Hauptschule

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Auszug aus der "Allgemeinen Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen" (1774): Schultypen
Daten zum Eintrag
Datum von 1927
Datum bis 2018
Objektbezug Wiener Schulen, Mittelschule
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 24.11.2021 durch WIEN1.lanm08trj
Bildname Allgemeine Schulordnung 1774 Schultypen.jpg
Bildunterschrift Auszug aus der "Allgemeinen Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen" (1774): Schultypen

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Die ältere "Hauptschule"

Johann Ignaz Melchior von Felbiger war maßgeblich an der Ausarbeitung der "Allgemeinen Schulordnung" von 1774 beteiligt

Hauptschulen, erstmals in der von Johann Ignaz Felbiger 1774 entworfenen "Allgemeinen Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämmtlichen kaiserlich-königlichen Erblanden" erwähnt, waren in größeren Städten dreiklassig; sie dienten nach erfolgreicher beziehungsweise ausgezeichneter Absolvierung der Trivialschule der Festigung der Kenntnisse in den Hauptfächern und dem Unterricht in Realienkunde (Geschichte, Geographie, Physik, Wirtschaft, Naturkunde); Lehramtskandidaten wurden auch in Hauptschulen ausgebildet (Normalschule). Nach der Politischen Schulverfassung von 1805 konnten die Hauptschulen auch vierklassig geführt werden; die dreiklassigen Hauptschulen verloren den Realienunterricht. 1829 gab es in Wien elf Hauptschulen. 1848 bestanden 14 vierklassige städtische Hauptschulen für Knaben, weitere vier Pfarrhauptschulen wurden in diesem Jahr vom Staat übernommen. Für Mädchen bestanden eine vierklassige Hauptschule, die von den Ursulinen geführt wurde, und das fünfklassige k. k. Civil-Mädchen-Pensionat. Eine k. k. Musterhauptschule wurde in der Stadt bei St. Anna geführt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielten die besten und Schüler Buchprämien.[1]

Die Hauptschulreform 1927

Zwischen 1869 (Reichsvolksschulgesetz [14. Mai 1869]) und 1927 bildete die Bürgerschule neben der Oberstufe der Volksschule die Pflichtschule für die Zehn- bis Vierzehnjährigen. Da die Bundesverfassung von 1920 die Schulgesetzgebung nicht eindeutig dem Bundesstaat oder den Bundesländern übertragen hatte und die Schulversuche ausliefen, zwang das die von den bürgerlichen Parteien geführte Bundesregierung zu einem Schulkompromiss mit dem "Roten Wien". Dieser Kompromiss führte zur Neueinführung der zweistufigen Hauptschule.

Das Bundesgesetz vom 2. August 1927 (Bundesgesetzblatt Nummer 245) betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen des Reichsvolksschulgesetzes sah für die vierklassige Oberstufe der allgemeinen Volksschule die Bezeichnung Hauptschule vor (Definierung des Bildungsziels im § 17 [die Hauptschule hat eine über das Lehrziel der Volksschule hinausreichende Bildung zu gewähren und die Schüler auf das praktische Leben oder den Eintritt in Fachschulen vorzubereiten, aber fähigen Schülern auch den Übertritt in die Mittelschule zu ermöglichen]).

Lehrgegenstände in der Hauptschule 1927 waren Deutsch, Rechnen (mit Raumlehre und geometrisches Zeichnen), Religion, Geschichte, Erdkunde, Naturgeschichte, Naturlehre, Zeichnen, Handarbeiten (für Knaben und Mädchen getrennt), Schreiben, Gesang, "Körperliche Übungen", ab der sechsten Schulstufe Fremdsprache. 1934 wurde die Fremdsprache ein nicht verbindliches Fach.

Während 1925/1926 207 Bürgerschulen mit 1.618 Klassen bestanden (durchschnittliche Klassenstärke 32) existierten im Schuljahr 1935/1936 in Wien 212 Hauptschulen mit 1.789 Klassen. Die durchschnittliche Klassenstärke betrug 35.[2]

Die Hauptschule schloss an die Volksschule an und umfasste vier aufsteigende Klassen, wobei sie in der Regel in zwei, die Begabung der Schüler berücksichtigenden Klassenzügen geführt wurde; ab der zweiten Klasse wurde eine Fremdsprache unterrichtet. Infolge des Hauptschulgesetzes wurden die Bildungsmöglichkeiten im Pflichtschulbereich angehoben. Mit Ausnahme der Unterstufe des Humanistischen Gymnasiums gingen die Lehrpläne der Allgemeinbildenden Höheren Schulen und der Hauptschule nun parallel, ein Erfolg der Schulreformbewegung. Zudem diente die Hauptschule als Vorbereitung auf die Lehrerinnen- und Lehrerbildungsanstalten.

