Marie von Ebner-Eschenbach: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
K (Textersetzung - „|Bildrechte=Wienbibliothek im Rathaus“ durch „|Bildrechte=CC BY-NC-ND 4.0“)
Zeile 94: Zeile 94:
 
==Biographie==
 
==Biographie==
  
Marie von Ebner-Eschenbach wurde am 13. September 1830 auf Schloss Zdislawitz bei Kremsier als Freiin (später Gräfin) Dubsky geboren. Ebner-Eschenbach verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Zdislawitz und Wien, lebte aber ab 1863 ständig in Wien (zunächst 3, Landstraßer Hauptstraße 74,  von 1876 bis 1900 1, Rotenturmstraße 21; später 1, Spiegelgasse 1). Mit achtzehn Jahren heiratete sie ihren Cousin Moritz von Ebner-Eschenbach. Die Ehe blieb kinderlos.
+
Marie von Ebner-Eschenbach wurde am 13. September 1830 auf Schloss Zdislawitz bei Kremsier, Mähren, als Freiin Dubsky geboren. Ihre Mutter starb wenige Wochen nach der Geburt. Marie verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Zdislawitz und Wien. Achtzehnjährig heiratete sie ihren Cousin Moritz von Ebner-Eschenbach. Von 1851 bis 1856 lebte das Paar in Klosterbruck bei Znaim, wo der Ehemann als Offizier an der Ingenieur-Akademie unterrichtete; danach war Wien wieder der Lebensmittelpunkt. Die Ehe blieb kinderlos, Marie war aber durch die Pflegebedürftigkeit der psychisch kranken Schwiegermutter Helene von Ebner-Eschenbach (1782–1864) stark gefordert.
  
Angeregt durch ihre Bekanntschaft mit [[Franz Grillparzer|Grillparzer]], [[Friedrich Halm|Halm]], [[Friedrich Hebbel|Hebbel]], [[Heinrich Laube|Laube]] und anderen begann sie zu schreiben. Ihr schriftstellerisches Talent und ihre frühen literarischen Ambitionen wurden von ihrer Familie von Beginn an gefördert, unter anderem durch freie Literaturauswahl in der Schlossbibliothek und durch Theaterbesuche in Wien. Zunächst verfasste Ebner-Eschenbach Dramen mit Figuren aus der französischen Geschichte, die beim Publikum und der Kritik allerdings kaum Anklang fanden. Nach ernsthaften Erwägungen, mit der Schriftstellerei ganz aufzuhören, wandte sich Ebner-Eschenbach schließlich der Prosadichtung zu. Erst im Alter von fast fünfzig Jahren wurde sie als Erzählerin bekannt – durch die Veröffentlichung des Kurzromans "Bozena" (1876), vor allem aber der Erzählung "Lotti, die Uhrmacherin" (1880), in der sie die Eindrücke aus ihrer 1879 absolvierten Uhrmacherlehre verarbeitete. Ebner-Eschenbach entwickelte sich zur bedeutendsten österreichischen Dichterin des späten Realismus.  
+
Marie von Ebner-Eschenbach begann früh mit ihrer schriftstellerischen Tätigkeit und schickte als Siebzehnjährige Gedichte an Franz Grillparzer und Betty Paoli, die sie zur weiteren Arbeit ermunterten. Ihre ersten Veröffentlichungen, von denen vor allem die satirische Prosa "Aus Franzensbad" (1858) zu erwähnen ist, erschienen anonym oder unter Pseudonym. Die literarischen Anfänge sind gut dokumentiert im kürzlich publizierten Briefwechsel mit Josephine von Knorr (1827–1908), mit der Ebner-Eschenbach die literarischen Ambitionen teilte. Ebner-Eschenbach strebte danach, als Dramatikerin an den großen Theatern zu reüssieren. Tatsächlich konnte sie mit dem Lustspiel "Das Veilchen", das 1863 am Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde, einen Achtungserfolg erzielen, an den ihre Trauerspiele, historischen Dramen und Gesellschaftsstücke kaum herankamen. Die zumeist negativen Kritiken führten zu ernsthaften Erwägungen, die Schriftstellerei einzustellen, bis sich Ebner-Eschenbach schließlich der erzählenden Dichtung zuwandte. 1875 erschien bei Cotta in Stuttgart der Band "Erzählungen", im Jahr darauf der kurze Roman "Božena". Der Durchbruch gelang 1880 mit der Erzählung "Lotti, die Uhrmacherin", in die die Autorin ihr umfassendes Wissen der Uhrmacherkunst einfließen ließ. Es folgten die Sammlung "Dorf- und Schloßgeschichten" (1883) und der Roman "Das Gemeindekind" (1887), der heute als Ebner-Eschenbachs Hauptwerk und als Meisterwerk der deutschsprachigen Literatur des Spätrealismus gilt.
  
