Novemberpogrom

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Ausgebrannte Synagoge Polnische Schul in 2., Leopoldsgasse 29; Foto vom 10. November 1938
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses politisches Ereignis
Datum von 9. November 1938
Datum bis 10. November 1938
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 22032
GND
WikidataID
Objektbezug Zwischenkriegszeit, NS-Zeit
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 8.11.2023 durch WIEN1.lanm08trj
Bildname Novemberpogrom Leopoldgasse.jpg
Bildunterschrift Ausgebrannte Synagoge Polnische Schul in 2., Leopoldsgasse 29; Foto vom 10. November 1938

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Novemberpogrom (9./10. November 1938), offizielle Bezeichnung für das geplante, organisierte und gewalttätige Vorgehen gegen Juden und Jüdinnen, jüdische Geschäfte und Betriebe, Synagogen, Bethäuser und andere jüdische Einrichtungen im gesamten Gebiet des damaligen Großdeutschen Reichs. Das Attentat des polnischen Juden Herschel Grynszpan[1] auf den Legationssekretär der Deutschen Botschaft in Paris Ernst von Rath am 7. November 1938, der am 9. November 1938 an seinen Verletzungen verstarb, bot den willkommenen Anlass für das Pogrom, die bereits lange beabsichtigte Zerschlagung des institutionellen jüdischen Lebens und die völlige Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben.

Inhalt:
  1. Vorbereitung und Beginn
  2. Morde, Selbstmorde und Verhaftungen in Wien
  3. Zerstörung jüdischer Geschäfte und Gewerbebetriebe
  4. Jüdische Wohnungen
  5. Zerstörung von Synagogen und Bethäusern in Wien
  6. Die Rolle der Wiener Feuerwehr
  7. Zerstörte Synagogen
  8. Teilzerstörte, zweckentfremdete Synagogen
  9. Abtragung von Synagogenruinen
  10. Gewinnbringende "Verwertung" der Synagogen und Bethäuser
  11. Arisierung und Restitution von Synagogengrundstücken
  12. Liste der nach 1945 noch bestehenden Synagogen und deren Nachnutzung
  13. Karte der Synagogen
  14. Quellen
  15. Literatur
  16. Weblinks
  17. Einzelnachweise

Vorbereitung und Beginn des Novemberpogroms

Die brutalen Ausschreitungen, Morde, Verhaftungen, Plünderungen, Folterungen und die Synagogenbrände während des Novemberpogroms folgten der in allen NS-Medien hochgespielten extremen Propaganda nach Bekanntwerden des Attentats. In einem am 8. November 1938 erschienenen Artikel in der Zeitung "Völkischer Beobachter" von Regierungsrat Wolfgang Diewerge, Referent der Abteilung VII des Propagandaministeriums, schrieb dieser, dass die antijüdischen Maßnahmen eine "logische Konsequenz" des Attentats seien. Am 9. November 1938 veröffentlichte der "Völkische Beobachter" einen Artikel, in dem eine erfundene Verschwörungstheorie entwickelt wurde. Der Hass aller Juden gegen die Deutschen habe sich an dem Attentat manifestiert und daher sei auch jedwede Reaktion darauf gerechtfertigt[2] Nach Mitteilung des Todes Ernst vom Raths am Abend des 9. November 1938 fand eine Unterredung zwischen Hitler und Goebbels statt, bei der entschieden wurde, dass spontanen Demonstrationen gegen die Juden nicht entgegengetreten werde. Die Gauleiter gaben diese Instruktionen an alle Gauleitungen weiter. Heinrich Müller, Leiter der Gestapo,[3] unterrichtete alle Staatspolizeileitstellen, diese beinhalteten auch dass Plünderungen Einhalt geboten werden solle und bei Synagogenbränden die umliegenden Gebäude geschützt werden müssten[4]

Die Aktionen gegen die jüdische Bevölkerung begannen sogar noch vor der Bekanntgabe durch Staatspolizeileitstellen, Sicherheitsdienst (SD) und SS. Um 23 Uhr waren die Polizeidienststellen informiert, um 24 Uhr die Wiener Dienststelle des SD, um vier Uhr ergingen Weisungen an SS- und SA-Formationen, Geschäfte und Synagogen zu zerstören, sowie Verhaftungen und Delogierungen an Jüdinnen und Juden vorzunehmen[5]

