Börse (Gebäude): Unterschied zwischen den Versionen

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
(CSV-Import)
 
(21 dazwischenliegende Versionen von 7 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
 
{{Bauwerk
 
{{Bauwerk
|Stadtplan Anzeige=Ja
+
|Entwurf=Nein
 
|Art des Bauwerks=Gebäude
 
|Art des Bauwerks=Gebäude
|Jahr von=1877
+
|Gemeindebau=Nein
 +
|Datum von=1877
 +
|Datum bis unbekannt=Nein
 +
|Andere Bezeichnung=Alte Börse
 +
|Benannt nach=Börse (Institution)
 +
|Einlagezahl=EZ 1095
 
|Architekt=Theophil Hansen; Carl Tietz
 
|Architekt=Theophil Hansen; Carl Tietz
|Quelle=Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien; Paul Harrer: Wien, seine Häuser;
+
|Objektbezug=1945 bis heute
 +
|Quelle=Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien; Paul Harrer: Wien, seine Häuser
 +
|Stadtplan Anzeige=Ja
 
|Bildname=Börse.jpg
 
|Bildname=Börse.jpg
 
|Bildunterschrift=Börse (1956)
 
|Bildunterschrift=Börse (1956)
 
|Bildquelle=WStLA, Fotos des Presse- und Informationsdienstes, FC1: 56106/20
 
|Bildquelle=WStLA, Fotos des Presse- und Informationsdienstes, FC1: 56106/20
 
|Bildrechte=CC BY-NC-ND 4.0
 
|Bildrechte=CC BY-NC-ND 4.0
 +
|Bildanordnung=untereinander
 
}}
 
}}
 
{{Adresse
 
{{Adresse
Zeile 34: Zeile 42:
 
|von Objekt=Bauwerk
 
|von Objekt=Bauwerk
 
}}
 
}}
{{Konskriptionsnummer
+
[[1]]., [[Börseplatz]] 2, identisch mit [[Schottenring]] 16, [[Wipplingerstraße]] 34 und [[Börsegasse]] 11, erbaut 1874-1877 von [[Theophil Hansen]] und [[Carl Tietz]] in [[Klassizismus|klassizistischen]] [[Renaissance]]formen, eröffnet von Kaiser [[Franz Joseph I.]] am 14. März 1877. Erste Börsenversammlung am 19. März 1877. Die Kosten für das [[Gebäude]] betrugen umgerechnet acht Millionen [[Krone (Währungseinheit)|Kronen]] (zur Bauzeit war die [[Gulden|Guldenwährung]] in Gebrauch).  
|Konskriptionsbezirk=Innere Stadt
 
|Konskriptionsnummer=141
 
|Jahr von=1821
 
|Jahr bis=1862
 
}}
 
1, [[Börseplatz]] 2, identisch mit [[Schottenring]] 16 und [[Wipplingerstraße]] 34 und [[Börsegasse]] 11, erbaut 1874-1877 von [[Theophil Hansen]] und [[Carl Tietz]] in klassizistischen Renaissanceformen, eröffnet durch den Kaiser [[Franz Joseph I.]] am 14. März 1877 (erste Börsenversammlung am 19. März 1877, die Kosten für das Gebäude betrugen Acht Millionen [[Krone (Währungseinheit)|Kronen]]).  
 
  
 +
==Das Gebäude==
 +
[[Datei:Wertpapierbörsesaal.jpg|390px|thumb|right|Der große Saal der neuen Börse in Wien. Zeitschrift "Über Land und Meer", 1877]]
 +
[[Datei:Boerse Hippocampenquadriga.jpg|390px|thumb|right|Poseidon auf einer von Hippocampen gezogenen Quadriga.]]
 +
Der reich gegliederte Baukörper besitzt einen erhöhten Mittelbau mit zwei großen Säulenordnungen, niedrigere Seitenflügel, erhöhte Eckrisalite und eine reliefierte [[Attika]].
  
