Vereinssynagoge des Leopoldstädter Tempelvereins Aeschel Awrohom

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Einreichpläne für die Synagoge 2, Pazmanitengasse 6 aus dem Jahr 1911
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Synagoge
Datum von 1913
Datum bis 1938
Andere Bezeichnung Kaiser-Franz-Joseph-Huldigungstempel, Pazmanitentempel
Frühere Bezeichnung
Benannt nach Franz Joseph I.
Einlagezahl 1250
Architekt Ignaz Reiser
Prominente Bewohner
PageID 46781
GND
WikidataID
Objektbezug Jüdische Geschichte
Quelle
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Letzte Änderung am 12.12.2022 durch WIEN1.lanm08jan
Bildname WStLA M Abt 236 A16 EZ 1250 0001.jpg
Bildunterschrift Einreichpläne für die Synagoge 2, Pazmanitengasse 6 aus dem Jahr 1911
  • 2., Pazmanitengasse 6
  • 2., Pillersdorfgasse 11

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48° 13' 13.58" N, 16° 23' 4.84" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Vereinssynagoge des "Leopoldstädter Tempelvereins Aeschel Awrohom" (2, Pazmanitengasse 6, Pillersdorfgasse 11: Kaiser-Franz-Joseph-Huldigungstempel)

Rekonstruierte Innenansicht des Pazmanitentempels
Rekonstruierte Außenansicht des Pazmanitentempels

Die vom Jüdischen Bethausverein "Am Volkert" in Auftrag gegebene Vereinssynagoge in Wien 2, Pazmanitengasse 6 bildete im Zeitraum von 1913 bis 1938 das Gemeindezentrum der Jüdinnen und Juden, die in der Gegend des heutigen Volkertmarktes wohnhaft waren. Benannt wurde die Synagoge anlässlich des 80. Geburtstages von Kaiser Franz Joseph I.[1]

Vereinsgeschichte des Israelitischen Bethausvereins "Am Volkert" und des "Leopoldstädter Tempelvereins Aeschel Awrohom"

Der Bethausverein "Am Volkert" wurde 1875 gegründet. Er hatte 1911 die Adresse in Wien 2, Fugbachgasse 7. Dieser Bethausverein wurde am 11. September 1936 in "Leopoldstädter Tempelverein Aeschel Awrohom" umbenannt. Die große Errungenschaft des Vereins war die Finanzierung und Erbauung einer Synagoge für ca. 900 Personen in den Jahren 1911 bis 1913. Die letzte, 62. Ordentliche Generalversammlung des Vereins war für 13. März 1938 einberufen worden. Die Stelle des letzten Obmanns bekleidete Oskar Schramek.[2] Dem "Leopoldstädter Tempelverein Aeschel Awrohom" war eine Bibelschule, die 1933 gegründete "Jeschiwa Beth Jehuda (Oskar Schramek)" angeschlossen.[3] Der jüdische Jugendverein "Zeire w’Hechaluz Hamisrachi" Jugendbund erhielt im August 1938 die Erlaubnis, in den Unterrichtsräumen des Vereins Hebräischkurse für auswanderungswillige Jugendliche abhalten zu dürfen.[4] Noch im September 1938 wurden in den Räumen der Vereinssynagoge 2, Pazmanitengasse 6, Sprachkurse für Jüdinnen und Juden zur Erleichterung der Berufsumschichtung und Auswanderung abgehalten.[5]
Die Auflösung des "Leopoldstädter Tempelvereins Aeschel Awrohom" und dessen Löschung aus dem Vereinsregister erfolgte im Verlauf der Jahre 1938/1939 durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände.[6]

