Jedleseer Brauerei: Unterschied zwischen den Versionen

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Das Brauhaus entstand dort, wo die Straße von der Überfuhr aus [[Nußdorf]] auf die [[Prager Straße]] traf. Es wurde mehrmals verpachtet, bis es 1814 Jakob Wohl, der Eigentümer des „Großen Wirtshauses am Spitz“, erwarb und seiner Tochter Theresia und deren Gatten Anton Bosch übergab. Anton Bosch gründete dann eine neue Wiener Brauherrendynastie, die nicht nur in Jedlesee, sondern auch in den Brauereien von Nußdorf, Fünfhaus und Hütteldorf tätig wurde.
 
Das Brauhaus entstand dort, wo die Straße von der Überfuhr aus [[Nußdorf]] auf die [[Prager Straße]] traf. Es wurde mehrmals verpachtet, bis es 1814 Jakob Wohl, der Eigentümer des „Großen Wirtshauses am Spitz“, erwarb und seiner Tochter Theresia und deren Gatten Anton Bosch übergab. Anton Bosch gründete dann eine neue Wiener Brauherrendynastie, die nicht nur in Jedlesee, sondern auch in den Brauereien von Nußdorf, Fünfhaus und Hütteldorf tätig wurde.
  
Aus dem Jahr 1837 gibt es folgende Beschreibung des Brauhauses: Es ist „vielleicht das größte, sicher aber eines der besten im Lande ist. 25 Arbeiter erzeugen auf zwei Pfannen und zwei Branntweinkesseln jährlich 80.000 Eimer Bier und 200 Eimer Branntwein, wovon nicht weniger als der vierte Theil im Orte selbst verzapft wird. Man kann daraus auf die Lebhaftigkeit des Straßenverkehrs schließen. Nicht leicht fährt ein Fuhrmann vorbei, ohne einen Augenblick zu halten, und an Sonntagen sieht man eine ganze Wagenburg …, welche aus Wien des köstlichen Bieres wegen heraus pilgern. Wäre ein hübscher Garten beim Hause, der Zuspruch würde noch größer seyn; sogar im Hofe lagern sich die durstigen Gruppen.“<ref>Schmidl: Wien‘s Umgebungen auf zwanzig Stunden im Umkreise, IV. Band. Verlag Carl Gerold: Wien 1839, S. 61 </ref>
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Aus dem Jahr 1837 gibt es folgende Beschreibung des Brauhauses: Es ist „vielleicht das größte, sicher aber eines der besten im Lande ist. 25 Arbeiter erzeugen auf zwei Pfannen und zwei Branntweinkesseln jährlich 80.000 Eimer Bier und 200 Eimer Branntwein, wovon nicht weniger als der vierte Theil im Orte selbst verzapft wird. Man kann daraus auf die Lebhaftigkeit des Straßenverkehrs schließen. Nicht leicht fährt ein Fuhrmann vorbei, ohne einen Augenblick zu halten, und an Sonntagen sieht man eine ganze Wagenburg …, welche aus Wien des köstlichen Bieres wegen heraus pilgern. Wäre ein hübscher Garten beim Hause, der Zuspruch würde noch größer seyn; sogar im Hofe lagern sich die durstigen Gruppen.“<ref>Schmidl: Wien‘s Umgebungen auf zwanzig Stunden im Umkreise, IV. Band. Wien: Verlag Carl Gerold 1839, S. 61.</ref>
  
 
Nach anfänglichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten hatte er mit der Produktion seines Englisch- oder Kaiserbier großen Erfolg. Die Nachfrage war größer als das Angebot, so dass er 1845 und 1859 neue, große Lagerkeller sowie 1865 das Sudhaus erneuerte und die erste Dampfmaschine mit 35 PS aufstellen ließ. <ref> Anton Bosch: Biographie. Wien: Eigenverlag 1868, S. 11.</ref> Vor der „Bierrevolution“ mit den untergärigen Bieren von Dreher und Mautner führte Bosch die größte Wiener Brauerei und übergab sie 1866 seinem Enkel [[Anton Dengler]].  
 
Nach anfänglichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten hatte er mit der Produktion seines Englisch- oder Kaiserbier großen Erfolg. Die Nachfrage war größer als das Angebot, so dass er 1845 und 1859 neue, große Lagerkeller sowie 1865 das Sudhaus erneuerte und die erste Dampfmaschine mit 35 PS aufstellen ließ. <ref> Anton Bosch: Biographie. Wien: Eigenverlag 1868, S. 11.</ref> Vor der „Bierrevolution“ mit den untergärigen Bieren von Dreher und Mautner führte Bosch die größte Wiener Brauerei und übergab sie 1866 seinem Enkel [[Anton Dengler]].  