Hauptschule im autoritären Staat

Die Bildungspolitik des autoritären Regimes (1934-1938) machte die Hauptschule zu einer einzigen "Ausleseschule" mit konservativ-rückschrittlichem Charakter (Verordnung der Bundesregierung vom 23. März 1934, Bundesgesetzblatt I, Nummer 197); in die Hauptschule wurden nur Schüler aufgenommen, "die von der Volksschule zum Aufsteigen in die Hauptschule als reif erklärt" wurden, die übrigen Schüler besuchten die "Abschlussklassen" der Volksschule (die den zweiten Klassenzug ersetzten). Parallelismus in den Lehrplänen von Hauptschule und Untermittelschule wurden beseitigt, der Übertritt damit besonders mit Bezug auf den unterschiedlich einsetzenden Fremdsprachenunterricht nahezu unmöglich gemacht.

Die Nationalsozialisten setzten ab 1938 Maßnahmen zur Gleichschaltung und nationalsozialistischer Ausrichtung des Schulsystems (Angleichung an das Schulsystem des Deutschen Reichs beginnend mit dem Schuljahr 1939/1940). Da die Funktion der Hauptschule im österreichischen Schulsystem ab 1934 der deutschen Realschule ähnelte und die inbegriffene vormilitärische Ausbildung inkludierte, trat die vierklassige Hauptschule ab 1940 im gesamten Deutschen Reich an die Stelle der Mittelschule (Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten vom 15. Juli 1939, S. 112). Generelles Unterrichtsprinzip wurde die "wehrgeistige Erziehung". Dies erlaubte der Hitlerjugend (HJ) weitgehende Eingriffe in den Schulalltag. Der Hauptschule wurde aufgetragen, eine "nationalsozialistische Berufshaltung vorzubereiten" und die "Ausrichtung des Lebens nach der germanisch-deutschen Wertordnung" anzubahnen; Erziehungsziel war die "Formung des nationalsozialistischen Menschen", Unterrichtsschwerpunkte lagen in den mathematisch-naturwissenschaftlichen sowie technisch-werklichen Fächern und in der Leibeserziehung. Der Deutsch-, Geschichts- und Musikunterricht dienten in besonderer Weise der ideologischen Indoktrinierung im Sinne des Nationalsozialismus (zum Beispiel Singen von Soldatenliedern, "Liedern der Bewegung"). Der Fremdsprachenunterricht (Englisch) war nicht verbindlich.

Zweite Republik

Nach dem Zweiten Weltkrieg griff man auf die Hauptschullehrpläne von 1928 zurück; mit Verordnung vom 18. Oktober 1946 wurden neue Lehrpläne zur Erprobung angeordnet (eine Neuerung war der 1939 eingeführte Pflichtunterricht in einer modernen Fremdsprache). Aufgrund von Kriegszerstörungen bestand noch zu Beginn der 1950er Jahre in den Schulen Raummangel. So standen im Schuljahr 1950/1951 nahezu ähnlich vielen Klassen wie in der Zwischenkriegszeit nur 160 Schulen zur Verfügung. Auch in der Folge nahm die Zahl der Hauptschulen ab, nun aber aufgrund rückläufiger Schülerzahlen.[3]

Aufgrund der Einführung der neunjährigen Schulpflicht und der Schaffung des Polytechnischen Lehrgangs (1962) erhielt die Hauptschule "Übergangscharakter". Zu Beginn der 1960er Jahre besuchten 62 Prozent der Schülerinnen und Schüler der fünften Schulstufe Hauptschulen, davon etwa zu gleichen Teilen die beiden Hauptschulzweige. 29 Prozent entfielen auf Allgemeinbildende Höhere Schulen und neun Prozent auf Sonderschulen. In der Folge sank der Anteil der Hauptschülerinnen und -schüler auf 52 Prozent 1970 und 42 Prozent 1990.[4]

1970/1971 begannen umfangreiche Versuche zur integrierten Gesamtschule. Nach der siebten Schulordnungsgesetzesnovelle (Bundesgesetzblatt 365/1982) soll in der (Neuen) Hauptschule die Förderung der Schülerinnen und Schüler durch Leistungsgruppen in den Gegenständen Deutsch, Lebende Fremdsprache und Mathematik erfolgen; in den übrigen Pflichtfächern werden alle Schülerinnen und Schüler nach gleichem Lehrplan unterrichtet. Seit 1985 ist die einheitliche Voraussetzung für die Aufnahme in die Hauptschule der erfolgreiche Abschluss der vierten Volksschulklasse; alle Schülerinnen und Schüler der Hauptschule haben dieselben Pflichtgegenstände zu besuchen; es wurden Schwerpunkt-Hauptschulen eingeführt (Sport-, Musik-, Fremdensprachen-Hauptschule sowie Hauptschule mit musisch-kreativem Schwerpunkt).