==Das Gebäude==
+
Aus der Hauptfassade des mächtigen, bis auf die Steinverkleidung in rot gehaltenen Gebäudes, springt ein hoher Mittelbau vor, der als Hauptcharakteristik einen wuchtigen, das ganze Gebäude umziehenden und mit Reliefbildern und Figuren geschmückten Friesgiebel zeigt.
Der reich gegliederte Baukörper besitzt einen erhöhten Mittelbau mit zwei großen Säulenordnungen, niedrigere Seitenflügel, erhöhte Eckrisalite und eine reliefierte Attika.
 
Aus der Hauptfassade des mächtigen, bis auf die Steinverkleidung in rot gehaltenen Gebäudes springt ein hoher Mittelbau vor, der als Hauptcharakteristik einen wuchtigen, das ganze Gebäude umziehenden und mit Reliefbildern und Figuren geschmückten Friesgiebel zeigt.
 
Dem Mittelbau sind niedrigere, aber an den Ecken um ein Geschoss erhöhte Flügel angebaut, hier befand sich der prachtvolle Wertpapierbörsesaal, der das Vestibül und den Börsesaal (56,5 Meter lang, 25,5 Meter breit, 22 Meter hoch) enthielt. Im Untergeschoss umgaben ihn dorische, im Obergeschoss korinthische Säulen, beide als Träger hoher Rundbögen und einer reich kassetierten Decke, welche der prunkvollen polychromen Marmorausstattung der Wände entsprach. Der plastische Schmuck des Gebäudes stammt von [[Vincenz Pilz]] ("Neptun im Triumphbogen") und [[Alois Franz Xaver Düll|Alois Düll]] ("Zeus und Neptun").  
 
  
 +
Dem Mittelbau sind niedrigere, aber an den Ecken um ein Geschoß erhöhte Flügel angebaut. Hier befand sich der prachtvolle Wertpapierbörsesaal (56,5 Meter lang, 25,5 Meter breit, 22 Meter hoch). Im Untergeschoß umgaben ihn dorische, im Obergeschoß korinthische [[Säulen und Pfeiler|Säulen]], beide als Träger hoher Rundbögen und einer reich kassetierten Decke, welche der prunkvollen polychromen Marmorausstattung der Wände entsprach. Der plastische Schmuck des Gebäudes stammt von [[Vincenz Pilz]] ("Neptun im Triumphbogen") und [[Alois Franz Xaver Düll|Alois Düll]] ("Zeus und Neptun").
  
[[Datei:Wertpapierbörsesaal.jpg|right|Der große Saal der neuen Börse in Wien. Zeitschrift "Über Land und Meer", 1877]]
 
 
==Die Nutzung==
 
==Die Nutzung==
Der Saal und die meisten Nebenräume dienten der 1770 unter [[Maria Theresia]] gegründeten Effektenbörse, die früher zumeist in privaten Lokalen, von 1860 aber im Börsengebäude auf der [[Freyung]] (Freyung 2) und seit 1869 in einem provisorischen Bau am [[Schottenring]] untergebracht war.
+
Der Saal und die meisten Nebenräume dienten der 1770 unter [[Maria Theresia]] gegründeten Effektenbörse, die früher zumeist in privaten Lokalen, von 1860 aber im Börsengebäude auf der [[Freyung]] 2 und seit 1869 in einem provisorischen Bau am [[Schottenring]] untergebracht war.
Im ersten Stock des Gebäudes, in dem auch ein Casino und die [[Handelskammer]] untergebracht waren, etablierte sich vor 1880 das Orientalische Museum. Am 31. Jänner 1897 wurde im Börsengebäude das Museum für österreichische Volkskunde eröffnet.  
+
 
 +
Im ersten Stock des Gebäudes, in dem auch ein [[Casino]] und die [[Handelskammer]] untergebracht waren, etablierte sich vor 1880 das Orientalische Museum. Am 31. Jänner 1897 wurde im Börsengebäude das [[Museum]] für österreichische Volkskunde eröffnet.  
  
 
Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde der große Saal (durch Kojen unterteilt) als Ausstellungshalle genutzt.
 
Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde der große Saal (durch Kojen unterteilt) als Ausstellungshalle genutzt.
  
