Lili Esther Roubiczek

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Lili Roubiczek
Daten zur Person
Personenname Roubiczek, Lili Esther
Abweichende Namensform Roubiczek-Peller, Lili Esther; Roubiczek, Lilly; Roubiczek, Lili
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 367065
GND 143747231
Wikidata
Geburtsdatum 28. Februar 1898
Geburtsort Prag 2032180-6
Sterbedatum 30. August 1966
Sterbeort New York 4042011-5
Beruf Pädagogin, Psychoanalytikerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle
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Recherche
Letzte Änderung am 28.09.2023 durch WIEN1.lanm09ua1
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname Lili Esther Roubiczek.jpg
Bildunterschrift Lili Roubiczek
  • 9., Roßauer Lände 21 (Wohnadresse)
  • 10., Troststraße 98 (Wirkungsadresse)
  • 1., Wallnerstraße 9 (Wirkungsadresse)
  • 9., Grünentorgasse 9 (Wirkungsadresse)
  • 1., Rudolfsplatz (Wirkungsadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Lili Esther Roubiczek, * 28. Februar 1898 (29. Februar?) Prag, † 30. August 1966 Monroe, NY (USA), Pädagogin.


Biografie

Herkunft und frühe Jahre

Lili Roubiczek wurde in Prag als Tochter einer Familie des oberen Mittelstandes geboren. Ihr Vater, Ludwig Roubiczek, war erfolgreicher Textilkaufmann. Lili sollte eine standesgemäße Bildung erhalten, ihre selbstständigen und unabhängigen Lebensziele stießen allerdings bei ihrer Mutter Ernestine Roubiczek, geborene Kohn, auf wenig Verständnis. Von ihrer Erzieherin "Kosicchen" lernte sie Tschechisch und wuchs somit zweisprachig auf. Von 1917 bis 1920 inskribierte sie an der deutschen Karl-Ferdinand-Universität Biologie, beendete das Studium allerdings nicht. Ihr Interesse für die kindliche Entwicklung veranlasste sie dazu, in Wien Psychologie zu studieren, wo sie erstmals mit der Montessori-Pädagogik in Berührung kam, die sie so sehr fesselte, dass sie 1921 ihr Studium erneut abbrach und stattdessen einen Ausbildungskurs bei Maria Montessori in London absolvierte. Bald entstand bei Roubiczek die Idee von einem Kinderhaus, in dem sie nicht nur die Lehren Montessoris umsetzen, sondern gleichzeitig das Nachkriegselend der armen Wiener Kinder und Familien lindern wollte. Sie besprach die Idee mit Maria Montessori, die von der Idee begeistert war und ihre Mitarbeit zusagte.

Montessori in Wien

Roubiczek kehrte daraufhin mit anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Londoner Kurses nach Wien zurück (einer davon war der australische Architekt Lawrence Benjamin, der eine Erbschaft einbringen konnte), in der Absicht, das "Haus der Kinder" nach den Prinzipien der Montessori-Pädagogik zu bauen. Erst durch Lili Roubiczeks Vorhaben konnte 1922 die Montessori-Pädagogik als Gegenmodell zu den traditionellen Kindergärten in Wien an Bedeutung gewinnen. Zunächst als Tagesheimstätte für vorschulpflichtige Kinder, später als Kindergarten und dann auch als Volksschule geführt, befand sich die Schule und Tagesheimstätte im 10. Wiener Gemeindebezirk in der Troststraße 98. Die Räumlichkeiten wurde von der Stadt Wien zur Verfügung gestellt, für die Einrichtung, die vom tschechischen Tischler Knize angefertigt wurde, mussten die Initiatorinnen und Initiatoren selbst aufkommen. Im August 1923 wurde die Schule und Tagesheimstätte für 40 Arbeiterkinder und Kinder des Mittelstands eröffnet, hatte jedoch schon wenige Zeit später mit finanziellen Problemen zu kämpfen, da nicht alle Eltern das inflationsbedingt steigende Schulgeld bezahlen konnten. Lili Roubiczek allerdings hatte persönlichen, guten Kontakt zum Mediziner und Sozialreformer Julius Tandler, dem damaligen Stadtrat für Wohlfahrts-und Gesundheitswesen, dem von 1920 bis 1933 die Wiener Kindergärten unterstanden. Dieser Kontakt ermöglichte Montessori-Abteilungen in den städtischen Kindergärten und Roubiczek wurde Konsulentin für die Kindergartenfürsorge. Dass das "Haus der Kinder" bestehen bleiben konnte, lag auch daran, dass Julius Tandler die Idee stark förderte, die Einrichtung außerdem durch das städtische Wohlfahrtsamt eine monatliche Subvention und im zweiten Jahr des Bestehens jedes Kind vom Jugendamt der Stadt Wien einen Unterstützungsbeitrag erhielt. Dennoch war Roubiczek dazu übergegangen, keine kostenintensiveren Erwachsenen als Erzieherinnen mehr anzustellen. Stattdessen stellte sie eine Arbeitsgemeinschaft aus gebildeten jungen Mädchen zusammen, die meist aus assimilierten jüdischen Familien der Mittelschicht stammten, teilweise auch sozialistisch eingestellt und vor allem von der Montessori-Philosophie fasziniert waren. In ihren Anfängen wohnten die Mitglieder dieser Gemeinschaft in der Schule, wo sie auf den Pritschen der Kinder schliefen und nur samstags nach Hause fuhren.