Ein deutlicher sozialer Gradient lässt sich in der regionalen Verteilung der Besucherinnen und Besucher von Hauptschulen erkennen. So besuchten schon 1960/1961 37 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Schulstufen 5 bis 8 im 1. Bezirk Hauptschulen und 33 Prozent im 8. Bezirk. Hingegen lagen die entsprechenden Anteile im 10. Bezirk bei 80 Prozent, im 20. und 23. bei 85 Prozent und im 22. bei 93 Prozent. Zu Beginn der 1990er Jahre war der Anteil der Hauptschülerinnen und -schüler im Bezirk mit elf Prozent sehr gering, im 8. und 13. mit 22 Prozent sowie im 19. mit 26 Prozent weit unterdurchschnittlich. Die höchsten Anteile mit 65-72 Prozent verzeichneten der 11. und 20. Bezirk. In einigen Bezirken wie dem 23. Bezirk, die durch Zuwanderung einkommensstarker Schichten gekennzeichnet waren, fiel der Rückgang der Hauptschulanteile besonders deutlich aus.[5]

Von der Neuen Hauptschule zur Mittelschule

Entfernung der Nennung "Hauptschule" an der Franz Jonas Europaschule/Mittelschule Jedlesee

Im Bemühen um Angleichung der Bildungsmöglichkeiten der Zehn- bis Vierzehnjährigen wurde ab den 1980er Jahren in Form der Neuen Hauptschule Schulversuche durchgeführt. Mittelfristig führte das zur zunächst ab 2008 als Schulversuch, ab Herbst 2012 als Regelschule eingeführten Neuen Mittelschule (Schulorganisationsgesetz § 3 und § 21a-g). Nach der neuen Regelung wurden alle Hauptschulen Schritt für Schritt durch Neue Mittelschulen ersetzt. Während im Schuljahr 2011/2012 noch lediglich 24 Neue Mittelschulen bestanden, waren es daher 2018/2019 131.[6] Seit dem Schuljahr 2020/21 ersetzt die Mittelschule (MS) die Neue Mittelschule (NMS) als Pflichtschule für die 10- bis 14-Jährigen.

Siehe auch

Literatur

  • Oskar Achs / Peter Pokay: Schulen in Wien - Entwicklungs- und Strukturdaten. In: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien (1989), Heft 2, S. 3-18
  • Oskar Achs / Peter Pokay: Schulen in Wien - Innere Struktur des Schulwesens. In: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien (1992), Heft 3, S. 3-21
  • Helmut Brandauer: Die Konzeption der österreichischen Hauptschule. Geschichtliche Entwicklung und Lehrplananalyse. Wien: Ketterl [1970]
  • Ernst Gerhard Eder: Schüler/innen, Schulen und Bildungspolitiken seit 1770. In: Andreas Weigl / Peter Eigner / Ernst Gerhard Eder [Hg.]: Sozialgeschichte Wiens 1740-2010. Soziale und ökonomische Ungleichheiten, Wanderungsbewegungen, Hof, Bürokratie, Schule, Theater. Innsbruck / Wien / Bozen: StudienVerlag 2015 (Geschichte der Stadt Wien, 8), S. 585-780
  • Helmut Engelbrecht: Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Band 3. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1984
  • Wilfried Göttlicher: Wiener Schulreform? Österreichische Schulreform? Die Schulreform Otto Glöckels, das Rote Wien und der schulpolitische Dualismus, in: Österreich Geschichte Literatur Geographie 65 (2021), S. 310-324.
  • Otto Habla: Die Übernahme der österreichischen Schulformen in das Deutsche Reich. Die Hauptschule 1938-1945. Wien: Ketterl [1970]
  • Renate Seebauer: Zur Konzeption der Pflichtschule der 10- bis 14-Jährigen vom Reichsvolksschulgesetz bis 1945, mit besonderer Berücksichtigung Wiens. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 40 (1984), S. 122-169
  • Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2020. Wien: Magistratsabteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik 2020

Einzelnachweise

  1. Helmut Engelbrecht: Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Band 3. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1984, S. 238.
  2. Oskar Achs / Peter Pokay: Schulen in Wien - Entwicklungs- und Strukturdaten. In: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien (1989), Heft 2, S. 14.
  3. Oskar Achs / Peter Pokay: Schulen in Wien - Entwicklungs- und Strukturdaten. In: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien (1989), Heft 2, S. 14.
  4. Oskar Achs / Peter Pokay: Schulen in Wien - Innere Struktur des Schulwesens. In: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien (1992), Heft 3, S. 6.
  5. Oskar Achs / Peter Pokay: Schulen in Wien - Innere Struktur des Schulwesens. In: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien (1992), Heft 3, S. 10 f.
  6. Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2020. Wien: Magistratsabteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik 2020.