Morde, Selbstmorde und Verhaftungen in Wien

Das Novemberpogrom in Wien war von besonders großer Brutalität gekennzeichnet. Mehr als ein Fünftel der Todesopfer des Novemberpogroms dürften auf Wien entfallen sein, nicht zuletzt weil eine verbreitete antisemitische Stimmung bereits vor der nationalsozialistischen Machtergreifung bestand und der Vermögensentzug der jüdischen Bevölkerung noch nicht soweit fortgeschritten war, um nicht die Bereicherung an jüdischem Eigentum als lohnend erscheinend zu lassen. Es war für Jüdinnen und Juden lebensgefährlich auf die Straßen zu gehen. Sie mussten sich vor brutalen Misshandlungen, willkürlichen Verhaftungen und Hausdurchsuchungen unter dem Vorwand, nach Waffen und politischem Material zu suchen, fürchten und waren völlig vogelfrei. In der Literatur ist die Zahl von 27 ermordeten, 680 Selbstmorden und 88 schwer verletzten Juden angegeben, jedoch sind diese Angaben nicht gesichert, da sie in verschiedenen Publikationen voneinander differieren[6]Die über 6.500 aufgegriffenen Juden wurden in das Polizeigefängnis in Wien 9, Roßauer Lände und zwei extra eingerichtete Behelfsgefängnisse, auch "Notarreste" genannt, in Schulen in Wien 7., Kenyongasse 2 und Wien 20., Karajangasse 14 eingeliefert. Dort kam es laut Zeitzeugenaussagen zu grausamen Übergriffen auf die dort Festgehaltenen, darunter in Wien 20 auch auf 200 Frauen, die besonderen Quälereien ausgesetzt waren[7]. Zwischen 3.500 und 4.800 jüdische Männer wurden in das Konzentrationslager Dachau deportiert[8] Ca. 70% der Wiener Juden waren von Hausdurchsuchungen betroffen[9].

Zerstörung jüdischer Geschäfte und Gewerbebetriebe

Mehr als 4000 jüdische Geschäfte und Gewerbebetriebe wurden größtenteils von SA-Formationen und Parteidienststellen an einem einzigen Tag geplündert, verwüstet und enteignet. Nach dem Pogrom fand die NS-Führung wieder zu einer "geordneten" Art des Vermögensentzugs, sogar heftige Kritik daran fehlte nicht. Der Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich Josef Bürckel bezeichnete die sinnlose Zerstörungswut an "deutschem Volksvermögen", das von den Juden gestohlen sei und daher den Juden entzogen werden müsse[10] Eine Anweisung Josef Bürckels, gezeichnet von Odilo Globocnik, an alle Kreisleitungen und Ortsgruppen vom 17. November 1938 beinhaltete "die Sicherung der geschlossenen jüdischen Geschäfte und der Warenlager, die durch Parteidienststellen angelegt wurden" durch die Polizei. Geschäfte, die nicht zerstört waren, müssten demnach "dem normalen Arisierungsweg" zugeführt und alle weiteren Geschäfte liquidiert werden.[11] Der Vandalismus, der sich besonders in Wien von seiner schlimmsten Seite zeigt wurde nicht von allen NS-Dienststellen positiv aufgenommen. Das Gauwirtschaftsamt kritisierte nach dem Pogrom in einer Sitzung am 12. November, dass die "Judenfrage" nicht auf diese Weise gelöst werden könne. Über die Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben war man sich aber einig. Am 12. November wurde vom Beauftragten für den Vierjahresplan Herman Göring in einer Sitzung im Reichsluftfahrtministerium beschlossen, dass diese Frage nun gelöst werde. Er verurteilte alle Juden zu einer Sühneleistung von einer Milliarde Reichsmark. Ende des Jahres 1938 folgte eine Verordnung nach der anderen wonach Jüdinnen und Juden in Hinkunft die Führung eines Betriebes, eines Geschäftes und Gewerbes untersagt wurde und ihre Bankkonten gesperrt wurden[12]

