Zentralbad

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Plakat für das Centralbad, 1904, 1912
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von 1889
Datum bis
Andere Bezeichnung Orientalisches Bad
Frühere Bezeichnung
Benannt nach
Einlagezahl
Architekt Adolf Endl
Prominente Bewohner
PageID 9072
GND
WikidataID
Objektbezug Karl Kraus (Portal)
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Paul Harrer: Wien, seine Häuser
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Letzte Änderung am 26.03.2024 durch WIEN1.lanm09ua1
Bildname Zentralbad.jpg
Bildunterschrift Plakat für das Centralbad, 1904, 1912
  • 1., Weihburggasse 18-20

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48° 12' 21.30" N, 16° 22' 28.20" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Das Wiener Zentralbad (früher auch Centralbad oder Central-Bad) befand sich in einem Gründerzeit-Zinshaus des Späthistorismus in der Weihburggasse 18–20.

Das Zentralbad kann als Nachfolger nahegelegener Bäder des Mittelalters und der frühen Neuzeit gesehen werden, die im Zuge von Pest- und Syphilis-Seuchen im 15. und 16. Jahrhundert und dem damit zusammenhängenden Untergang der Wiener Badekultur geschlossen worden waren. Die Errichtung des Zentralbades galt insbesondere als wichtig, zumal sich Badegelegenheiten seit der Neuzeit ausschließlich außerhalb der Stadttore, etwa im Dianabad in der Leopoldstadt oder im Sofienbad auf der Landstraße befanden.

Nach den Plänen von Adolf Endl, der gemeinsam mit Josef Honus das Bauunternehmen "Endl & Honus" gegründet hatte, sollte 1885 in der Weihburggasse 18–20 ein Wohn-und Geschäftshaus sowie eine öffentliche Badeanstalt errichtet werden. Der frühe Tod Adolf Endls 1887 stoppte den Bau. Das Projekt konnte schließlich von seinen Partnern und Nachfolgern (Honus & Lang) vollendet werden, die mit umfassenden Einwänden und Widerstand der Anrainer gegen den Bau des Bades konfrontiert waren, was die Fertigstellung zusätzlich verzögerte.

Zur Zeit seiner Eröffnung 1889 diente es nicht als Schwimm- oder Sportbad, sondern verfügte über ein Dampfbad, zu dem allerdings nur Männer zugelassen waren, Wannenbäder in abgeschlossenen Kabinen, Salondampfbäder mit eigenen Dampfkammern, Wannen- und Ruhekabinen für die Einzelbenützung, Frigidarien und Calarien sowie Medicinalbäder, wie Schwefel- und Moorbäder, die von Medizinern betreut wurden. Zudem wurden Wasserheilverfahren, Massagen, Heißluftbehandlungen, Sauerstoff-Inhalation, elektrische Lichtbäder, elektrotherapeutische Verfahren, Manikürebehandlungen und Hühneraugenoperationen angeboten.

Im Mezzanin befanden sich die Wannenbäder, die Dampfbäder für den Gebrauch Einzelner, die Kaltwasserheilanstalt sowie die Ankleideräume. Das vornehm ausgestattete eigentliche Dampfbad befand sich im Souterrain. Das Bad besaß 67 im maurischen Stil gehaltene Auskleidezellen. Die innenarchitektonische Ausgestaltung übernahm Albert Constantin Swoboda, der an der Tschechischen Hochschule und der Akademie der bildenden Künste Wien in Odessa studiert und sich im Russischen Reich aufgehalten hatte und seine Kenntnisse im orientalisch-maurischen Baustil in die Innenausstattung hineinfließen ließ. Die elektrische Beleuchtung wurde durch die Firma Siemens & Halske übernommen, während die Keramik von der Firma Milton aus Stoke-on-Trent kam und weiterhin die Mauern des Bades ziert. Gespeist wurde das Bad mit dem heute noch auf dem Areal befindlichen Hausbrunnen, der schon zur Römerzeit genutzt worden war und täglich rund 20.000 Liter Frischwasser ausstieß, das mittels zweier Pumpen aus 14 Metern Tiefe an die Oberfläche befördert wurde.

Nur wenige Wochen nach der Eröffnung besuchte der Persische Schah Nāser ad-Din am 25. August 1889, dem letzten Tag seines Wienaufenthaltes, das Zentralbad, worüber die Presse detailreich berichtete. Zur Zeit seiner Eröffnung galt das Zentralbad als beliebtes Bad für gehobene Schichten und wurde auch in Reiseführern empfohlen. Ein schlechter Ruf entwickelte sich erst im Laufe der Zeit.

Zwischen Ende des Zweiten Weltkriegs und den 1970er Jahren wurde das Bad mit einer getrennten Frauen- und Männerabteilung, teilweise schon als Clubsauna, geführt. Johann Merkader, Peter Jansky und Gottfried Gindl übernahmen das Bad als Pächter, renovierten es teilweise mit Mitteln der Stadt Wien unter denkmalgerechten Aspekten unter der Leitung des Architekten Josef Freisling. Beginn der 1980er Jahre wurde das Etablissement neu gewidmet: In einem Teil der Räumlichkeiten des Bades wird unter dem Namen Kaiserbründl eine Herrensauna betrieben, die als Treffpunkt für Homosexuelle dient.

Skandale und Trivia

In den ersten 20 Jahren seines Bestehens war der Ruf des Bades relativ positiv, wurde mit der Zeit aber durch zahlreiche Skandale überschattet.

Neben den Protesten gegen den Bau des Bades erregte das Zentralbad erstmals durch den Suizid des "Generalsecretär-Stellvertreters" der Nordbahn, Friedrich Kunewalder, Aufmerksamkeit, der sich in den Räumlichkeiten des Zentralbads am 17. Februar 1896 durch einen Revolverschuss umbrachte.