1925 zog Roubiczek in eine Gemeindewohnung in der Nähe der Schule. Zu dieser Zeit, also Anfang der 20er Jahre, gab es einen regen Austausch zwischen Roubiczek und Maria Montessori, die auf ihr Drängen 1924 das erste Mal nach Wien kam, um die Schule zu besichtigen, und sich positiv darüber äußerte. In den folgenden Jahren begleitete Roubiczek Montessori neben ihrer Tätigkeit in Wien auch auf ihren Reisen und war als ihre Assistentin und Übersetzerin tätig. Durch den engen Kontakt und die daraus resultierende Möglichkeit zur Diskussion über Material und Methode, genoss die Wiener Schule mehr Freiheiten in der Anpassung an die Methoden Montessoris. Maria Montessori besuchte Wien auch in den Jahren 1926 und 1930 und wohnte im Zuge dessen auch in Roubiczeks Wohnung in der Roßauer Lände 21. Zum letzten Mal besuchte Montessori Wien im Jahr 1936, aber da war Roubiczek bereits nicht mehr in Wien.

1924 gründete Lili Roubiczek den Selbstverlag der Wiener Montessorischule, um die an der Schule geleistete wissenschaftliche Arbeit auf kurzem Wege wirtschaftlich nutzbar zu machen. Der Verlag gab auch Bücher und Broschüren für Eltern und Erzieher heraus, etwa das bekannte Werk "Das Kind in der Familie" (1924). Immer wieder bot sie auch Montessori-Fortbildungskurse an verschiedenen Orten wie der Wallnerstraße 9 oder Grünentorgasse 9 an. Zudem bildete Roubiczek Montessori-Lehrerinnen in der Schule in der Troststraße in einem zweijährigen Kurs aus, in dem neben Vorlesungen vor allem die praktische Arbeit mit Kindern im Vordergrund stand. Im Rahmen dieser Ausbildung konnte sie auch andere Spezialistinnen als Vortagende gewinnen, etwa Anna Freud, Olga Jannowitz, Christine Baer und Trude Hammerschlag.

Roubiczek hatte die Vision einer Synthese zwischen Montessori-Pädagogik und den Erkenntnissen der Psychoanalyse. Die Bekanntschaft zu Anna Freud ermöglichte eine Zusammenarbeit und während einige Erzieherinnen Kurse am Wiener Psychoanalytischen Institut besuchten, hielt Roubiczek am Psychoanalytischem Institut Vorträge über Montessori-Pädagogik oder hielt in einem Seminar, das Anna Freud für Kinderanalytiker veranstaltete, einen Vortrag über Kinderanalyse. Die Verbindung zwischen Anna Freud und Maria Montessori gelang ihr allerdings nicht, weil Montessori die Vereinigung ihrer Lehre mit der Psychoanalyse missbilligte, was in weiterer Folge zur Entfremdung zwischen den Frauen führte. 1931 machte Roubiczek nichtsdestotrotz eine Ausbildung zur Psychoanalytikerin bei Siegfried Bernfeld und Hermann Nunberg und wurde außerordentliches Mitglied der Psychoanalytischen Vereinigung.