Jüdische Wohnungen

Ebenfalls tausende Wohnungen wurden am 10. November 1938 geplündert und deren jüdische Bewohner und Bewohnerinnen delogiert. Hatten Juden und Jüdinnen vorher noch zuweilen in gutem Einvernehmen mit ihren Nachbarn zusammengelebt, so wurden aus diesen Nachbarn plötzlich brutale Täter, die sich nun an jüdischem Vermögen ohne Angst vor Bestrafung bereichern konnten. Längst aufgestaute antijüdische Ressentiments konnten nun ausgelebt und die akute Wohnungsnot gelindert werden.

Zerstörung von Synagogen und Bethäusern in Wien

Novemberpogrom 1938: Zerstörungen auf dem Wiener Zentralfriedhof, I. und IV. Tor (Neuer jüdischer Friedhof)

Bis zum 10. November 1938 befanden sich in Wien sechs architektonisch eindrucksvolle Synagogen, 18 von Synagogenvereinen gegründete Vereinssynagogen und 78 Bethäuser. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten gerieten diese Einrichtungen in immer größere Gefahr. Bereits im Oktober 1938 kam es zu Brandanschlägen auf Synagogen und Bethäuser und pogromartigen Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung Wiens. Die Aggression gegen die jüdische Gemeinde in Wien gipfelte schließlich im Novemberpogrom. In Wien wurden in einem Zeitraum von einigen Stunden, vornehmlich von Einheiten der SS vom frühen Morgen bis zu Mittag des 10. November 1938 nahezu alle großen Synagogen und zahlreiche Bethäuser geplündert, beraubt und mittels Verwendung von Handgranaten und brennbaren Flüssigkeiten angezündet und verbrannt. Im gesamten nationalsozialistischen Machtbereich erging der Befehl an die Feuerwehren, die Synagogen brennen zu lassen und nur die Umgebung zu schützen. Propagandaminister Joseph Goebbels notierte am 10. November in sein Tagebuch: "Wir lassen nur soweit löschen, als das für die umliegenden Gebäude notwendig ist. Sonst abbrennen lassen".

Die Rolle der Wiener Feuerwehr im Novemberpogrom

Aus zahlreichen Akten des Volksgerichts Wien geht hervor, dass es vor der Entzündung zunächst in der Früh Plünderungen, Diebstähle, Zerschlagung der Sitzbänke und des Inventars etc. kam und anschließend manchmal auch erst am Nachmittag die eigentlichen Brände entfacht wurden. Rollkommandos der SS, vor allem die SS-Standarten 11 und 89, verhinderten das Löschen der Brände durch die Wiener Wiener Feuerwehr. Die Feuerwehr wurde von den Rollkommandos selbst verständigt. Das gesamte Feuerwehrpersonal Wiens war während des Pogroms zum Schutz der Nachbargebäude im Einsatz. Es gelang der Feuerwehr in allen Fällen, die Nachbargebäude zu schützen. Die Feuerwehreinsätze sind im Brandtagebuch der Wiener Feuerwehr penibel dokumentiert und begannen demnach gemäß der ersten Anzeigen um 9h15 des 10. November 1938 [13] Der im Wiener Stadt- und Landesarchiv archivierte Volksgerichtakt gegen Johann Stanzig ermöglicht einen genaueren Einblick in die Ereignisse des 10. November 1938. Im Jahr 1946 erhob die Feuerwehr der Stadt Wien schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Kommandeur der Wiener Berufsfeuerwehr Johann Stanzig. Johann Stanzig, geboren am 10. Oktober 1882 stand seit 1912 im Dienst der Wiener Berufsfeuerwehr. Laut Gauakt der NSDAP war Stanzig seit 1933 Mitglied der NSDAP, seit 1937 Bewerber für die SS und ab 1943 SS-Standartenführer. Er galt als "Prototyp des SS-Offiziers und als Vertreter rücksichtsloser SS-Methoden". Der Hauptteil des Volksgerichtsaktes besteht nicht aus den Synagogenbränden sondern daraus, dass Stanzig während der Bombardements 1945 die Wiener Feuerwehr abgezogen hatte und daher nur unzureichend gelöscht wurde. Die Synagogen bilden in dem Verfahren nur einen kleinen Teil. Die Synagogenbrände wurden bei der Strafbemessung auch nicht mehr eigens erwähnt. Der Richter Dr. Sehorz kam im Urteil zu dem Schluss, dass es den Auftrag des Löschverbotes während des Novemberpogroms an die Wiener Berufsfeuerwehr, auf jeden Fall gegeben haben musste. Stanzig wurde 1948 zu fünf Jahren Haft verurteilt, aber schon nach drei Jahren entlassen[14]