1913 kam es zu einem Wechsel in der Führung, der in einer Kündigung der Hälfte des Personals resultierte. In der Presse wurde mittels eines Leserbriefs eines Stammgastes über die unwürdigen Arbeitsbedingungen und die mangelnde soziale Absicherung des Badepersonals, das zu dieser Zeit 50 Personen umfasste, berichtet. Dieser Ruf wurde natürlich nicht verbessert, als es 1915 zu einem tragischen Unfall kam, bei dem ein Mitarbeiter in einem Heißwasserreservoir verunglückte und dessen Leiche unter schwersten Umständen durch die Feuerwehr geborgen werden musste.

1922 war das Bad aufgrund eines Defizits von zwei Millionen von der Schließung bedroht. Das Zentralbad konnte zwar durch den Betriebsrat der Mitarbeiter gerettet werden, die Gefahr, in ein "Vergnügungslokal" umgewandelt zu werden, blieb jedoch.

Nicht nur Diebstähle, sondern auch prominente Badegäste sorgten für den schlechten Ruf des Bades: Der bekanntermaßen homosexuelle Bruder von Kaiser Franz Josef, Erzherzog Ludwig Viktor, auch "Luziwuzi" genannt, war regelmäßiger Besucher des Bades, was erst für Aufsehen sorgte, als ein junger Offizier die Annäherungsversuche des Erzherzogs mit einer Ohrfeige ablehnte, und der Erzherzog anschließend nach Salzburg verbannt wurde. Von dem Vorfall durfte wahrscheinlich aufgrund der Bekanntheit des Bruders in der Presse nicht berichtet werden, einzig in der Zeitschrift "Kikeriki" wurde er 1904 angedeutet.

Allerdings ging Karl Kraus in der Fackel auf den Erzherzog ein, als diesem im Zuge seines Badebesuchs Wertsachen entwendet worden waren: "Am geschmacklosesten ist es aber, wenn demokratische Blätter dem Erzherzog gleichsam zur Warnung die Tatsache ankreiden, daß er <in einer gewöhnlichen Kabine mit dem Publikum zu baden pflegte>. Dem Lakaiensinn mag es entsprechen, daß der hohe Herr seine auch im Wiener Zentralbad oft bewährte Leutseligkeit bereue."

Ob Karl Kraus Besucher des Bades war, kann nicht nachvollzogen werden, allerdings verwendete er das Zentralbad in seinen Beiträgen mehrmals als Metapher im Zusammenhang mit skandalösen Ereignissen: "Und auf die nur in niedere Sphären langenden Staatsanwälte würde so manche Enthüllung ähnlich wirken wie eine kalte Douche – im Centralbad …" wenn er sich etwa für die Abschaffung des Gesetzes zum Verbot der Homosexualität und der damit zusammenhängenden Wahrung der sexuellen Privatsphäre einsetzte. Oder in Verbindung mit Vorkommnissen auf dem Concordia-Ball: "Die Besucher scheinen sich ganz merkwürdig benommen zu haben. <Rechts vom Eingang massieren sich die Herren, links hat sich die Damenschar zusammengefunden.> Also ganz wie im Zentralbad. – trotzdem der Gedanke an dieses von der Stätte des Hofballs verbannt ist."

1933 reihte sich der Direktor des Zentralbades in die öffentliche Debatte zu dunkelhäutigen Badegästen ein und bewies aus heutiger Sicht Offenheit und Toleranz, unterstrich aber gleichzeitig den damals skandalbehafteten Ruf des Bades:

"Im Zentralbad teilte uns der Direktor mit, daß gerade dieses Bad sehr viel von Angehörigen der farbigen Rasse besucht werde. Dies sei damit zu erklären, daß sich das Ronacher-Varieté in unmittelbarer Nähe befinde, wo des öfteren farbige Artisten auftreten. Er erklärte, daß im Sinne der Badeordnung nur solche Badegäste vom Besuch des Bades ausgeschlossen werden könnten, die mit ekelerregenden Hautkrankheiten oder Gebrechen, die den Abscheu der übrigen Badebesucher erwecken könnten, behaftet seien. Es biete sich also gar keine Handhabe, einen Neger oder sonstigen Angehörigen der farbigen Rasse auszuschließen. Wem es nicht passe, könne ja das Bad verlassen."

In späterer Zeit diente das Bad als Filmkulisse, etwa für Tatort, Kommissar Rex oder Comedian Harmonists, aber auch für Filme mit internationalen Schauspielern wie Klaus-Maria Brandauer und Mickey Rourke. George Michel besuchte das Bad als Gast.

Quellen

Literatur

  • Das Wiener Centralbad. Nach dem Vortrage des Herrn Stadtbaumeisters Anton Honus, gehalten in der Plenarversammlung am 7. Dezember 1889. (Hiezu eine Tafel). In: Wochenschrift des Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines ÖIAV 1 (1890), S. 1 ff.
  • Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Wien: Gerlach & Wiedling 1906. Band 2, 1906, S. 279
  • Gunther Martin: Das Dampfbad aus 1001 Nacht. In: Wien aktuell 6 (1976), S. 27 ff.
  • Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 5, 1. Teil. Wien ²1955 (Manuskript im WStLA), S. 131
  • Wikipedia: Zentralbad (Wien) [Stand: 04.03.2024]
  • Wikipedia: Ludwig Viktor von Österreich [Stand: 04.03.2024]
  • Andreas Brunner /Hannes Sulzenbacher (Hg.): Schwules Wien. Reiseführer durch die Donaumetropole. Wien: Promedia 1998