 +
==Der Standort des Börsengebäudes==
 +
Das Börsengebäude steht zum Teil auf den ehemaligen Gründen der [[Elendbastei (1)|Elendbastei]], zum Teil auf den dieser [[Bastei]] vorgelagerten [[Glacis|Glacisgründen]]. 1561 war die Elendbastei vollendet. Sie war eines der letzten neuen Verteidigungswerke, die während der Regierung des römischen Kaisers [[Ferdinand I. (Heiliges Römisches Reich)|Ferdinand I.]] entstanden sind. Sie bestand fast genau dreihundert Jahre. In der Zeit vom 7. Mai bis 9. Oktober 1860 wurden ihre Reste abgetragen.
  
==Der Standort der heutigen Börse==
+
Nach Abbruch des kaiserlichen [[Kaiserliches Zeughaus (Oberes Arsenal)|Zeughauses]] im Jahr 1858 war der Durchbruch der [[Wipplingerstraße]] zum damals in Planung bestehenden [[Schottenring]] möglich geworden. Etwa zur gleichen Zeit wurde auch mit der Abtragung der alten Festungswerke begonnen. Im Zuge dessen und der Ausfüllung des mächtigen Festungsgrabens sowie einer umfassenden Planierung fiel auch die [[Schottenbastei]]. Die Arbeiten waren im Großen und Ganzen im Jahr 1864 vollendet. Der Bau des Börsengebäudes begann erst zehn Jahre später. Seine Hauptfront war ursprünglich nicht auf die [[Ringstraße]], sondern auf den [[Börseplatz]] ausgerichtet.
Die heutige Börse steht zum Teil auf den ehemaligen Gründen der [[Elendbastei (1)|Elendbastei]], zum Teil auf den dieser Bastei vorgelagerten [[Glacis|Glacisgründen]]. Diese Bastei war eines der letzten neuen Verteidigungswerke, die während der Regierung des Kaisers [[Ferdinand I. (Heiliges Römisches Reich)|Ferdinand I.]] entstanden sind. 1561 war die [[Elendbastei (1)|Elendbastei]], vollendet. Sie bestand fast genau zweihundert Jahre. In der Zeit vom 7. Mai bis 9. Oktober 1860 wurden deren Reste abgetragen.
 
 
 
Nach Abbruch des kaiserlichen [[Kaiserliches Zeughaus (Oberes Arsenal)|Zeughauses]] im Jahr 1858 war der Durchbruch der [[Wipplingerstraße]] zudem damals in Planung bestehenden [[Schottenring]] möglich geworden. Etwa zur gleichen Zeit wurde auch mit der Abtragung der alten Festungswerke begonnen. Im Zuge dessen und der Ausfüllung des mächtigen Festungsgrabens, sowie einer umfassenden Planierung, fiel auch die [[Schottenbastei]]. Obwohl die Arbeiten im Großen und Ganzen im Jahr 1864 vollendet waren bestand der [[Schottenring]] bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Erst mit der Vollendung der [[Ringstraße]] bekam der [[Börseplatz]] sein charakteristisches Hauptgebäude in diesem Börsegebäude.
 
 
 
  
 
==Kriegsschäden==
 
==Kriegsschäden==
Ein Bombentreffer vom 12. März 1945 riss die ganze Nordostecke ([[Börseplatz]]/[[Börsegasse]]) des Börsengebäudes in einer Ausdehnung von etwa 60 bis 70 m² nieder, wobei Büroräume im ersten und zweiten Stockwerk zerstört und der Sitzungssaal im Erdgeschoss verwüstet wurde.
+
Ein Bombentreffer vom 12. März 1945 riss die ganze Nordostecke ([[Börseplatz]]/[[Börsegasse]]) des Börsengebäudes in einer Ausdehnung von etwa 60 bis 70 m² nieder, wobei Büroräume im ersten und zweiten Stockwerk zerstört wurden und der Sitzungssaal im Erdgeschoß verwüstet wurde.
 
