Frauenboxen

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Frauenboxen in Berlin (1921). Wettkampf zwischen Pepi Fischer (Deutschland) und Franzi Beyer (Österreich)
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Bildunterschrift Frauenboxen in Berlin (1921). Wettkampf zwischen Pepi Fischer (Deutschland) und Franzi Beyer (Österreich)

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Der Boxsport war in Wien lange Zeit ein Spektakel, das inhaltlich und auch räumlich näher als andere Sportarten beim Wirtshaus oder beim Zirkus angesiedelt war.[1] Beim Frauenboxen, in zeitgenössischen Quellen auch Damenboxen genannt, kam ein starker Varieté-Charakter hinzu. Wie bei anderen Kampfsportarten auch war es Frauen nicht gestattet, in öffentlichen Wettkämpfen gegeneinander anzutreten. Im Jahr 1919 berichtete etwa das Neue Wiener Journal von der Entscheidung des französischen Boxverbandes, Frauen aus "medizinischen und sportlichen" Gründen nicht zu öffentlichen Boxkämpfen zuzulassen.[2]

Versuche, das Frauenboxen zu Beginn des 20. Jahrhunderts als olympische Disziplin einzuführen, scheiterten. Ein derartiger Vorschlag beim Internationalen Olympischen Kongress in Paris rief 1914 „große Heiterkeit“ hervor.[3]

Berufsboxerinnen bei einem Wettkampf in Berlin (1923)
Lizzi Dorey in einem Frauenboxkampf in Ottakring (1932)

Zwischenkriegszeit

Vor allem in der Zwischenkriegszeit galt das Boxen als ein Sport, in dem Kraft, Ausdauer und Männlichkeit von besonders großer Bedeutung waren. Das damals vorherrschende Frauenbild war mit derartigen Eigenschaften nicht in Einklang zu bringen. So hieß es etwa 1923: "Mit dem Begriff der Frau war noch immer in unserem Bewusstsein auch der Begriff des Zarten, Gütigen, Vermittelnden verbunden. Nun ist es anders geworden."[4]

Auch aus den Reihen der boxenden Männer kam teilweise heftiger Widerstand. Der mehrmalige französische Europameister und auch Weltmeister George Carpentier meinte 1929: „Das Boxen der Frauen verurteile ich scharf und grundsätzlich. (…) Ich hasse jeglichen Kampf von Frauen im Ring und halte ihn für ebenso unnatürlich wie abscheulich. (…) Ich weiß nur zu gut, dass Boxen ein Sport für Männer ist“.[5]

Erste Belege für öffentliches Frauenboxen in Wien finden sich für das Jahr 1921 im Olympia-Varieté (Rotgasse 3)[6] und für das Jahr 1923 im Prater.[7]

Frauenboxen wurde zumeist zur Belustigung der Massen inszeniert. Bei einem Sportfest auf dem Hertha-Platz im Jahr 1925 wurde nach den Boxkämpfen der Männer in verschiedenen Gewichtsklassen ein „Blindboxen“ sowie ein „Damenboxen“ durchgeführt, das von verkleideten Männern bestritten wurde.[8]

Bei einem Volksfest in Dornbach 1932 folgte ein „Damenboxen“ im Anschluss an „humoristische Leichtathletikbewerbe“. Auch hier stand der Unterhaltungswert des Frauenboxens im Vordergrund.[9]

Allerdings fanden auch Boxkämpfe zwischen Frauen statt, die eindeutigen Wettkampfcharakter hatten und deren sportlich-kompetitive Komponente auch anerkannt wurde. 1932 fanden im Westend-Varieté am Johann-Nepomuk-Berger-Platz internationale Damenboxkämpfe statt. Als Favoritin galt die Wienerin Lizzi Dorey, die 1929 in Rumänien und 1931 in der Tschechoslowakei die Meisterschaft davongetragen hatte. [10] Diese Boxveranstaltung sorgte für reges mediales Interesse, wobei nicht nur die sportlichen Leistungen der Wettkämpfe, sondern auch die Sorgen über eine „Vermännlichung der Frau“ zum Thema gemacht wurden.[11] Anwesend bei dieser Veranstaltung war auch der ehemalige Europameister im Mittelgewicht Leopold Steinbach, der seit 1931 eine Boxschule im Dianabad führte, wo er nicht nur männliche Boxer ausbildete, sondern auch Frauen – jedoch ausschließlich im Fitnessboxen und nicht für Wettkämpfe – trainierte.[12]

Im Jahr 1937 fand im Grabencafé in einem von Parodisten und Komikern gestalteten Abendprogramm auch ein Entscheidungskampf im „Damenboxen“ statt, der in erster Linie Varieté-Charakter hatte und vornehmlich der Unterhaltung diente.[13]

Nach dem Zweiten Weltkrieg

In der Nachkriegszeit wurde das Frauenboxen in der medialen Berichterstattung zunehmend missbilligt, während es zuvor meist belächelt wurde. Dies lag unter anderem auch daran, dass der Showcharakter gegenüber der sportlichen Komponente dominierte und sich die „internationalen“ Boxerinnen zumeist als Sportlerinnen aus der näheren Umgebung herausstellten. 1947 wurden „Auswahlkämpfe“ für die Weltmeisterschaft im Damenboxen im Zirkus Frisky als „billigste Jahrmarktsensation“ beschrieben.[14] Als 1948 der Versuch unternommen wurde, Frauenboxkämpfe in Wien zu organisieren, titelte man „10 Mädchen tun so als ob“. [15] Die offizielle Anerkennung des Frauenboxens auf internationaler Ebene erfolgte erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts, als die ersten Verbände eigene Weltmeisterschaften im Frauenboxen zu organisieren begannen. Bei den Olympischen Spielen 2012 in London war Frauenboxen erstmals eine eigenständige Disziplin – 108 Jahre nach den ersten olympischen Boxkämpfen der Männer 1904.

Literatur

  • Bernhard Hachleitner / Matthias Marschik / Georg Spitaler [Hg.]: Sportfunktionäre und jüdische Differenz. Zwischen Anerkennung und Antisemitismus − Wien 1918 bis 1938. Berlin: de Gruyter 2019
  • Ulrike Schaper: "Das Boxen ist ein Sport wahrer Männlichkeit". Geschlecht im Ring: Boxen und Männlichkeit in der Weimarer Republik. Vortrag bei der 4. Konferenz zum Thema "Geschlechterkonkurrenzen: Männer – Männer, Männer – Frauen, Frauen – Frauen" vom 2. bis 4. Februar 2006 in Stuttgart-Hohenheim

Einzelnachweise