Zerstörte Synagogen

Liste der großen Synagogen Wiens, die am 10. November 1938 zerstört oder verwüstet wurden:

1. Bezirk

2. Bezirk

5. Bezirk

6. Bezirk

8. Bezirk

9. Bezirk

10. Bezirk

11. Bezirk

13. Bezirk

15. Bezirk

  • Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde 15, Turnergasse 22: Zerstört. Ein im Wiener Stadt- und Landesarchiv verwahrter Strafakt gegen den SA-Mann Paul Binder (1896 bis 1970), gibt exemplarisch Einblick in die Vorgänge anhand der Zerstörung der Synagoge in der Turnergasse 22 im 15. Bezirk: Nach Angaben einer Zeugin erschienen am 10. November um fünf Uhr Früh Männer in Zivil vor dem Tempel, brachen die Türe auf und begannen im Inneren alles zu zerschlagen. Die von der Hauswartin verständigte Polizei schritt gegen die in der Synagoge wütenden Nationalsozialisten nicht ein und zog wieder ab. Um acht Uhr kamen weitere Männer in Zivil, die das Zerstörungswerk fortsetzten. Um neun Uhr trafen SA-Männer ein, die die beiden Kassen aufbrachen und alles Silber und Geld daraus entwendeten. Wertvolle Gegenstände, darunter Teppiche, wurden auf einen Lastwagen verladen und abtransportiert. Im Tempel gossen die Männer Brennstoff aus, den sie eine halbe Stunde später mit Handgranaten zur Entzündung brachten. Der Bau brannte aus und stürzte ein. Der bereits am 10. November involvierte SA-Mann Binder beteiligte sich an den folgenden Tagen noch maßgeblich an der Plünderung der Synagogenschule und ihres Kellers. Im 1947 gegen ihn angestrengten Prozess behauptete er allerdings, an diesen Ort nur abkommandiert worden zu sein, "dass unbetroffene Personen nicht zu den Ruinen des Tempels kommen und dort etwa einen Unfall erleiden konnten". Das Gericht befand den SA-Mann Paul Binder am 30. Juni 1948 des Diebstahls für schuldig und verurteilte ihn zu sechs Wochen Haft [15]

Anlässlich des Vergleichs bei der Rückstellung der arisierten Liegenschaft wurde 1951 vom Vertreter des Ariseurs, eines Transportunternehmers, zum günstigen Kaufpreis im Jahr 1940 vermerkt: "Der auf der Liegenschaft befindliche Tempel fiel einem Brand zum Opfer und bildete nur mehr ein Demolierungsobjekt"[16]

18. Bezirk

20. Bezirk

23. Bezirk

Teilzerstörte, zweckentfremdete Synagogen

Liste der Synagogen Wiens, die am 10. November 1938 nicht komplett zerstört und während der NS-Zeit zweckentfremdet genutzt wurden:

3. Bezirk

9. Bezirk

15. Bezirk

16. Bezirk

19. Bezirk

20. Bezirk

Vereinssynagoge des Bethaus- und Unterstützungsvereins Bene Berith 20, Kaschlgasse 4: 20., Kaschlgasse 4: Im Inneren verwüstet, Verwendung als NS-Lokal