 
  
 
==Der Großbrand 1956==
 
==Der Großbrand 1956==
Das Gebäude wurde am 13. April 1956 durch einen [[Brände|Großbrand]] schwer beschädigt, wobei der zentrale Börsensaal und das Innere des Eingangstrakts völlig vernichtet wurden. 1956-1959 wurde das Innere nach Plänen von Erich Boltenstern und Erich Schlöss erneuert. Der Saal wurde nicht mehr wiederhergestellt, sondern in einen Innenhof umgestaltet. Der Börsenbetrieb wurde am 7. Dezember 1959 wiederaufgenommen.
+
Das Gebäude wurde am 13. April 1956 durch einen [[Brände|Großbrand]] schwer beschädigt, wobei der zentrale Börsensaal und das Innere des Eingangstrakts völlig vernichtet wurden. 1956-1959 wurde das Innere nach Plänen von [[Erich Boltenstern]] und Erich Schlöss erneuert. Der Saal wurde nicht mehr wiederhergestellt, sondern in einen Innenhof umgestaltet. Der Börsenbetrieb wurde am 7. Dezember 1959 wiederaufgenommen.
  
 +
Das Börsengebäude fand sich 1971 auf der 25-Schilling-[[Münzen|Münze]] und auf einer [[Briefmarken|Briefmarke]].
  
Das Börsengebäude fand sich auf der 25-Schilling-Münze (1971) und auf einer Briefmarke (1971).
+
==Die Wiener Börse heute==
 +
Nach der Privatisierung der Börse zog die Institution 1998 aus dem Börsengebäude aus und befindet sich seit 2001/2002 im [[Wallnerstraße 8|Palais Caprara-Geymüller]] in der Wallnerstraße 8. Das Börsengebäude am Schottenring wird daher heute auch als Alte Börse bezeichnet und seine Säle werden für Veranstaltungen vermietet. Eigentümer ist eine von Karl Wlaschek 2015 hinterlassene Stiftung.
  
 +
==Quellen==
 +
* [https://sammlung.wienmuseum.at/suche/?iconclasses=1058475 Wien Museum Online Sammlung: hochauflösende Abbildungen zur Börse Wien]
  
 
==Literatur==
 
==Literatur==
 +
* Karl Wlascheks Immobilien im ersten Wiener Gemeindebezirk. In: Falter (Wochenzeitung), Nr. 33/2015, 12. August 2015, S. 16.
 
* Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. 11 Bände. Wiesbaden: Steiner 1969-1981. Bd. 4, S. 180 ff. und Register
 
* Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. 11 Bände. Wiesbaden: Steiner 1969-1981. Bd. 4, S. 180 ff. und Register
 
* Felix Czeike: I. Innere Stadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983 (Wiener Bezirkskulturführer, 1), S. 139
 
* Felix Czeike: I. Innere Stadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983 (Wiener Bezirkskulturführer, 1), S. 139
Zeile 87: Zeile 93:
 
* Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 2: Die Gemeinde, ihre Verwaltung und sozialen Belange, Wirtschaftsleben, Handel, Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft, Volkskunde, Naturwissenschaft, Klimatologie, Meteorologie, Naturereignisse, Varia und Kuriosa. Wien: Jugend & Volk 1955, S. 117 ff.
 
* Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 2: Die Gemeinde, ihre Verwaltung und sozialen Belange, Wirtschaftsleben, Handel, Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft, Volkskunde, Naturwissenschaft, Klimatologie, Meteorologie, Naturereignisse, Varia und Kuriosa. Wien: Jugend & Volk 1955, S. 117 ff.
 
*Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 3. Teil. Wien ²1953 (Manuskript im WStLA), S. 644-645
 
*Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 3. Teil. Wien ²1953 (Manuskript im WStLA), S. 644-645
{{Adresse
+
 
|Bezirk=Innere Stadt
+
==Link==
|Straße=Wipplingerstraße
+
*[https://www.wienerborse.at/ Wiener Börse]
|Hausnummer=34
+
* [https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_B%C3%B6rse Wikipedia: Wiener Börse]
}}
 