Zu ihren Hauptwerken zählen "Bozena" (1876), "Dorf- und Schloßgeschichten" (1883, 1886), "Zwei Komtessen" (1885), "Das Gemeindekind" (zwei Bände, 1887-1888), "Lotti, die Uhrmacherin" (1880), "Unsühnbar" (1890), "Margarethe" (1891), "Glaubenslos" (1891), "Alte Schule" (1897) und "Aus Spätherbsttagen" (1901). In ihren Romanen und Erzählungen schilderte sie das Leben verschiedener Gesellschaftsschichten (vom Adel über das Bürgertum bis zu den Arbeitern) in realistischer Weise mit sozialpsychologischen und gesellschaftskritischen Akzenten und mit einem wachen politischen Bewusstsein. Ihre Memoiren geben Einblicke in Gesellschaft und Kultur der Monarchie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In ihrem Spätwerk "Meine Erinnerungen an Grillparzer" schildert sie eindrucksvoll ihre ängstlichen Gefühle, als sie in Grillparzers Wohnung (1, Spiegelgasse 21) dem von ihr verehrten Dichter aus ihren Werken vorlas.  
+
Ebner-Eschenbachs Prosa bietet ein Panorama der Gesellschaft der Zeit Kaiser Franz Josephs I., vom Adel bis in die unteren Schichten, der einige ihrer Protagonisten entstammen; die Erzählungen und Romane zeichnen sich durch großes Formbewusstsein und gekonnten dramatischen Aufbau aus und zielen bisweilen stark auf die Affekte und Rührung der Leserschaft ab (vgl. die Novelle "Krambambuli"). Ebner-Eschenbachs sozialpsychologisch geschärfter Blick, der für ihre treffende Gesellschaftskritik grundlegend ist, und ihr waches politisches Bewusstsein kennzeichnen das Erzählwerk genauso wie die "Aphorismen" (1880), deren einprägsamste in den deutschsprachigen Sprichwortschatz eingegangen sind.
 +
 
 +
1898 erhielt Marie von Ebner-Eschenbach das kaiserliche "Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft", am 1. September 1900 wurde ihr als erster Frau ein Ehrendoktorat der Universität Wien verliehen. Sie ist auch die einzige Frau, die mit einer [[Ebner-Eschenbach-Denkmal|Gedenktafel]] im Arkadenhof der Universität Wien geehrt wurde. Die Wiener Uhrmachergenossenschaft ernannte sie 1900 zum Ehrenmitglied; Ebner-Eschenbachs Taschenuhrensammlung bildete schließlich den Grundstock des [[Uhrenmuseum|Uhrenmuseums]] der Stadt Wien. Der schriftliche Nachlass mit 5.381 Inventarnummern sowie die Sammlung Marie von Ebner-Eschenbach (3 Archivboxen) befinden sich in der Wienbibliothek im Rathaus. In [[Währing]] wurde der [[Ebner-Eschenbach-Park]] nach ihr benannt.
  
Am 1. September 1900 wurde Ebner-Eschenbach als erster Frau ein Ehrendoktorat der Universität Wien verliehen. Im selben Jahr wurde sie als erste Frau zum Ehrenmitglied der Wiener Uhrmachergenossenschaft ernannt. Sie ist auch die einzige Frau, die mit einer [[Ebner-Eschenbach-Denkmal|Gedenktafel]] im Arkadenhof der Universität geehrt wird. Ihre Uhrensammlung bildete den Grundstock des [[Uhrenmuseum|Uhrenmuseums]] der Stadt Wien, ihr Nachlass befindet sich in der [[Wienbibliothek im Rathaus]]. In [[Währing]] wurde der [[Ebner-Eschenbach-Park]] nach ihr benannt.
 
