschfortschrittlichen (21).

Das Abgeordnetenhaus des Reichsrates hielt am 29. April 1861[1] seine erste Sitzung ab, und zwar im provisorischen Abgeordnetenhaus vor dem Schottentor ("Schmerling-Theater"). Das Herrenhaus hielt am gleichen Tag ebenfalls seine Eröffnungssitzung ab, und zwar im Niederösterreichischen Landhaus. Beide Häuser des Reichsrats blieben bis zur Eröffnung des Reichsratsgebäudes an diesen Sitzungsorten. Für den Bau neuer Sitzungssäle beider Häuser waren auch getrennte Gebäude in Diskussion; man entschied sich aber letztlich für ein gemeinsames Bauwerk, das k.k. Reichsratsgebäude am damaligen Franzensring (1).

Die erste Sitzung im neu erbauten Reichsratsgebäude Theophil Hansens (Parlament) fand für das Herrenhaus ebenso wie für das Abgeordnetenhaus am 4. Dezember 1883 statt. In den folgenden Jahrzehnten spiegelte sich im Parlamentsgebäude die zunehmende Demokratisierung Österreichs, die auch mit starken Auseinandersetzungen zwischen Nationalitäten und Weltanschauungen verbunden war.

Die letzte Sitzung des Herrenhauses fand am 30. Oktober 1918 statt und dauerte nur fünf Minuten. Die letzte Sitzung des Abgeordnetenhauses, an der nur mehr ganz wenige nichtdeutsche Abgeordnete teilnahmen, fand am 12. November 1918 statt und bestand nur aus einem Gedenken an den tags zuvor verstorbenen Abgeordneten Viktor Adler und der Schlussansprache des Präsidenten Gustav Groß. Da ein Auflösungsbeschluss gesetzlich nicht vorgesehen war, schlug Präsident Groß vor, keinen Termin für eine weitere Sitzung festzulegen.

Am gleichen Tag wurde von der Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich, deren Plenum zum ersten Mal im nunmehr ehemaligen k.k. Reichsratsgebäude stattfand, die Republik ausgerufen und dies auf der Parlamentsrampe verkündet. Die Versammlung beschloss weiters, dass das Herrenhaus aufgelöst ist.

Die Provisorische Nationalversammlung, bestehend aus den im Jahr 1911 gewählten deutschsprachigen, männlichen Reichsratsabgeordneten, amtierte bis Februar 1919. Auf sie folgte am 4. März 1919 die am 16. Februar 1919 erstmals von Männern und Frauen gewählte Konstituierende Nationalversammlung, die am 1. Oktober 1920 die ab 10. November 1920 gültige Bundesverfassung beschloss. Durch sie entstanden am 10. November 1920 Nationalrat und Bundesrat, ausgenommen 1933 - 1945 bis heute die beiden Elemente der Legislative auf Bundesebene. Das spätere Burgenland war davon anfangs noch nicht tangiert; es gelangte erst im Herbst 1921 von Ungarn zu Österreich.

Einzelnachweise

Protokolle

Die Stenographischen Protokolle beider Häuser des Reichsrates stehen auf der Website alex.onb.c.at der Österreichischen Nationalbibliothek zum Lesen zur Verfügung.