21. Bezirk

Abtragung von Synagogenruinen

Synagogen, die in Ruinen lagen, mussten abgetragen werden. Die Entfernung des Bauschutts der Ruinen erforderte einen großen Verwaltungsaufwand. Für Abbruchfirmen begann ein höchst profitables Geschäft. Im April 1939 erging ein Rundschreiben des Reichsstatthalters an den Bürgermeister der Stadt Wien, an alle Landeshauptmänner und an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten. Es beinhaltete einen Geheimerlass des Reichsministeriums für kirchliche Angelegenheiten. Darin hieß es, dass die "jüdischen Kultusvereinigungen" im Wege der "baupolizeilichen Anordnung" selbst für die Beseitigung der Ruinen verantwortlich gemacht würden. Das Baupolizeireferat des Magistrats Wien übermittelte in diesem Zusammenhang an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten eine Liste des Zustandes der Synagogengrundstücke auf Wiener Gemeindegebiet mit Datum Dezember 1939[17]

Gewinnbringende "Verwertung" der Synagogen und Bethäuser

Die Verwaltung des nationalsozialistischen Regimes kümmerte sich um die Sicherstellung der Ritualgegenstände der Synagogen und um den einträglichen Verkauf der noch verwertbaren Gebäudereste. Synagogen und Bethäuser, die während des Novemberpogroms nicht komplett zerstört wurden, erfuhren eine möglichst "gewinnbringende Verwertung". Das Bethaus in der Unteren Viaduktgasse 13 im 3. Bezirk wurde 1939 als Magazin der Persilwerke verwendet. Die Synagoge in der Holzmeistergasse 12 im 21. Bezirk war mit der Bewilligung des Umbaus in eine Sanitätsstation an das Deutsche Rote Kreuz übergeben worden. Das Liegenschaftsamt (Magistratsabteilung 57) interessierte sich 1939 für die Übernahme der Synagoge in der Hubergasse 8 im 16. Bezirk zur Umwandlung in eine Turnhalle. Für dasselbe Objekt bewarb sich 1942 die Altkatholische Kirche. Auf der Brandruine des Bethauses in der Dollinergasse 3 im 19. Bezirk wurde eine Lebensmittelfabrik errichtet. Die Synagoge in Mödling geriet in das Eigentum der Stadt Wien.

Arisierung und Restitution von Synagogengrundstücken

Die Synagogengrundstücke der Vereinssynagogen wurden außer dem Wiener Stadttempel in den meisten Fällen von der Behörde Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände enteignet und gingen in das Eigentum der nationalsozialistischen Aufbaufondsvermögensverwaltungs Ges.m.b.h. über, die sie an Privatpersonen oder die Stadt Wien weiterverkaufte. Die Synagogenliegenschaften, die der Israelitischen Kultusgemeinde gehört hatte, wurden ebenfalls an Private zwangsverkauft wobei der Kaufpreis auf das Liquidationskonto der Israelitischen Kultusgemeinde ging, über dessen Gebarung die Kultusgemeinde nicht verfügungsberechtigt war. Die Rückstellung der Synagogengrundstücke zog sich ab dem Jahr 1946 in jahrelangen Rechtstreitverfahren hin. Die Israelitische Kultusgemeinde als Rechtsnachfolgerin der meisten Vereine erhielt leere Trümmerflächen zurück, auf denen aus Mangel an Gemeindemitgliedern und Geld keine Synagogen mehr errichtet wurden. Etliche Grundstücke wurden an Privatpersonen oder die Stadt Wien veräußert. Unersetzliche Kulturgüter, nicht zuletzt das Inventar und die Ritualgegenstände der Bethäuser, sind für immer verloren gegangen.

Liste der arisierten und restituierten Synagogengrundstücke

2. Bezirk

3. Bezirk

5. Bezirk

6. Bezirk

8. Bezirk

9. Bezirk

10. Bezirk

13. Bezirk

15. Bezirk

16. Bezirk

18. Bezirk

20. Bezirk

21. Bezirk

23. Bezirk

Liste der Synagogengrundstücke, die nicht restituiert und über die Vergleiche geschlossen wurden