  
 
==Quellen==
 
==Quellen==

Version vom 28. Juni 2017, 14:00 Uhr

Marie Ebner-Eschenbach auf einer Radierung von Ludwig Michalek
Daten zur Person
Personenname Ebner-Eschenbach, Marie von
Abweichende Namensform Dubský, Marie von
Titel Freiin, Gräfin, Dr. phil. h. c.
Geschlecht weiblich
PageID 10635
GND 118528661
Wikidata
Geburtsdatum 13. September 1830
Geburtsort Zdislawitz bei Kremsier, Mähren
Sterbedatum 12. März 1916
Sterbeort Wien
Beruf Dichterin, Schriftstellerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus / Handschriftensammlung
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 28.06.2017 durch WIEN1.lanm09hug
Begräbnisdatum
Friedhof Friedhof Zdislavice
Grabstelle
Bildname Marieebnereschenbach.jpg
Bildunterschrift Marie Ebner-Eschenbach auf einer Radierung von Ludwig Michalek
  • 1., Graben 8 (Sterbeadresse)
  • 3., Landstraßer Hauptstraße 74 (Wohnadresse)
  • 1., Rotenturmstraße 21 (Wohnadresse)
  • 1., Spiegelgasse 1 (Letzte Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Ehrendoktorat der Universität Wien (Verleihung: 1900)
  • Ehrenmitgliedschaft der Wiener Uhrmachergenossenschaft (Verleihung: 1900)

Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach, * 13. September 1830 Schloss Zdislawitz bei Kremsier, Mähren (Zdislavice bei Kroměříž, Tschechische Republik), † 12. März 1916 Wien 1, Graben 8 (Spiegelgasse 1; Friedhof Zdislavice), Dichterin, Schriftstellerin, Gatte (1848) Moritz Freiherr von Ebner-Eschenbach.

Biographie

Marie von Ebner-Eschenbach wurde am 13. September 1830 auf Schloss Zdislawitz bei Kremsier, Mähren, als Freiin Dubsky geboren. Ihre Mutter starb wenige Wochen nach der Geburt. Marie verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Zdislawitz und Wien. Achtzehnjährig heiratete sie ihren Cousin Moritz von Ebner-Eschenbach. Von 1851 bis 1856 lebte das Paar in Klosterbruck bei Znaim, wo der Ehemann als Offizier an der Ingenieur-Akademie unterrichtete; danach war Wien wieder der Lebensmittelpunkt. Die Ehe blieb kinderlos, Marie war aber durch die Pflegebedürftigkeit der psychisch kranken Schwiegermutter Helene von Ebner-Eschenbach (1782–1864) stark gefordert.

Marie von Ebner-Eschenbach begann früh mit ihrer schriftstellerischen Tätigkeit und schickte als Siebzehnjährige Gedichte an Franz Grillparzer und Betty Paoli, die sie zur weiteren Arbeit ermunterten. Ihre ersten Veröffentlichungen, von denen vor allem die satirische Prosa "Aus Franzensbad" (1858) zu erwähnen ist, erschienen anonym oder unter Pseudonym. Die literarischen Anfänge sind gut dokumentiert im kürzlich publizierten Briefwechsel mit Josephine von Knorr (1827–1908), mit der Ebner-Eschenbach die literarischen Ambitionen teilte. Ebner-Eschenbach strebte danach, als Dramatikerin an den großen Theatern zu reüssieren. Tatsächlich konnte sie mit dem Lustspiel "Das Veilchen", das 1863 am Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde, einen Achtungserfolg erzielen, an den ihre Trauerspiele, historischen Dramen und Gesellschaftsstücke kaum herankamen. Die zumeist negativen Kritiken führten zu ernsthaften Erwägungen, die Schriftstellerei einzustellen, bis sich Ebner-Eschenbach schließlich der erzählenden Dichtung zuwandte. 1875 erschien bei Cotta in Stuttgart der Band "Erzählungen", im Jahr darauf der kurze Roman "Božena". Der Durchbruch gelang 1880 mit der Erzählung "Lotti, die Uhrmacherin", in die die Autorin ihr umfassendes Wissen der Uhrmacherkunst einfließen ließ. Es folgten die Sammlung "Dorf- und Schloßgeschichten" (1883) und der Roman "Das Gemeindekind" (1887), der heute als Ebner-Eschenbachs Hauptwerk und als Meisterwerk der deutschsprachigen Literatur des Spätrealismus gilt.