{{Adresse
 
|Bezirk=Innere Stadt
 
|Straße=Schottenring
 
|Hausnummer=16
 
}}
 
{{Adresse
 
|Bezirk=Innere Stadt
 
|Straße=Börsegasse
 
|Hausnummer=11
 
}}
 
{{Adresse
 
|Bezirk=Innere Stadt
 
|Straße=Börseplatz
 
|Hausnummer=2
 
}}
 

Aktuelle Version vom 9. Oktober 2023, 01:25 Uhr

Börse (1956)
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von 1877
Datum bis
Andere Bezeichnung Alte Börse
Frühere Bezeichnung
Benannt nach Börse (Institution)
Einlagezahl EZ 1095
Architekt Theophil Hansen, Carl Tietz
Prominente Bewohner
PageID 2096
GND
WikidataID
Objektbezug 1945 bis heute
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Paul Harrer: Wien, seine Häuser
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 9.10.2023 durch DYN.gzemann
Bildname Börse.jpg
Bildunterschrift Börse (1956)
  • 1., Schottenring 16
  • 1., Börsegasse 11
  • 1., Börseplatz 2
  • 1., Wipplingerstraße 34

Derzeit wurden noch keine Konskriptionsnummer zu diesem Bauwerk erfasst!

Die Karte wird geladen …

48° 12' 53.52" N, 16° 21' 58.50" E  zur Karte im Wien Kulturgut

1., Börseplatz 2, identisch mit Schottenring 16, Wipplingerstraße 34 und Börsegasse 11, erbaut 1874-1877 von Theophil Hansen und Carl Tietz in klassizistischen Renaissanceformen, eröffnet von Kaiser Franz Joseph I. am 14. März 1877. Erste Börsenversammlung am 19. März 1877. Die Kosten für das Gebäude betrugen umgerechnet acht Millionen Kronen (zur Bauzeit war die Guldenwährung in Gebrauch).

Das Gebäude

Der große Saal der neuen Börse in Wien. Zeitschrift "Über Land und Meer", 1877
Poseidon auf einer von Hippocampen gezogenen Quadriga.

Der reich gegliederte Baukörper besitzt einen erhöhten Mittelbau mit zwei großen Säulenordnungen, niedrigere Seitenflügel, erhöhte Eckrisalite und eine reliefierte Attika.

Aus der Hauptfassade des mächtigen, bis auf die Steinverkleidung in rot gehaltenen Gebäudes, springt ein hoher Mittelbau vor, der als Hauptcharakteristik einen wuchtigen, das ganze Gebäude umziehenden und mit Reliefbildern und Figuren geschmückten Friesgiebel zeigt.

Dem Mittelbau sind niedrigere, aber an den Ecken um ein Geschoß erhöhte Flügel angebaut. Hier befand sich der prachtvolle Wertpapierbörsesaal (56,5 Meter lang, 25,5 Meter breit, 22 Meter hoch). Im Untergeschoß umgaben ihn dorische, im Obergeschoß korinthische Säulen, beide als Träger hoher Rundbögen und einer reich kassetierten Decke, welche der prunkvollen polychromen Marmorausstattung der Wände entsprach. Der plastische Schmuck des Gebäudes stammt von Vincenz Pilz ("Neptun im Triumphbogen") und Alois Düll ("Zeus und Neptun").

Die Nutzung

Der Saal und die meisten Nebenräume dienten der 1770 unter Maria Theresia gegründeten Effektenbörse, die früher zumeist in privaten Lokalen, von 1860 aber im Börsengebäude auf der Freyung 2 und seit 1869 in einem provisorischen Bau am Schottenring untergebracht war.

Im ersten Stock des Gebäudes, in dem auch ein Casino und die Handelskammer untergebracht waren, etablierte sich vor 1880 das Orientalische Museum. Am 31. Jänner 1897 wurde im Börsengebäude das Museum für österreichische Volkskunde eröffnet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der große Saal (durch Kojen unterteilt) als Ausstellungshalle genutzt.

Der Standort des Börsengebäudes

Das Börsengebäude steht zum Teil auf den ehemaligen Gründen der Elendbastei, zum Teil auf den dieser Bastei vorgelagerten Glacisgründen. 1561 war die Elendbastei vollendet. Sie war eines der letzten neuen Verteidigungswerke, die während der Regierung des römischen Kaisers Ferdinand I. entstanden sind. Sie bestand fast genau dreihundert Jahre. In der Zeit vom 7. Mai bis 9. Oktober 1860 wurden ihre Reste abgetragen.