Baugeschichte Vereinssynagoge 2, Pazmanitengasse 6

Für den Bau der Vereinssynagoge wurde vom Bethausverein "Am Volkert" ein von Nachbarhäusern umgrenztes, rechteckiges Grundstück, das von der Pazmanitengasse bis zur Pillersdorfgasse reichte, erworben. Der Architekt Ignaz Reiser plante den dreischiffigen Sakralbau. Die Auswechslungspläne wurden nach einer ersten Umplanung im August 1911 bei der Magistratsabteilung XIV eingereicht und von dieser genehmigt. Pierre Genée bezeichnete die Bauweise als "Abkehr vom Späthistorismus", die keinem speziellen Baustil zuzurechnen sei.[7] Die Westfront an der Pazmanitengasse zeigte eine Fassade in Ziegel- und Betonbauweise mit einem spitz ausgerichteten Giebel und an den Seiten zwei kurzen Türmen, an der Spitze befanden sich die zwei Tafeln mit den Zehn Geboten. Die Ostfront an der Pillersdorfgasse, die ebenfalls in Ziegel- und Betonbauweise ausgeführt war, zeigte eine Fassade mit großem Rundfenster mit Davidstern und an den Seiten mit zwei abgerundeten Turmstümpfen. Die Westfront war etwas breiter als die Ostfront. Die Innenausstattung war durch den mächtigen Thoraschrein geprägt, der die ganze Ostwand der Synagoge einnahm. Unmittelbar davor befand sich die "Bimah", das Vortragspult zum Vorlesen aus den heiligen Schriften. Das Gebäude konnte durch vier Eingänge in der Pazmanitengasse und zwei Eingänge in der Pillerdorfgasse betreten werden. Von der Vorhalle in der Pazmanitengasse gelangte man in den großen Betraum, der mit 514 Sitzplätzen männlichen Betenden vorbehalten war. Weiters im Parterre befand sich an der Westfront links ein kleiner Betsaal. Zwei Eingänge in der Pazmanitengasse führten zu den Stiegenaufgängen in den 1. Stock, wo sich an der Westfront links ein Beratungssaal und zu beiden Seiten die Frauengalerien mit 352 Sitzplätzen befanden. Das Dachgeschoß enthielt eine Bibliothek sowie einen Übungssaal für die Chorsänger.[8]

Novemberpogrom

Während des Novemberpogroms am 10. November 1938 wurde die Vereinssynagoge in Brand gesetzt und, da das Bauwerk aus Beton bestand, durch Sprengung zerstört.[9] Dass Teile des zerstörten Gebäudes dennoch nach dem Novemberpogrom genutzt werden konnten, zeigt ein Brief des Obmanns des aufgelösten "Leopoldstädter Tempelvereins Aeschel Awrohom" Oskar Schramek an die Leitung der Israelitischen Kultusgemeinde vom 24. Jänner 1939. Darin bat Schramek um Erlaubnis, den kleinen Betsaal weiterhin für Gottesdienste benützen zu dürfen.[10] Am 30. Juni 1939 erging von Seiten der Verwaltung der Stadt Wien, Hauptabteilung Bauwesen an die Magistratsabteilung 38 der Bescheid der Bewilligung zum Abbruch der Tempelruinen.[11] Im Dezember 1939 meldete das Baupolizeireferat der Verwaltung des Reichsgaues Wien an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, dass die Vereinssynagoge 2, Pazmanitengasse 6 „abgetragen sei“.[12] Diese Abtragung gestaltete sich aber als schwierig und dauerte bis weit in das Jahr 1940. Den Zuschlag zum Abbruch der Synagoge hatte die Firma Walter Gauf "Abbruch- und Abwrackunternehmung /Baustoffe. Spezialunternehmung für Abtragungen aller Art", Wien 6, Esterhazygasse 28 im Februar 1939 erhalten. Diese Firma war zu dieser Zeit auf die Demolierung von Synagogen spezialisiert. Sie führte die vom Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände erteilten Aufträge durch, indem sie die beim Abbruch anfallenden Materialien ankaufte und weiter verwertete. In einem Brief an die Aufbauvermögensverwaltungs Ges.m.b.H. vom 2. Jänner 1940 beklagte Walter Gauf, dass die Arbeiten an den Tempelruinen 2, Pazmanitengasse 6 "äußerst schwierig" waren: "Anstatt Ziegel habe ich in jeder Mauer Beton gefunden, welcher erst zerschlagen werden musste, wodurch die Arbeitszeit bedeutend verlängert wurde. Unmengen von Schutt mussten abgeführt werden". Gauf verlangte daher eine Aufzählung für seine "Demolierungsarbeit"[13] Im Oktober 1940 schrieb Gauf nochmals an die Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien, Abteilung I/6 - Verwaltung für städtische Liegenschaften und schilderte die Situation: "Durch die vollständige Sprengung und Brand des Gebäudes waren umfangreiche Sicherungsmaßnahmen und Gerüstungen notwendig und da auch das Material durch die Sprengungen sehr gelitten hat (d.h. die Ziegel waren größtenteils Bruch, die Eisentraversen verbogen und dadurch nur als Schrott verwendbar, das Holz zerrissen) was man vor Auftragserteilung bei einem solchen umfangreichen Bau wie die oben genannte 35m hohe Synagoge nicht konstatieren konnte, war diese Arbeit von Anfang an für mich verlustreich".[14] Bevor die Stadt Wien die Liegenschaft in ihr Eigentum übernahm, wurden der Firma Gauf "für die Abtragung der Tempelreste und die Entfernung des Schuttes" 2000 RM und für die "Herstellung eine Einfriedung" 246 RM bezahlt.[15]

Erinnerungszeichen:

Zwei Erinnerungszeichen erinnern daran:

