Viktor Kraft

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Viktor Kraft (1955)
Daten zur Person

Viktor Kraft, * 4. Juli 1880 Wien (laut anderen Quellen 7. Juli 1880), † 3. Jänner 1975 Purkersdorf, Niederösterreich, Bibliothekar, Philosoph, Wirtschaftstheoretiker.

Biografie

Viktor Kraft war ein Philosoph und Bibliothekar der Universität Wien. Von der Gründung bis zur Auflösung war er regelmäßiger Besucher des Wiener Kreises und veröffentlichte 1950 die erste Retrospektive des aus Wien vertriebenen Logischen Empirismus.

Viktor Kraft wurde am 4. Juli 1880 in Wien geboren. Er besuchte dort das Gymnasium und begann dann an der Universität Wien ein Studium der Geschichte, Geographie und Philosophie, letzteres angeregt durch die Veranstaltungen der Philosophischen Gesellschaft an der Universität Wien und durch seine Teilnahme an Privatzirkeln. 1903 wurde er mit der später veröffentlichten Arbeit „Immanenz und Idealismus“ zum Dr. phil. promoviert. Kraft studierte außerdem in Berlin bei Georg Simmel, Wilhelm Dilthey und Carl Stumpf. Zur Existenzsicherung war er von 1912 bis 1939 als Bibliotheksassistent und wissenschaftlicher Beamter in der Universitätsbibliothek tätig und habilitierte sich 1914 an der Universität Wien bei Adolf Stöhr mit dem Buch Weltbegriff und Erkenntnisbegriff für Theoretische Philosophie (tit. ao. Prof. 1924, ao. Prof. 1926). Er bildete an der Universitätsbibliothek auch das Nachwuchspersonal aus und war Mitglied der staatlichen Prüfungskommission für das Bibliothekswesen. Gleichzeitig arbeitete er als Philosoph. Seit Gründung des Schlick-Zirkels bis zu dessen Auflösung war Kraft ein regelmäßiger Besucher. Er hatte auch als Mitglied des Gomperz-Kreises Kontakte zur Peripherie des Wiener Kreises (z.B. mit Karl Popper).

Mit dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Wien im März 1938 war Kraft das einzige Mitglied des Wiener Kreises, das noch eine Lehrveranstaltung an der Universität Wien hielt. Alle anderen waren entweder bereits entlassen oder ausgewandert oder, wie Moritz Schlick und Hans Hahn, verstorben. Er wurde jedoch sehr bald zwangspensioniert, weil er mit einer Jüdin verheiratet war. Nach Zwangspensionierung (1938-1945) wurde er 1945 als Generalstaatsbibliothekar reaktiviert und war für die Neuorganisation der Bibliothek zuständig, 1947 wurde er Generalstaatsbibliothekar und im selben Jahr außerordentlicher Professor für Philosophie. Von 1950 bis zu seiner Emeritierung 1952 arbeitete er als ordentlicher Professor und Mitvorstand am Philosophischen Institut. Während seiner Lehre nach dem Zweiten Weltkrieg versammelte sich um Viktor Kraft der sogenannte „Kraft-Kreis“, um die Tradition des Wiener Kreises weiterzuführen und gleichzeitig auch die neueren Entwicklungen der analytischen Philosophie, die jetzt eher aus dem anglo-amerikanischen Raum stammten, nachzuverfolgen. Teilnehmende waren hauptsächlich Studierende der Philosophie, Mathematik und Physik, so beispielsweise auch Paul Feyerabend. Aus dem ursprünglichen Wiener Kreis kamen Béla Juhos und Walter Hollitscher zu den Sitzungen, außerdem Elizabeth Anscombe, Georg Henrik von Wright, Ernst Topitsch, Ingeborg Bachmann und auch einmal Ludwig Wittgenstein. Der Kreis war auch im Kontakt mit dem Österreichischen College, das die Sommerkurse in Alpbach organisierte, wo auch Emigranten des ursprünglichen Wiener Kreises aufeinandertrafen. Er bestand bis 1955.

Kraft veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, in denen er sich besonders mit Erkenntnistheorie beschäftigte (Die Grundformen der wissenschaftlichen Methode, 1925; Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre, 1937; Einführung in die Philosophie und eine Darstellung des Wiener Kreises, 1950). Im Jahr 1950 erschien Der Wiener Kreis. Der Ursprung des Neopositivismus. Krafts Buch bildete die erste Bestandsaufnahme und Retrospektive des aus Wien vertriebenen Logischen Empirismus ab. Er war korrespondierendes (1950) und wirkliches Mitglied (1954) der Akademie der Wissenschaften und erhielt etwa den Preis der Stadt Wien für Geisteswissenschaften (1955).

Viktor Kraft starb am 3. Jänner 1975 in Wien.

Quellen

Literatur

  • Christoph Limbeck-Lilienau / Friedrich Stadler: Der Wiener Kreis. Texte und Bilder zum Ursprung des Logischen Empirismus. Wien: LIT Verlag 2015
  • Friedrich Stadler: Der Wiener Kreis. Ursprung, Entwicklung und Wirkung des Logischen Empirismus im Kontext. Überarbeitete Auflage. Cham: Springer 2015 (Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis, 20) [1. Aufl. 1997]
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, Wien: Ueberreuter 1992 (Werkverzeichnis)
  • Rathaus-Korrespondenz. Wien: Presse- und Informationsdienst, 03. 07. 1950, 06. 07. 1970, 01. 07. 1980
  • Österreichische Akademie der Wissenschaften: Almanach. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Band 125, 1975, S. 521 ff.
  • Lebendige Stadt. Almanach. Wien: Amt für Kultur, Volksbildung und Schulverwaltung der Stadt Wien 1954-1963. Band 10,1963, S. 133
  • Robert Teichl: Österreicher der Gegenwart. Lexikon schöpferischer und schaffender Zeitgenossen. Wien: Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei 1951
  • Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte. Hg. von Franz Planer. Wien: F. Planer 1929


Viktor Kraft im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.