Version vom 19. Mai 2022, 13:33 Uhr

Daten zur Organisation
Art der Organisation Firma
Datum von 1787
Datum bis 1930
Benannt nach
Prominente Personen Anton Freiherr von Störck, Anton Bosch, Anton Dengler
PageID 19137
GND
WikidataID
Objektbezug Bier, Brauhäuser
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Recherche
Letzte Änderung am 19.05.2022 durch WIEN1.lanm08wei
  • 21., Hopfengasse 1
  • 21., Prager Straße 78-86

Frühere Adressierung
  • Jedleseer Brauhaus

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48° 16' 10.30" N, 16° 23' 30.39" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Jedleseer Brauerei (21, Prager Straße 84, Hopfengasse 1)

Die Gründung durch Anton von Störck

Jedlesee erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung, als 1778 der Leibarzt der Kaiserfamilie, Anton Freiherr von Störck, die Grundherrschaft erwarb und der Ort mit der neuen Reichsstraße nach Böhmen verbunden wurde. Nach einem erfolglosen Versuch im Jahr 1779, eine Brauerei zu gründen, bekam Störck die Bewilligung neun Jahre später und eröffnete 1788 auf seinem Gut ein Bräuhaus mit Schankgerechtigkeit, das mit der Auflage verbunden war, kein Bier in die Stadt einzuführen.[1]

Die Ära von Anton Bosch

Das Brauhaus entstand dort, wo die Straße von der Überfuhr aus Nußdorf auf die Prager Straße traf. Es wurde mehrmals verpachtet, bis es 1814 Jakob Wohl, der Eigentümer des „Großen Wirtshauses am Spitz“, erwarb und seiner Tochter Theresia und deren Gatten Anton Bosch übergab. Anton Bosch gründete dann eine neue Wiener Brauherrendynastie, die nicht nur in Jedlesee, sondern auch in den Brauereien von Nußdorf, Fünfhaus und Hütteldorf tätig wurde.

Aus dem Jahr 1837 gibt es folgende Beschreibung des Brauhauses: Es ist „vielleicht das größte, sicher aber eines der besten im Lande ist. 25 Arbeiter erzeugen auf zwei Pfannen und zwei Branntweinkesseln jährlich 80.000 Eimer Bier und 200 Eimer Branntwein, wovon nicht weniger als der vierte Theil im Orte selbst verzapft wird. Man kann daraus auf die Lebhaftigkeit des Straßenverkehrs schließen. Nicht leicht fährt ein Fuhrmann vorbei, ohne einen Augenblick zu halten, und an Sonntagen sieht man eine ganze Wagenburg …, welche aus Wien des köstlichen Bieres wegen heraus pilgern. Wäre ein hübscher Garten beim Hause, der Zuspruch würde noch größer seyn; sogar im Hofe lagern sich die durstigen Gruppen.“[2]

Nach anfänglichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten hatte er mit der Produktion seines Englisch- oder Kaiserbier großen Erfolg. Die Nachfrage war größer als das Angebot, so dass er 1845 und 1859 neue, große Lagerkeller sowie 1865 das Sudhaus erneuerte und die erste Dampfmaschine mit 35 PS aufstellen ließ. [3] Vor der „Bierrevolution“ mit den untergärigen Bieren von Dreher und Mautner führte Bosch die größte Wiener Brauerei und übergab sie 1866 seinem Enkel Anton Dengler.

Die Ära der Familie Dengler

Anton Dengler führte in den Jahren ab 1888 die künstliche Kühlung ein und steigerte den Ausstoß durch umfangreiche Ausbauten und neue Lagerkeller in den folgenden Jahren auf 140.000 Hektoliter. Damit gehörte er nach wie vor zu den sechs größten Brauereien im Wiener Umland.

1900 wurde die neue Brauhausrestauration „Zum Gambrinus“ fertig gestellt. Nach Denglers Selbstmord ging der Betrieb an seinen Sohn Rudolf Dengler über. Dieser baute das Sudhaus von Feuer- auf Dampfkochung um und elektrifizierte den Betrieb. Er installierte eine moderne Abfüllanlage samt Bierstapelraum und Filterwäscherei. Die Produktion sank aber trotzdem wieder auf die 100.000-Hektoliter-Grenze ab.