Eigentumsverhältnisse: Arisierung und Restitution

1938 wurden Trauungsdokumente und Bargeld von der Hitler-Jugend Augarten beschlagnahmt.[16]

Eigentümer der Liegenschaft war der Verein "Am Volkert" durch einen Kaufvertrag vom 14./21. Februar 1911. Am 19. Juni 1939 verfügte der Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Aufbaufondsvermögensverwaltungs Ges.m.b.H. Diese Maßnahme wurde jedoch zurückgenommen und die Liegenschaft gelangte, da sie als unverkäuflich galt, am 5. Juni 1941 in das Eigentum der Stadt Wien.[17] Am 31. Dezember 1948 kam es zu einem Erkenntnis der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen über die sofortige Rückstellung der Liegenschaft durch die Stadt Wien an die Israelitische Kultusgemeinde als Rechtsnachfolgerin des "Leopoldstädter Tempelvereins Aeschel Awrohom".[18] Im Jahr 1955 kam es jedoch zu einem Vergleich zwischen der Stadt Wien und der Israelitischen Kultusgemeinde, wonach diese neben anderen arisierten Liegenschaften auf die Liegenschaft 2, Pazmanitengasse 6 verzichtete. Die Stadt Wien leistete eine Entschädigungszahlung.[19] Im Lauf des langjährigen Rückstellungsverfahrens erfolgte 1947 mit Zustimmung der Israelitischen Kultusgemeinde die Verpachtung der Liegenschaft an eine Privatperson für Lagerplätze.[20] 1958 erhielt die GESIBA, Gemeinnützige Siedlungs- und Baugesellschaft Ges.m.b.H. den Zuschlag für ein Baurecht und errichtete auf der Liegenschaft ein Wohnhaus.[21]

Standort der ehemaligen Vereinssynagoge des Leopoldstädter Tempelvereins "Aeschel Awrohom" (2, Pazmanitengasse 6), Aufnahme 31. März 2017

Bedeutende Rabbiner und Kantoren

Als Rabbiner der Vereinssynagoge 2, Pazmanitengasse 6 fungierte von 1915 bis 1928 Salomon (Schlomo) Funk. Funk war auch Mitglied des Rabbinischen Gerichts (Beth Din) der Israelitischen Kultusgemeinde. Löbl Taubes hatte das Amt des Rabbiners in den Jahren 1928 bis 1938 inne. Oberkantor war Leopold Müller und Kantor Armin Stift.[22]

Quellen

Literatur

  • Pierre Genee: Wiener Synagogen 1825-1938. Wien: Löcker 1987, S. 96 f.
  • Pierre Genee: Wiener Synagogen. Wien: Löcker 2014, S. 110-112
  • Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 61-70
  • Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. Vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 51 f.

Einzelnachweise

  1. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 62.
  2. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A 2/44, Schachtel 556.
  3. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31: R 8 - Lehranstalten, Bibel- und hebräische Schulen, Schachtel 571, und Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A 32: 671/33 (Jeschiwa Beth Jehuda Oskar Schramek).
  4. The Central Archives for the History of the Jewish people Jerusalem (CAHJP) A/W 1573, 1.
  5. The Central Archives for the History of the Jewish People Jerusalem (CAHJP), AW, 270, 2.
  6. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A2/44, Schachtel 556.
  7. Pierre Genee: Wiener Synagogen 1825-1938. Wien: Löcker 1987, S. 96.
  8. M.Abt. 236, A16: 2. Bezirk, EZ 1250, und Pierre Genée: Wiener Synagogen. Wien: Löcker 2014, S. 110-112.
  9. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 69.
  10. The Central Archives for the History of the Jewish People Jerusalem (CAHJP), AW,271,1.
  11. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 236, A16: 2. Bezirk, EZ 1250.
  12. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt. 119, A6: 22874/1939.
  13. Österreichisches Staatsarchiv, Stillhaltekommissar Wien, Referat König: Mappe V 93, Schachtel 980 (alt: 66).
  14. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 245, A3 (2. Reihe): 2. Bezirk, EZ 1250.
  15. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A41: 2. Bezirk, 873.
  16. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien IV Ac 31: A 2/44, Schachtel 556.
  17. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, Referat König: Mappe V 93, Schachtel 980 (alt: 66) und Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 245, A3 (1. Reihe): 2. Bezirk, EZ 1250.
  18. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Landesgericht für Zivilrechtssachen, A29: 6 Rk 493/55.
  19. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Landesgericht für Zivilrechtssachen, A29: 6 Rk 493/55 und Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A41: 2. Bezirk, 281 und 873.
  20. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 245, A3 (2. Reihe): 2. Bezirk, EZ 1250.
  21. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 60 und Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 245, A3 (2. Reihe): 2. Bezirk, EZ 1250.
  22. Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 52.