2. Bezirk

6. Bezirk

11. Bezirk

15. Bezirk

19. Bezirk

Liste der nach 1945 noch bestehenden Synagogen und deren Nachnutzung

Karte der Synagogen

Quellen

Literatur

  • Thomas Albrich, Michael Guggenberger: "Nur selten steht einer dieser Novemberverbrecher vor Gericht". In: Thomas Albrich, Winfried R. Garscha, Martin F. Polaschek (Hg.): Holocaust und Kriegsverbrechen vor Gericht. Innsbruck: StudienVerlag 2006, S. 26-56.
  • Gerhard Botz: Nationalsozialismus in Wien. Machtübernahme, Herrschaftssicherung, Radikalisierung 1938/39. Wien 2008, S. 502-524.
  • Der Novemberpogrom 1938. Die "Reichskristallnacht in Wien. 116. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien: Wien. Eigenverlag des Historischen Museums der Stadt Wien 1989.
  • Shoshana Duizend-Jensen: Jüdische Gemeinden, Vereine, Stiftungen und Fonds. "Arisierung" und Restitution. Wien / München: Oldenburg 2004.
  • Herbert Exenberger: Die "Reichskristallnacht" und die Geschichte der Juden in Simmering. In: Simmeringer Museumsblätter 29/30 (1988), S. 143 ff.
  • Pierre Genee: Wiener Synagogen.1825-1938. Wien: Löcker 1987
  • Franz Joseph Grobauer: Feuer auf den Tempeldächern (Reichskristallnacht 1938). Wien: Selbstverlag Dr. Franz Grobauer 1978.
  • Dieter Hecht / Eleonore Lappin-Eppel / Michaela Raggam-Blesch: Topographie der Shoah: Gedächtnisorte des zerstörten jüdischen Wien. Wien. Mandelbaum Verlag 2015.
  • Martin Krist / Albert Lichtblau: Nationalsozialismus in Wien. Opfer – Täter – Gegner (= Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern, 8). Innsbruck /Wien / Bozen: Studienverlag 2017, S. 250-252.
  • Angela Maas: Die "Reichskristallnacht im Spiegel der Wiener Presse". Diplomarbeit Universität Wien. Wien 1983.
  • Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009
  • Nora Mundigler: Wiener Synagogen nach 1938. Gradmesser für Österreichs Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus? Diplomarbeit Universität Wien. Wien 2013.
  • Doron Rabinovici: Instanzen der Ohnmacht. Wien 1938-1945. Der Weg zum Judenrat. Frankfurt am Main: Jüdischer Verlag 2000.
  • Brigitte Rigele, Shoshana Duizend-Jensen: 75 Jahre Novemberpogrom 1938 in Wien (Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs C 14). Wien 2014.
  • Herbert Rosenkranz: "Reichskristallnacht". 9. November 1938 in Österreich (Monographien zur Zeitgeschichte Schriftenreihe des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes). Europa Verlag. Wien /Frankfurt /Zürich 1968.
  • Kurt Schmid, Robert Streibel (Hg.): Der Pogrom 1938. Judenverfolgung in Österreich und Deutschland, Wien 1990.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Herschel Grynszpan wurde am 28. März 1921 als Sohn des Sendel und der Ryfka (Regina) Grynszpan in Hannover geboren. Die Familie war im Jahr 1911 aus Russland vor Pogromen und Verfolgung geflohen. Herschel Grynszpan besuchte in den Jahren 1926 bis 1935 in Hannover die Schule. 1935 übersiedelte er nach Frankfurt, lernte dort ein paar Monate lang in der "Simon-Breuer-Jeschiwa", wo er sich auf seine geplante Ausreise nach Palästina vorbereitete, übersiedelte 1936 nach Belgien und anschließend zu seinem Onkel Abraham Grynszpan nach Paris. Im Jahr 1938 erhielt Herschel Grynszpan den Bescheid, dass er aus Frankreich ausgewiesen werde. Inzwischen waren auch sein Rückreisevisum für Belgien, seine Aufenthaltsgenehmigung für Hannover und sein polnischer Reisepass abgelaufen. Herschel Grynszpan blieb illegal in Paris. Dort erreichte ihn die Nachricht, dass unter den tausenden polnischen Jüdinnen und Juden, die am 27. und 28. Oktober 1938 an die deutsch-polnische Grenze