Nach Abbruch des kaiserlichen Zeughauses im Jahr 1858 war der Durchbruch der Wipplingerstraße zum damals in Planung bestehenden Schottenring möglich geworden. Etwa zur gleichen Zeit wurde auch mit der Abtragung der alten Festungswerke begonnen. Im Zuge dessen und der Ausfüllung des mächtigen Festungsgrabens sowie einer umfassenden Planierung fiel auch die Schottenbastei. Die Arbeiten waren im Großen und Ganzen im Jahr 1864 vollendet. Der Bau des Börsengebäudes begann erst zehn Jahre später. Seine Hauptfront war ursprünglich nicht auf die Ringstraße, sondern auf den Börseplatz ausgerichtet.

Kriegsschäden

Ein Bombentreffer vom 12. März 1945 riss die ganze Nordostecke (Börseplatz/Börsegasse) des Börsengebäudes in einer Ausdehnung von etwa 60 bis 70 m² nieder, wobei Büroräume im ersten und zweiten Stockwerk zerstört wurden und der Sitzungssaal im Erdgeschoß verwüstet wurde.

Der Großbrand 1956

Das Gebäude wurde am 13. April 1956 durch einen Großbrand schwer beschädigt, wobei der zentrale Börsensaal und das Innere des Eingangstrakts völlig vernichtet wurden. 1956-1959 wurde das Innere nach Plänen von Erich Boltenstern und Erich Schlöss erneuert. Der Saal wurde nicht mehr wiederhergestellt, sondern in einen Innenhof umgestaltet. Der Börsenbetrieb wurde am 7. Dezember 1959 wiederaufgenommen.

Das Börsengebäude fand sich 1971 auf der 25-Schilling-Münze und auf einer Briefmarke.

Die Wiener Börse heute

Nach der Privatisierung der Börse zog die Institution 1998 aus dem Börsengebäude aus und befindet sich seit 2001/2002 im Palais Caprara-Geymüller in der Wallnerstraße 8. Das Börsengebäude am Schottenring wird daher heute auch als Alte Börse bezeichnet und seine Säle werden für Veranstaltungen vermietet. Eigentümer ist eine von Karl Wlaschek 2015 hinterlassene Stiftung.

Quellen

Literatur

  • Karl Wlascheks Immobilien im ersten Wiener Gemeindebezirk. In: Falter (Wochenzeitung), Nr. 33/2015, 12. August 2015, S. 16.
  • Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. 11 Bände. Wiesbaden: Steiner 1969-1981. Bd. 4, S. 180 ff. und Register
  • Felix Czeike: I. Innere Stadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983 (Wiener Bezirkskulturführer, 1), S. 139
  • Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 176
  • Hannes Stekl: Das Wiener Börsengebäude. Wirtschaftsgeschichtliche Betrachtungen über die Genesis eines Stadterweiterungsbaues. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 27 (1971), S. 149 ff.
  • Hannes Stekl: Soziologie der Börsebauanleihe. In: Wiener Geschichtsblätter 26 (1971), S. 225 ff.
  • Franz Baltzarek: Die Geschichte der Wiener Börse. 1973
  • Franz Baltzarek: Die Geschichte der Börselokalitäten. In: Wiener Geschichtsblätter 26 (1971), S. 193 ff.
  • Erwin Neumann: Gefährdete Denkmäler. Zum Brande der Wiener Börse. In: Österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege 10 (1956), S. 68 ff.
  • Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.-12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 22
  • Briefmarkenabhandlung der Postdirektion anlässlich des Erscheinens von österreichischen Briefmarken. 1971
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 2: Die Gemeinde, ihre Verwaltung und sozialen Belange, Wirtschaftsleben, Handel, Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft, Volkskunde, Naturwissenschaft, Klimatologie, Meteorologie, Naturereignisse, Varia und Kuriosa. Wien: Jugend & Volk 1955, S. 117 ff.
  • Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 3. Teil. Wien ²1953 (Manuskript im WStLA), S. 644-645

Link