Maria Potesil

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Daten zur Person
Personenname Potesil, Maria
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 33052
GND
Wikidata
Geburtsdatum 1894
Geburtsort
Sterbedatum 1984
Sterbeort Wien
Beruf Pflegemutter
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle
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Recherche
Letzte Änderung am 5.11.2022 durch DYN.krabina
Begräbnisdatum 3. Oktober 1984
Friedhof Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 89, Reihe 30, Nr. 7

Es wurden noch keine Adressen zu dieser Person erfasst!

Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Gerechte unter den Völkern (Verleihung: 30. November 1978)

Maria Potesil, (* 1894 Wien † 1984 ebenda), Pflegemutter, Trägerin der Auszeichnung "Gerechte unter den Völkern"

Biografie

Maria Potesil war seit dem Ersten Weltkrieg verwitwet und lebte nach Kriegsende als tschechische Staatsbürgerin mit ihren beiden leiblichen Kindern Anna und Adolf in Wien. 1927 nahm sie den zweieinhalb Jahre alten Kurt Martinetz (geb. 29. Mai 1924) als Pflegekind auf, als Amtsvormund fungierte das städtische Sozialamt. Mit Eintritt in die Pflichtschule wurde bekannt, dass Kurt Martinetz einen jüdischen Vater hatte. Maria Potesil behielt ihren Pflegling, der zudem kränklich und sehr pflegebedürftig war, dennoch, obwohl bereits vor dem "Anschluss" an Hitlerdeutschland Jüdinnen und Juden und ihr Umfeld in Wien antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt waren. Als nach dem "Anschluss" auch auf dem Boden des ehemaligen Bundesstaates Österreich die "Nürnberger Rassengesetze" anzuwenden waren, beendete die Stadt Wien die Amtsvormundschaft und stellte die Zahlungen an die Pflegemutter ein. Potesil setzte sich jedoch weiter für Kurt Martinetz ein, versuchte sich zum gesetzlichen Vormund erklären zu lassen. Im nachbarschaftlichen Umfeld wurde Marie Potesil wegen ihres Engagements für ein jüdisches Kind angefeindet. Es kam zu mehreren Konflikten mit der GESTAPO, auch tätliche Angriffe durch einen SS-Angehörigen sind belegt.

1939 erhielt die Pflegemutter die Vormundschaft für ihr Kind zugesprochen, nicht ohne jedoch massive persönliche Nachteile dafür in Kauf zu nehmen: Sie musste die bisherige Wohnung aufgeben und auf die tschechische Staatsbürgerschaft und die damit vorhandenen Ansprüche auf eine Witwenrente nach ihrem gefallenen Mann, einen Tschechen, verzichten. Trotzdem Maria Potesil gesetzlicher Vormund war, durften sie und ihre leiblichen Kinder nicht mit dem Pflegekind beisamen wohnen. Kurt wurde in eine Sammelwohnung in den zweiten Bezirk gebracht. Um in der Nähe von Kurt Martinetz sein zu können, zog die Pflegemutter mit ihren Kindern ebenfalls in die Leopoldstadt.

Bis Herbst 1944 verbrachte die Familie den Krieg in der Leopoldstadt, Maria Potesil durfte mit ihren Kinder und ihrem Pflegesohn Kurt, der den Judenstern zu tragen hatte, nur in für Juden bestimmten Geschäften einkaufen und während der Luftangriffe keine Luftschutzräume aufsuchen. Von einer Wohnungsnachbarin wurden deren Beziehungen zu einem SS-Angehörigen ausgenutzt, um Maria Potesil wegen ihres jüdischen Pfleglings unter Druck zu setzen und materielle Zuwendungen zu erpressen.

Im September 1944 wurde Kurt in das Sammellager Kleine Sperlgasse 2a gebracht, um anschließend in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert zu werden. Maria Potesil gelang es durch Bestechung, die Freilassung des Pflegesohnes Kurt zu erwirken. Mit Unterstützung von Bekannten sowie durch die Hilfe eines Arztes konnte Kurt bis Kriegsende als "U-Boot" in Wien versteckt gehalten werden. Kurt Martinetz verstarb siebzigjährig im Mai 1995 in Wien.

Um eine finanzielle Kompensation für den Verlust ihrer Rentenansprüche zu erhalten, beantragte Potesil von der Stadt Wien die Nachzahlung des entgangenen Pflegegeldes für den Zeitraum von 1938 bis 1945, was jedoch zurückgewiesen wurde.

Eine späte Anerkennung erfuhr Maria Potesil 1978, als ihr am 30. November in der Israelischen Botschaft in Wien die von Yad Vashem verliehene Auszeichnung "Gerechte unter den Völkern" zugesprochen wurde.

Maria Potesil verstarb 1984 neunzigjährig in Wien. Sie wurde am 3. Oktober 1984 auf dem Zentralfriedhof (Gruppe 89, Reihe 30, Nr. 7) bestattet.

Die Gemeinde Wien beschloss im Gemeinderatsausschuss für Kultur und Wissenschaft am 28. Februar 2012, in der Seestadt Aspern eine Maria-Potesil-Gasse zu benennen.


Literatur

  • Peter Autengruber: Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 197
  • Israel Gutman, Daniel Fraenkel, Jacob Borut [Hg.]: Lexikon der Gerechten unter den Völkern. Deutsche und Österreicher. Göttingen: Wallstein 2005, S. 350 f.
  • Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon Österreichischer Frauen. Wien/Köln/Weinmar: Böhlau 2016, Bd. 3, S. 2587
  • aspern Development AG [Hg.]: Die Seestadt ist weiblich. Wien: Eigenverlag der aspern Development AG 2019, S. 46 (mit einer Portraitzeichnung (Acryl) nach einer Fotografie.)