abgeschobenen wurden, auch seine Eltern und Geschwister waren. Die Ausweisung kam so überraschend, dass die Familie kaum Zeit hatte, notwendige Habseligkeiten zu packen. Sie lebte in völliger Armut in einem Barackenlager in Zbąszyń, Polen. Von dort schrieb Herschels Schwester Berta Grynszpan am 3. November 1938 eine Postkarte an Herschel, in der sie das Elend der Familie beschrieb. Als emotionale Reaktion darauf besorgte sich Herschel am 6. November eine Waffe und beging am 7. November das Attentat auf Ernst vom Rath. Herschel Grynszpan war zunächst in Gefängnissen in Frankreich inhaftiert, es wurde ihm aber nie der Prozess gemacht. 1941 kam er nach einem Aufenthalt in einem Gestapo-Gefängnis in Berlin in das Konzentrationslager Sachsenhausen und am 26. September 1942 in das Zuchthaus Magdeburg, wo er wahrscheinlich umkam. Zuletzt wurde er bei einem Verhör bei Adolf Eichmann gesehen. Er wurde im Jahr 1960 auf Antrag seiner Eltern, die die Shoah überlebt hatten, für tot erklärt. Es gab aber immer wieder Vermutungen, dass Herschel Grynszpan ebenfalls überlebt hatte und unter anderem Namen in Paris lebte. Zu Herschel Grynszpan siehe Wikipedia: Herschel Grynszpan (abgerufen am 23.10.2018), weiters: Elisabeth Klamper: Die "Affaire Herschel Grynszpan". In: Der Novemberpogrom 1938. Die "Reichskristallnacht" in Wien. 116. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Wien: Eigenverlag des Historischen Museums der Stadt Wien, 1989, S. 53-55.
  2. Elisabeth Klamper: Die "Affaire Herschel Grynszpan". In: Der Novemberpogrom 1938. Die "Reichskristallnacht" in Wien. 116. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien Wien: Eigenverlag des Historischen Museums der Stadt Wien, 1989, S. 56.
  3. nicht zu verwechseln mit dem sozialdemokratischen Bezirksrat Heinrich Müller (* 1918, † 2005)
  4. Jonny Moser: Die "Reichskristallnacht in Wien" In: Der Novemberpogrom 1938. Die "Reichskristallnacht" in Wien. 116. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Wien: Eigenverlag des Historischen Museums der Stadt Wien, 1989, S. 60.
  5. Jonny Moser: Die "Reichskristallnacht in Wien" In: Der Novemberpogrom 1938. Die "Reichskristallnacht" in Wien. 116. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Wien: Eigenverlag des Historischen Museums der Stadt Wien, 1989, S. 60.
  6. http://www.demokratiezentrum.org/fileadmin/media/img/Gedenktage/GO_7.1_Heim.pdf.
  7. Doron Rabinovici: Instanzen der Ohnmacht. Wien 1938-1945. Der Weg zum Judenrat. Frankfurt am Main 2000: Jüdischer Verlag, S. 1126.
  8. http://www.demokratiezentrum.org/fileadmin/media/img/Gedenktage/GO_7.1_Heim.pdf.
  9. https://gedenkdienst.or.at/fileadmin/zeitung/gd2011-1a.pdf.
  10. Franz Joseph Grobauer: Feuer auf den Tempeldächern (Reichskristallnacht 1938). Selbstverlag Dr. Franz Grobauer. 1978, S. 55.
  11. http://www.doew.at/cms/download/i2ce/9425_anweisung_buerckel_globocnik.pdf.
  12. Jonny Moser: Die "Reichskristallnacht in Wien". In: Der Novemberpogrom 1938. Die "Reichskristallnacht" in Wien. 116. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Wien:Eigenverlag des Historischen Museums der Stadt Wien, 1989, S. 63.
  13. Archiv des Wiener Feuerwehr Museums, Brand-Tagebuch 1938 II. Teil.
  14. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Volksgericht, A1: 6f Vg Vr 1379/46 Vg 4 Vr 5076/48.
  15. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Landesgericht für Strafsachen, A11: Vr 3766/1938, S. 9.
  16. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt 119, A41: 15. Bezirk, Zahl J 88.
  17. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M. Abt. 119, A6: 22874/1939.