Jedleseer Brauerei

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Brauerei Jedlesee
Daten zur Organisation
Art der Organisation Brauerei
Datum von 1787
Datum bis 1930
Benannt nach Jedlesee (Ort)
Prominente Personen Anton Störck, Anton Bosch, Anton Dengler
PageID 19137
GND
WikidataID
Objektbezug Bier, Brauhäuser, Frühe Neuzeit, Langes 19. Jahrhundert, Zwischenkriegszeit
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 5.03.2024 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname Brauerei Jedlesee.jpg
Bildunterschrift Brauerei Jedlesee
  • 21., Hopfengasse 1
  • 21., Prager Straße 78-86

Frühere Adressierung
  • Jedleseer Brauhaus

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48° 16' 10.30" N, 16° 23' 30.39" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Jedleseer Brauerei (21, Prager Straße 84, Hopfengasse 1).

Gründung

Als 1778 der Leibarzt der Kaiserfamilie, Anton Freiherr von Störck, die Grundherrschaft erwarb und Jedlesee mit der neuen Reichsstraße nach Böhmen verbunden wurde, erlebte der Ort einen wirtschaftlichen Aufschwung. Nach einem erfolglosen Versuch im Jahr 1779, eine Brauerei zu gründen, bekam Störck die Bewilligung neun Jahre später und eröffnete 1787 auf seinem Gut ein Bräuhaus mit Schankgerechtigkeit, das mit der Auflage verbunden war, kein Bier in die Stadt einzuführen.[1] Diese Beschränkung wurde aber im folgenden Jahr bereits wieder aufgehoben, als das Bürgerspital seinen Braubetrieb einstellte.

Porträt des Brauherren Anton von Störck

Ära Anton Bosch

Das Brauhaus entstand dort, wo die Straße von der Überfuhr aus Nußdorf auf die Prager Straße traf. Es wurde mehrmals verpachtet, die Produktionsmenge blieb gering, bis 1814 Jakob Wohl, der Eigentümer des „Großen Wirtshauses am Spitz“, das Brauhaus in einer Exekution erwarb und später seiner Tochter Theresia und deren Gatten Anton Bosch um 130.000 Gulden übergab. Theresia Wohl und Anton Bosch waren die Begründer einer neuen Wiener Braudynastie, die nicht nur in Jedlesee, sondern auch in den Brauereien von Nußdorf, Fünfhaus und Hütteldorf tätig wurde.

Porträt des Brauherren Anton Bosch

Nach anfänglichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten hatte Anton Bosch mit der Produktion seines Englisch- oder Kaiserbier großen Erfolg. 1837/38 wurden in der Braukampagne 112.000 Eimer Bier gebraut. Das Brauhaus war damit der Betrieb mit dem weitaus größten Bierausstoß in Wien.

Brauerei Jedlesee, Märzenbier, Tafelbier

Aus dem Jahr 1837 stammt folgende Beschreibung des Brauhauses: Es ist „vielleicht das größte, sicher aber eines der besten im Lande [...]. 25 Arbeiter erzeugen auf zwei Pfannen und zwei Branntweinkesseln jährlich 80.000 Eimer Bier und 200 Eimer Branntwein, wovon nicht weniger als der vierte Theil im Orte selbst verzapft wird. Man kann daraus auf die Lebhaftigkeit des Straßenverkehrs schließen. Nicht leicht fährt ein Fuhrmann vorbei, ohne einen Augenblick zu halten, und an Sonntagen sieht man eine ganze Wagenburg [...], welche aus Wien des köstlichen Bieres wegen heraus pilgern. Wäre ein hübscher Garten beim Hause, der Zuspruch würde noch größer seyn; sogar im Hofe lagern sich die durstigen Gruppen.“[2]

Aufgrund der großen Nachfrage ließ Bosch 1845 und 1859 neue, große Lagerkeller bauen sowie 1865 das Sudhaus erneuern und die erste Dampfmaschine mit 35 PS aufstellen[3]. Vor der „Bierrevolution“ mit den untergärigen Bieren von Dreher und Mautner führte Bosch die größte Wiener Brauerei und übergab sie 1866 seinem Enkel Anton Dengler.

Ära Familie Dengler

Anton Dengler führte in den Jahren ab 1888 die künstliche Kühlung ein und steigerte den Ausstoß durch umfangreiche Ausbauten und neue Lagerkeller in den folgenden Jahren auf 140.000 Hektoliter. Damit gehörte er nach wie vor zu den sechs größten Brauereien im Wiener Umland.

Porträt des Brauherren Anton Dengler

1900 wurde die neue Brauhausrestauration „Zum Gambrinus“ fertig gestellt. Nach Denglers Selbstmord ging der Betrieb an seinen Sohn Rudolf Dengler über. Dieser baute das Sudhaus von Feuer- auf Dampfkochung um und elektrifizierte den Betrieb. Er installierte eine moderne Abfüllanlage samt Bierstapelraum und Filterwäscherei. Die Produktion sank aber trotzdem wieder auf die 100.000-Hektoliter-Grenze ab.

21., Prager Straße - mit Braurestaurant, Ansichtskarte.