Ebner-Eschenbachs Prosa bietet ein Panorama der Gesellschaft der Zeit Kaiser Franz Josephs I., vom Adel bis in die unteren Schichten, der einige ihrer Protagonisten entstammen; die Erzählungen und Romane zeichnen sich durch großes Formbewusstsein und gekonnten dramatischen Aufbau aus und zielen bisweilen stark auf die Affekte und Rührung der Leserschaft ab (vgl. die Novelle "Krambambuli"). Ebner-Eschenbachs sozialpsychologisch geschärfter Blick, der für ihre treffende Gesellschaftskritik grundlegend ist, und ihr waches politisches Bewusstsein kennzeichnen das Erzählwerk genauso wie die "Aphorismen" (1880), deren einprägsamste in den deutschsprachigen Sprichwortschatz eingegangen sind.

1898 erhielt Marie von Ebner-Eschenbach das kaiserliche "Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft", am 1. September 1900 wurde ihr als erster Frau ein Ehrendoktorat der Universität Wien verliehen. Sie ist auch die einzige Frau, die mit einer Gedenktafel im Arkadenhof der Universität Wien geehrt wurde. Die Wiener Uhrmachergenossenschaft ernannte sie 1900 zum Ehrenmitglied; Ebner-Eschenbachs Taschenuhrensammlung bildete schließlich den Grundstock des Uhrenmuseums der Stadt Wien. Der schriftliche Nachlass mit 5.381 Inventarnummern sowie die Sammlung Marie von Ebner-Eschenbach (3 Archivboxen) befinden sich in der Wienbibliothek im Rathaus. In Währing wurde der Ebner-Eschenbach-Park nach ihr benannt.


Quellen

Literatur

  • Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. Begründet von Hellmuth Rössler und Günther Franz, bearbeitet von Karl Bosl [u.a.]. Band 1: A-H. München: A. Francke 1973
  • Peter Ernst: Wiener Literaturgedenkstätten. Hg. von Felix Czeike. Wien: J & V-Edition Wien-Verlag 1990
  • Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [ u.a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
  • Gerhard Renner: Die Nachlässe in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek. Wien 1993
  • Neue österreichische Biographie. 1815 – 1918. Band 1. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1923
  • Anton Bettelheim: Marie von Ebner-Eschenbach. Wirken und Vermächtnis. Leipzig: Quelle & Meyer 1920
  • Adalbert Schmidt: Dichtung und Dichter Österreichs im 19. und 20. Jahrhundert. Band 1. Salzburg: Bergland-Buch 1964, S. 169 ff. und Register
  • Hans Pemmer: Der Graben und seine Bewohner. In: Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 14 (1956), S. 116
  • Hans Pemmer / Nini Lackner: Die Rotenturmstraße. In: Wiener Geschichtsblätter. Band 25. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1970, S. 37 f.
  • Die Frau im Korsett. Wiener Frauenalltag zwischen Klischee und Wirklichkeit 1848 - 1920. Hermesvilla, Lainzer Tiergarten, 14. April 1984 - 10. Februar 1985. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1984 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 88), S. 213
  • Sylvia Mattl-Wurm [Red.]: Interieurs. Wiener Künstlerwohnungen 1830 - 1930. Wien: Eigenverlag 1990 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 138), S. 118 (Künstlerwohnung 1, Rotenturmstraße 27)
  • Jaromir Kubiček: Tschechoslowakische Quellen und Literatur über Marie von Ebner-Eschenbach. In: Wiener Geschichtsblätter. Band 26. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1971, S. 217 ff.
  • Sophie Pataky [Hg.]: Lexikon deutscher Frauen der Feder. Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienenen Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Berlin 1898
  • Wienbibliothek im Rathaus, Tagblattarchiv
  • Marie von Ebner-Eschenbach †. In: Neue Freie Presse, 13.03.1916.

Links