Haus der Kinder am Rudolfsplatz

1931 übersiedelte das "Haus der Kinder" auf den Rudolfsplatz 5, wo Roubiczek in enger Zusammenarbeit mit dem Architekten Franz Schuster, der aus Dresden nach Wien zurückgekehrt war und dessen Kind die Montessori-Schule besucht hatte, ein Gebäude errichten lassen konnte. Es war damit auch das erste Haus in Europa, das von Grund auf unter dem Zusammenwirken zwischen Architekten und Erzieher angelegt worden ist. Dies zeigte sich etwa durch niedrig angebrachte Klinken und Schnallen am Tor oder eine spezifische Raumgestaltung. Das "Haus der Kinder" wurde am 28. September 1931 von Bürgermeister Seitz feierlich eröffnet, obwohl es bereits seit ungefähr einem Jahr in Betrieb war. Bei der Führung und dem erläuternden Vortrag war auch die Gemeinderätin und zweite Präsidentin des Montessori-Vereines, Leopoldine Glöckel, anwesend. Das "Haus der Kinder" wurde gemeinsam mit der Gemeinde Wien und dem Verein zur Gründung und Erhaltung eines Montessori-Hauses geschaffen, um Kinder durch ihre Umgebung, also die Anordnung der Räume, ihre Form und Farben, die Einzelgliederung und die Inneneinrichtung zu erziehen. Rund 100 Kinder im vorschulpflichtigen Alter, also zwischen zweidreiviertel und fünf Jahren, wurden aufgenommen, denen ein großer Garten mit Planschbecken, Brausen und Ruheraum zur Verfügung stand. Die Kinder erhielten drei Mahlzeiten täglich und Schulschürzen/Arbeitsgewänder, die für alle Kinder gleich waren, damit sich die ärmeren nicht von den reicheren Kindern unterschieden. Die Kinder sollten nicht erzogen, sondern nach eigenem Interesse beschäftigt werden. Sie sollten nicht nur spielen, sondern auch für das Haus tätig sein, Gemüse schneiden, servieren, Wäsche waschen, Tisch decken, Geschirr reinigen. Es wurde sogar einmal im Monat ein Konzert für die Kinder veranstaltet; bei einem davon sang die Konzertsängerin Marianne Mislap-Kapper, begleitet von Franz Mittler, Kinderlieder und Kunstmusik von Brahms bis Schubert. Die Idee hinter dem "Haus der Kinder" war nicht nur, die Montessori-Pädagogik in Wien zu etablieren, sondern vor allem auch ärmeren Kindern Zugang zu guter Körperpflege, sauberen und geheizten Aufenthaltsräumen sowie guter Ernährung zu ermöglichen. "Das Haus der Kinder" galt damals als das erste österreichische Kinderhaus, das den Erkenntnissen der modernen Kinderpsychologie und der Kinderphysiologie vollkommen entsprach.

Heirat und Exil

Im August 1933 heiratete Roubiczek den Mediziner Sigismund Peller, der ein Mitarbeiter von Julius Tandler war. Er war wie seine Ehefrau jüdischer Abstammung und ein engagierter Sozialist. Die Heirat mit ihm, die im Wiener Stadttempel vollzogen wurde, wird als weiterer möglicher Grund für die Entfremdung zwischen Roubiczek und Montessori gesehen. Die Schule konnte bis zum 31. März 1938 bestehen bleiben, und das, obwohl viele Mitarbeiterinnen des Hauses jüdischer Herkunft und/oder sozialdemokratisch waren. Lili Roubiczek und ihr Mann verließen Wien bereits im Februar oder März 1934, neue pädagogische Leiterin der Schule wurde Hilde Fischer. Im Lehmann scheint Lili Roubiczek an der Adresse Roßauer Lände allerdings noch bis 1941 auf.

Das Ehepaar Roubiczek-Peller emigrierten zunächst 1934 nach Palästina, wo Lili Roubiczek eine Elementarschule in Jerusalem aufbaute, die den Prinzipien der Wiener Schule entsprach. Auch stand sie in Verbindung mit dem Psychoanalytischen Institut in Jerusalem. 1938 emigrierte das Ehepaar nach Baltimore, USA, weil Sigismund Peller an die Johns-Hopkins-Universität berufen wurde. 1940 übersiedelte das Paar nach New York City, wo Lili Roubiczek als selbstständige Psychoanalytikerin bis zu ihrem Tod tätig war. Zudem hielt sie Vorträge und Vorlesungen am "Psychoanalytic Institute in Philadelphia", an dem sie später Ehrenmitglied wurde, sowie im "Department of Child Psychiatry" am Albert Einstein College of Medicine in der Bronx. Vor allem die kindliche Sprachentwicklung, mit der sie sich schon in Wien befasst hatte, stand im Fokus ihrer Forschungen.

Im Jahr 1970 wurde die Roubiczekgasse in Wien-Favoriten nach ihr benannt.


Quellen


Literatur


Lili Esther Roubiczek im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.