In Folge des Ersten Weltkriegs brach die Produktion ein. 1917 wurden nur mehr 6.627 Hektoliter gebraut. Nach dem Krieg entschloss sich Rudolf Dengler 1922 die Brauerei in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. An die goldenen Zeiten vor dem Krieg konnte er allerdings nicht mehr anknüpfen. 1928 erwarben schließlich die Vereinigten Brauereien in Form eines Aktientausches das gesamte Aktienpaket und ein Jahr später genehmigte die Generalversammlung der Aktionäre der Vereinigten Brauereien die Fusion. Das war das „Aus“ für das Jedleseer Brauhaus, das im Jahr 1930 seine letzten 33.390 Hektoliter Bier braute. Den Bierbedarf konnten die Vereinigten Brauereien von da an ohne weiteres durch die Brauereien in Schwechat und Hütteldorf decken.

Nutzung der Brauereigebäude ab 1930

Wolfgang Bosch, der Enkel von Anton Bosch, war inzwischen Hauptaktionär des Jedleseer Brauhauses und wechselte in den Verwaltungsrat der Vereinigten Brauereien. Zwei Jahre später wurde auch die Mälzerei in Jedlesee eingestellt, da der gesamte Malzbedarf von den Mälzereien in Schwechat und am Handelskai in Wien gedeckt werden konnte.

Während des Zweiten Weltkriegs befand sich von Juli 1944 bis April 1945 der Hopfengasse ein Nebenlager des Konzentrationslagers Mauthausen. Die Häftlinge mussten in den Kellern der ehemaligen Brauerei für die Flugzeugfirma Heinkel Ersatzteile fertigen. Nach einem schweren Bombenangriff kam die Produktion zum Erliegen. Die Gebäude an der Prager Straße 84, die lange Zeit als Wohnhäuser für die Brauereiarbeiter verwendet worden waren, wurden im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht und 1945 kurz von der Roten Armee genutzt, sie waren allerdings durch Bombentreffer in Mitleidenschaft geraten.

Luftbildaufnahme des heutigen FAC-Platzes (Ausschnitt), 1938. Von 13. Juli 1944 bis 1. April 1945 befand sich hier das KZ-Außenlager Floridsdorf.

Letzter Mieter war eine Glasfabrik, ab 1978 wurde das schöne Herrenhaus und die verbliebenen Betriebsgebäude zum Bedauern von Denkmalschützern abgerissen. Damit verschwand eines der interessantesten Gebäude aus dem alten Jedlesee.

Nachdem 1980 auch der Lagerkeller zugeschüttet worden war, wurden anstelle der alten Brauerei Mitte der 1980er-Jahre neue Wohnhäuser errichtet (Denglerpark). Nur die Restauration "Zum Gambrinus" ist in stark veränderter Form erhalten geblieben. An die Familie Dengler erinnert am Bisamberg noch die Denglervilla. In Jedlesee erinnern die Anton-Störck-Gasse, die Anton-Bosch-Gasse, die Anton-Dengler-Gasse (bis 1903 Bräuhausgasse) und die Hopfengasse an diese Braufamilien.

Quellen

Literatur

  • Anton Bosch: Biographie. Wien: Eigenverlag 1868
  • Christian Springer / Alfred Paleczny / Wolfgang Ladenbauer: Wiener Bier-Geschichte. Böhlau Verlag: Wien-Köln-Weimar 2017, S. 163-170
  • Franz Polly: Spaziergang durch Jedlesee. In: Unser schönes Floridsdorf 15 (1981), S. 135-136.
  • Franz Polly: Ein verlorenes Floridsdorfer Juwel - Kurzgeschichte der Brauerei Jedlesee In: Unser schönes Floridsdorf 24 (1990), S. 311-321.
  • Franz Polly: Aus der Familiengeschichte der Mautner Markhof Heft 3/1986, S. 3-14
  • Raimund Hinkel: Floridsdorf. Sammelpunkte der Wege. Heimatkundliche Betrachtungen, herausgegeben zum Jubiläum „200 Jahre Floridsdorf“. Eigenverlag: Wien 1986, S. 98-100
  • Josef Promintzer: Dreihundert Jahre Brauhaus Schwechat. Vergangenheit und Gegenwart der größten Brauerei Österreichs. Eigenverlag der Vereinigten Brauereien: Wien 1932, S. 80-85
  • Schmidl: Wien‘s Umgebungen auf zwanzig Stunden im Umkreise. Band 4, Wien: Verlag Carl Gerold 1839
  • Christian Springer: Historische Brauerei-Topographie Wien. Die Brauereien auf dem Gebiet des heutigen Stadtgebietes. Wien 2023, S. 123-127

Referenzen

  1. Raimund Hinkel: Floridsdorf. Sammelpunkte der Wege. Heimatkundliche Betrachtungen, herausgegeben zum Jubiläum „200 Jahre Floridsdorf“. Wien: Eigenverlag 1986, S. 98.
  2. Schmidl: Wien‘s Umgebungen auf zwanzig Stunden im Umkreise, IV. Band. Wien: Verlag Carl Gerold 1839, S. 61.
  3. Anton Bosch: Biographie. Wien: Eigenverlag 1868, S. 11.