Als der Erste Weltkrieg kam, spürte das auch diese Brauerei ganz kräftig. 1922 entschloss sich Rudolf Dengler die Brauerei in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Die goldenen Zeiten waren aber längst vorbei und 1928 erwarben die Vereinigten Brauereien in Form eines Aktientausches das gesamte Aktienpaket und ein Jahr später genehmigte die Generalversammlung dann auch die Fusion. Das war das „Aus“ für das Jedleseer Brauhaus, das im Jahre 1930 seine letzten 33.390 Hektoliter Bier braute.

Die Brauereigebäude nach 1930

Wolfgang Bosch, der Enkel von Anton Bosch, war inzwischen Hauptaktionär des Jedleseer Brauhauses und wechselte in den Verwaltungsrat der Vereinigten Brauereien. Zwei Jahre später wurde auch die Mälzerei in Jedlesee eingestellt, da der gesamte Malzbedarf von den Mälzereien in Schwechat und am Handelskai in Wien gedeckt werden konnte.

Während des Zweiten Weltkriegs, von Juli 1944 bis April 1945, befand sich in der Hopfengasse ein Nebenlager des Konzentrationslagers Mauthausen, in dem KZ-Häftlinge in den Kellern der Brauerei für die Flugzeugfirma Heinkel Ersatzteile fertigen mussten. Nach einem schweren Bombenangriff kam die Produktion zum Erliegen. Die Gebäude an der Prager Straße 84, die lange Zeit als Wohnhäuser für die Brauereiarbeiter verwendet wurden, waren im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht und 1945 kurz von der Roten Armee besetzt, sie waren allerdings durch Bombentreffer arg ramponiert. Letzter Mieter war eine Glasfabrik, ab 1978 wurde das schöne Herrenhaus und die verbliebenen Betriebsgebäude zum Bedauern der Denkmalschützer abgerissen: Damit verschwand eines der interessantesten Gebäude aus dem alten Jedlesee.

Nachdem 1980 auch der Lagerkeller zugeschüttet wurde, errichtet man anstelle der alten Brauerei Mitte der 1980er-Jahre neue Wohnhäuser (Denglerpark); nur die Restauration »Zum Gambrinus« ist in stark veränderter Form erhalten. An die Familie Dengler erinnert am Bisamberg noch die Denglervilla. In Jedlesee erinnern noch die Anton-Störck-Gasse, die Anton-Bosch-Gasse, die Anton-Dengler-Gasse (bis 1903 Bräuhausgasse) und die Hopfengasse an diese Brauherrenfamilien.

Literatur

  • Anton Bosch: Biographie. Wien: Eigenverlag 1868
  • Christian Springer / Alfred Paleczny / Wolfgang Ladenbauer: Wiener Bier-Geschichte. Böhlau Verlag: Wien-Köln-Weimar 2017, 163-170
  • Franz Polly: Spaziergang durch Jedlesee. In: Unser schönes Floridsdorf 15 (1981), S. 135-136.
  • Franz Polly: Ein verlorenes Floridsdorfer Juwel - Kurzgeschichte der Brauerei Jedlesee In: Unser schönes Floridsdorf 24 (1990), S. 311-321.
  • Franz Polly: Aus der Familiengeschichte der Mautner Markhof Heft 3/1986, S. 3-14
  • Raimund Hinkel: Floridsdorf. Sammelpunkte der Wege. Heimatkundliche Betrachtungen, herausgegeben zum Jubiläum „200 Jahre Floridsdorf“. Eigenverlag: Wien 1986, S. 98-100
  • Josef Promintzer: Dreihundert Jahre Brauhaus Schwechat. Vergangenheit und Gegenwart der größten Brauerei Österreichs. Eigenverlag der Vereinigten Brauereien: Wien 1932, S. 80-85
  • Schmidl: Wien‘s Umgebungen auf zwanzig Stunden im Umkreise. Band 4, Wien: Verlag Carl Gerold 1839

Einzelnachweise:

  1. Raimund Hinkel: Floridsdorf. Sammelpunkte der Wege. Heimatkundliche Betrachtungen, herausgegeben zum Jubiläum „200 Jahre Floridsdorf“. Wien: Eigenverlag 1986, S. 98.
  2. Schmidl: Wien‘s Umgebungen auf zwanzig Stunden im Umkreise, IV. Band. Wien: Verlag Carl Gerold 1839, S. 61.
  3. Anton Bosch: Biographie. Wien: Eigenverlag 1868, S. 11.